Falschdarstellungen im BR zu Kirchensteuer

18. Januar 2018
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Der BR tut so, als flössen von 100 Euro Kirchensteuer 28,12 Euro in die Bildung.

Kirchliche Darstellungen sind oft irreführend. Beim Bayerischen Rundfunk ist man darauf hereingefallen.

Die Kirchen sind zwar daran interessiert, dass man ihnen möglichst nicht direkt Lügen oder falsche Darstellungen nachweisen kann. (Siehe z.B. hier oder hier.) Sie sind aber Meister darin, Journalisten zu täuschen, so dass diese dann falsch berichten.

So war es auch gestern in der Sendung „Stationen: Kirchensteuer und Kollekte – Wie reich sind die Kirchen wirklich?“ im Fernsehen des Bayerischen Rundfunks.

Der Beitrag basierte auf einer Darstellung des Erzbistums München und Freising, die zwar leicht einen falschen Eindruck vermitteln kann, die aber mittlerweile zumindest nicht offensichtlich falsch ist.

Die eigentliche Falschdarstellung übernahmen dann der Bayerische Rundfunk und Irene Esmann, die nämlich genau auf die irreführende Darstellung des Erzbistums reingefallen sind.

Hierzu habe ich heute dem BR gemailt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

die gestrige Sendung “Stationen: Kirchensteuer und Kollekte – Wie reich sind die Kirchen wirklich?” enthielt mehrere Falschdarstellungen:

Erstens, und dies betrifft das Grundkonzept des Beitrags: Es wurde immer wieder so getan, als ob es um die (prozentuale) Verteilung der KIRCHENSTEUERN ging. Tatsächlich wurde allerdings die Verteilung der kirchlichen EINNAHMEN dargestellt. Die Zahlen stammten nämlich aus der Finanzbroschüre des Erzbistums. Darin ist von Einnahmen die Rede, nicht von der Kirchensteuer:

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Die Verteilung der Kirchensteuern und der Einnahmen ist nicht dasselbe. Das zeigt sich auch daran, dass das Erzbistum München in seiner ersten derartigen Broschüre (s.u.) tatsächlich noch behauptete, bei den Zahlen handele es sich um die Verteilung der Kirchensteuer, in den Folgejahren dann allerdings korrekterweise nur noch von den Einnahmen sprach (s.o.):

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Die unterschiedliche Verteilung der Kirchensteuern gegenüber den Einnahmen kommt daher, dass die Kirchensteuer beim Erzbistum München nur rd. 70% der Erträge ausmacht:

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Die erhaltenen Zuschüsse betreffen dem Haushaltsbericht 2017 (S. 84) zufolge im Wesentlichen staatliche Zuschüsse für Schulen. In den sonstigen Erträgen sind gut 13 Millionen Schulgeld, Tagesheimerträge sowie Einnahmen aus Kindertagesstätten enthalten. Damit belaufen sich allein die im Haushaltsbericht auf S. 84 ausdrücklich bezifferten größeren Positionen auf gut 90 Mio. Euro, die der Staat, im Wesentlichen für Bildung, zahlt. Das sind knapp 11% des Diözesanhaushalts.

Das heißt: Das Erzbistum mag zwar – wie auch im BR-Beitrag dargestellt, allerdings falsch – 28,12 Euro von 100 (28,12%) seiner EINNAHMEN für Bildung ausgeben. Speziell im Bildungsbereich stammt aber ein ganz erheblicher Teil dieser Gelder nicht aus der Kirchensteuer, sondern vom Staat.

Grob überschlagen: Wenn der Staat beim Erzbistum 11% des Haushaltsvolumens für Bildung zuschießt und das Bistum gibt 28% des Haushalts für Bildung aus, dann werden – Pi mal Daumen – nur 17% der Kirchensteuer für Bildung ausgegeben, nicht 28%, wie es im BR-Beitrag suggeriert wird.

Zwar wird der durchschnittlichen Bürgerin der Unterschied zwischen der Aufschlüsselung der Einnahmen und der Kirchensteuer nicht bekannt sein, und zweifellos präsentieren die Kirchen ihre Finanzen bevorzugt in der dargestellten Form, weil dadurch höhere Anteile bei den staatlich geförderten Bereichen ausgewiesen werden und entsprechend niedrigere Anteile bei den rein kirchlichen Bereichen. Aber die Darstellung in der BR-Sendung, wo immer wieder gesagt wird, es handele sich um die Kirchensteuer, und wo eingangs noch der Eindruck vermittelt wird, die Schlüsselung nach Kirchensteuern und Einnahmen sei das gleiche, ist schlichtweg falsch.

Profi-Tipp: Wenn man über Kirchenfinanzen berichten will, sollte man nicht ausschließlich Kirchenvertreter befragen!

Zweitens: Zum Schluss wird gesagt, der verbleibende Betrag ginge an das Finanzamt, für den Kirchensteuereinzug. Zwar wird der konkrete Betrag nicht genannt, wer nachrechnet, kommt aber auf den in der Broschüre genannten Betrag von 6,69.

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Hier sollten eigentlich gleich die Alarmglocken schellen, denn wer sich auch nur ein bisschen mit Kirchenfinanzen auskennt – oder wer die Aufstellung (s.o.) gelesen hat, auf der Ihr Beitrag beruht! –, der weiß, dass die Gebühr für den Einzug der Kirchensteuer in Bayern 2% des Kirchensteueraufkommens beträgt. Das wären 2 Euro von 100. “An das Finanzamt” gehen sogar noch weniger als 2 Euro, weil die Vergleichsgröße hier ja nicht bloß das Kirchensteueraufkommen, sondern der Gesamthaushalt ist. Die Darstellung im BR-Beitrag ist also falsch und unentschuldbar.

Vielmehr dürfte der Großteil des Betrages, jedenfalls ausweislich der Erläuterung, zurück an die Kirchensteuerzahler gehen.

Fazit: Der BR-Beitrag ist geprägt von groben Fehlern, grob mangelhaftem Verständnis für die Sachverhalte, über die berichtet wird, und dem Fehlen jeglicher kritischen Prüfung.

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Krause

NACHTRAG: Die Kirchensteuer selbst wird durch die steuerliche Absetzbarkeit zu einem Drittel (33%) aus allgemeinen Steuergeldern subventioniert. Selbst wenn, wie in der Sendung suggeriert, knapp 30% der Kirchensteuer für gesellschaftliche Zwecke ausgegeben würden, würde der Staat durch die Kirchensteuer immer noch nicht finanziell entlastet. Da der tatsächliche Anteil der Kirchensteuer, der für gesellschaftliche Zwecke ausgegeben wird, selbst beim reichen Erzbistum München deutlich geringer sein wird, entlasten Kirchenaustritte den Staat.

NACHTRAG 2: Frau Esmann, die den Beitrag präsentiert hat, war an der katholischen Journalistenschule.

FUN FACT: Ich erhielt den Tipp, mich auch an der Rundfunkrat des BR zu wenden. Dort wurde ich von Kirchenlobbyist Lorenz Wolf begrüßt, der auch Vorsitzender des Rundfunkrates ist:

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Kirchensteuer auf Kapitalerträge: Neuer Ärger vorprogrammiert

6. September 2014

Seit Wochen ist das Thema „Kirchensteuer auf Kapitalerträge“ in den Medien, und ein Ärgernis wurde bisher noch gar nicht beachtet: Die völlig unzureichende Bezahlung des absehbaren Zusatzaufwands für die Finanzämter. Hier stehen die Interessen der Allgemeinheit gegen die der Kirchen.

Bereits 375.000 Bürgerinnen und Bürger haben Widerspruch gegen die automatische Übermittlung ihrer Kirchenzugehörigkeit an die Banken eingelegt. Wer kirchensteuerpflichtig ist, muss in diesem Fall – soweit dies nicht ohnehin erfolgt – eine Steuererklärung abgeben und dort seine Kapitalerträge angeben. Das Bundesministerium der Finanzen beschreibt diesen Prozess so:

Das BZSt ist gesetzlich gehalten, bei eingelegtem Sperrvermerk des Kirchensteuerpflichtigen Namen und Anschrift der anfragenden Kreditinstitute, Versicherungen etc. an das zuständige Finanzamt des Steuerpflichtigen weiterzureichen. Der Sperrvermerk führt also dazu, dass der Kirchensteuerpflichtige beim Finanzamt eine Erklärung zu der auf seine Kapitalerträge abgeführten Kapitalertragsteuer abgeben muss (vergleiche Abbildung 1).

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[Monatsbericht Februar 2014 des BMF. S. 26]

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Abgeltungssteuer: Kirchen wollen Hunderte Millionen mehr einnehmen und wundern sich, dass diejenigen, die das bezahlen sollen, austreten

7. August 2014
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Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 3. August 2014

Nachdem die Kirchenaustrittszahlen für das erste Halbjahr 2014 (zumindest kirchenintern) bekannt sind, wird den Kirchen offenbar klar, dass sie sich mit der automatischen Abführung der Kirchensteuer auf die Abgeltungssteuer (Kirchenabgeltungssteuer) ins Knie geschossen haben. Schon wird die Sorge laut, dass aufgrund der dadurch veranlassten Kirchenaustritte die Einnahmen nicht steigen, sondern sogar sinken werden:

So fürchtet der Finanzchef der Evangelischen Kirche im Rheinland, Bernd Baucks, die „Austritte wegen des neuen Kirchensteuereinzugsverfahrens“ würden den Kirchen „größere Verluste bescheren als die erwarteten Einkünfte“, denn „ihnen gingen die gesamten Kirchensteuereinnahmen der oft relativ wohlhabenden Ausgetretenen über Jahre hinweg verloren“.

Das kann keinesfalls überraschen. Während die Kirchen betonen, dass es sich nicht um eine neue Steuer handelt und dass lediglich das Verfahren automatisiert wird, führt die Automatisierung doch auch dazu, dass sich die Kirchensteuer auf Kapitalerträge nicht mehr vermeiden lässt. Und bisher wurde offenbar der Großteil der Kirchensteuer auf Kapitalerträge hinterzogen:  Den Rest des Beitrags lesen »


Schamlos und dreist: Evangelische Broschüre zu Kirchenfinanzen

12. Oktober 2013

Kirche und GeldEvangelische Kirchen im Rheinland beklagen sich in einer neuen Broschüre über „viele falsche Vorwürfe“ – und nehmen es doch selbst mit der Wahrheit nicht genau.

Während das Handelsblog heute die Frage beantwortet, „Warum zahlt der Staat eigentlich die Bischofsgehälter?„, behaupten einige Kirchenkreise aus dem Rheinland in einer neuen Broschüre („Die Kirche und das liebe Geld„), der Staat zahle gar keine Bischofsgehälter (S. 8):

Zahlt der Staat für die Gehälter der Bischöfe?

Nein! Die so genannten »Staatsleistungen« geistern – zusammen mit vielen falschen Vorwürfen – immer wieder durch die politische Debatte: Gemeint sind damit diejenigen Gelder, mit denen der Staat den Kirchen Ersatz leistet für frühere Enteignungen, wie sie in großem Umfang vor allem zur Zeit Napoleons Anfang des 18. Jahrhunderts geschehen sind.

Bischofsgehälter

Um dem Vorwurf der Lüge auszuweichen, könnten sich die Herausgeber höchstens auf folgende, lahme Ausreden berufen:

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Subventionsbericht: Kirchensteuerabzug kostet den Staat 3 Milliarden pro Jahr

5. Oktober 2013

Kirchensteuer Subvention

Ich rechne ja gern vor (zuletzt der Süddeutschen Zeitung), dass allein die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer den Staat mehr kostet, als im Gegenzug aus Kirchensteuermitteln für gemeinnützige Zwecke verwendet wird.

Denn die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer vom Einkommen führt dazu, das Kirchenmitglieder weniger Lohn- und Einkommensteuer zahlen als ihre konfessionslosen Mitbürger (ceteris paribus).

Im August hat die Bundesregierung ihren 24. Subventionsbericht veröffentlicht, in dem diese Mindereinnahmen für die Jahre 2011 und 2012 auf jährlich über drei 3 Milliarden Euro beziffert werden.

Dem Statistischen Jahrbuch zufolge hat das Kirchensteueraufkommen für die evangelische und die katholische Kirche hat im selben Zeitraum jährlich etwa 10 Milliarden Euro betragen.

Das heißt, dass die Kirchensteuer zu einem Drittel subventioniert wird.

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Kirchenfinanzen: Dichtung und Wahrheit

25. August 2013

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) lässt sich von kirchlichen Darstellungen blenden. Und der Haushalt des Erzbistums München und Freising belegt: Die Kirchensteuer entlastet den Staat nicht, sie belastet ihn.

Wie die Kirchen ihre Anteile für Bildung und Caritas aufblähen – mit staatlichen Geldern

Anstatt ihren Mitgliedern mitzuteilen, wie viel Geld von der Kirchensteuer für gemeinnützige Zwecke wie Bildung oder Caritas ausgegeben wird, veröffentlichen die Kirchen lieber ihre Haushalte. Diese umfassen allerdings nicht nur die Einnahmen aus der Kirchensteuer, sondern auch die staatlichen Zuschüsse und alle anderen Einnahmen (z.B. Schulgeld, Gebühren, Pfründe-, Pacht- und Zinseinnahmen, Spenden). Da die staatlichen Zuschüsse im Wesentlichen in die gemeinnützigen Tätigkeitsbereiche gehen, erhöhen sie dort die Haushaltsansätze (s.u.) – und damit den Anteil der gemeinnützigen Bereiche am Haushaltsvolumen. Die Prozentangaben, wie viel anteilig für gemeinnützige Zwecke ausgegeben wird, sind daher für den kirchlichen Haushalt immer viel größer, als wenn der Prozentsatz angegeben würde, der von der Kirchensteuer für gemeinnützige Zwecke ausgegeben wird (s.u.).

Nun ist zwar nichts dagegen einzuwenden und es ist absolut sinnvoll, dass die Kirchen ihre Haushalte veröffentlichen. Ein für die Kirchen angenehmer Nebeneffekt ist allerdings, dass die Öffentlichkeit durch die überhöhten Prozentangaben einen falschen Eindruck von der Verwendung der Kirchensteuer bekommt. Das Erzbistum München und Freising, um das es im Folgenden geht, verweist sogar in seiner Broschüre „Informationen zur Kirchensteuer 2013“ als Antwort auf die selbstgestellte Frage (S. 13) „Wofür wird die Kirchensteuer im Erzbistum München und Freising verwendet?“ auf die Haushaltsangaben – anstatt die Anteile an der Kirchensteuer auszuweisen, wie ich es unten tue.

… und die SZ fällt darauf rein

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Faktencheck mit Bischof Dröge: Wer nichts weiß, muss alles glauben

22. Mai 2012

Predigt „Versachlichung“: Der Berliner Landesbischof Markus Dröge. Pressefoto: Andreas Schoelzel

Wer Ahnung hat, hat mehr vom Leben. Oder anders ausgedrückt: „Wer nichts weiß, muss alles glauben“.

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Kulturabgabe: Das Beste, was Konfessionslosenverbänden passieren könnte

19. Mai 2012

Könnte sich bei einer Kultursteuer einen ordentlichen Haarschnitt leisten: Dr. Michael Schmidt-Salomon

Liebe Grüne,
liebe Katholikinnen und Katholiken,

da es Euer Finanzexperte Dr. Schick ja nicht macht, will ich Euch mal vor Augen führen, wozu sein Vorschlag einer „Kulturabgabe nach italienischem Vorbild“ führen würde.

Ich will damit ernsthaft zur geforderten Diskussion beitragen und ich hoffe, dass die „Kultursteuer“ damit ein für alle Mal begraben wird. Am Ende des Artikels werdet Ihr feststellen, dass ich tatsächlich aus verfassungsrechtlichen Gründen gegen eine Kultursteuer bin. Für die Konfessionslosenverbände wäre eine Kultursteuer nämlich finanziell das Beste, was ihnen passieren könnte.

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„Strafsteuer“ oder „Kirchenaustritts-Verhinderungssteuer“?

16. Mai 2012

Hier kann man noch kommentieren. Bitte nur ernst gemeinte Zuschriften.

Unabhängig davon, wie man zu der Wortwahl „Strafsteuer für Konfessionslose“ steht: Die Überschrift hat ihren Zweck erfüllt. Mein Artikel wurde mehrere tausend Mal aufgerufen. Beim hpd wurde darauf hingewiesen, bei Telepolis wurde ich sogar namentlich erwähnt. Soweit ich es überblicke, sind die Reaktionen auf die Forderung nach einer „Kulturabgabe nach italienischem Vorbild“ ganz überwiegend negativ – auch und gerade von Mitgliedern der Grünen: gestern veröffentlichte die Grüne Jugend eine ablehnende Presseerklärung, heute wurde an einer weiteren ablehnenden Entgegnung gearbeitet. Selbst die EKD bestätigte nochmals ihre Ablehnung des „italienischen Modells“. Auch auf den facebook-Seiten zweier Unterzeichner des Papiers, Dr. Gerhard Schick und Josef Winkler, überwiegen die negativen Kommentare. (Herr Winkler hat ein Posting mit den zugehörigen Kommentaren offenbar entfernt, nachdem ganz überwiegend Kritik geäußert wurde. Ich selbst hatte ganz sachlich mehrere konkrete Fragen zu dem Modell gestellt. Eine merkwürdiger Umgang im Hinblick auf ein Papier, das als „Diskussionsbeitrag“ dienen sollte.)

Vereinzelt wurde Kritik an meiner Wortwahl „Strafsteuer für Konfessionslose“ geäußert. So lautete der gelöschte Facebook-Post von Herrn Winkler etwa sinngemäß: Niemand will eine Strafsteuer für Konfessionslose. „Strafsteuer“ sei aber eine effektive Polemik.

Nun, „Strafsteuer“ ist gewiss eine Zuspitzung – der Vorschlag von Winkler und Co. kommt aber bei Konfessionslosen tatsächlich so an.

Aber ist es umgekehrt zutreffend, wenn die Autoren des Papiers von einer „Kulturabgabe“ sprechen?

Schauen wir uns einmal unabhängig von der Bezeichnung an, was die Autoren ändern wollen: In Zukunft sollen Konfessionslose zusätzlich zur Kasse gebeten werden (für Kirchenmitglieder ändert sich in finanzieller Hinsicht ja nichts), und zwar in derselben Höhe wie die Kirchenmitglieder. Eine sachliche Rechtfertigung dafür wird nicht erst gegeben, dafür machen die Autoren deutlich, dass es ihnen darum geht, den finanziellen Anreiz für den Kirchenaustritt (Ersparnis der Kirchensteuer) zu eliminieren.

Von „Kultur“ ist nirgends die Rede.

Der eigenen Argumentation der Autoren zufolge müsste man daher die Forderung ehrlicherweise als „Kirchenaustritts-Verhinderungssteuer“ bezeichnen.

Oder haben Sie daran auch etwas auszusetzen, Herr Winkler?

Es gibt auf der facebook-Seite von Herrn Winkler übrigens noch einen anderen Thread, w. man das Papier kommentieren kann.


Grüne Jugend lehnt „Kultursteuer“ ab

16. Mai 2012

Pressemitteilung der GRÜNEN JUGEND:

15.05.2012: Anlässlich der Debatte über das Positionspapier mehrerer FunktionsträgerInnen von BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN zu einer potentiellen öffentlichen Kirchenfinanzierung erklärt der Bundesvorstand der GRÜNEN JUGEND:

„Wir stehen für einen säkularen Staat für alle Menschen. Unserer Meinung nach ist es deshalb nicht die Aufgabe des Staates, die Kirchen zu finanzieren oder ihnen dabei zu helfen. Deswegen stellen wir uns gegen die Forderung des Papiers, welches eine öffentliche Finanzierung der Kirche vorsieht.

Auch die Möglichkeit, eine verpflichtende Kirchensteuer optional auch an eine andere Institution zu zahlen, stellt unserer Meinung nach immer noch eine staatliche Dienstleistung zur Finanzierung der Kirchen dar und ist somit mit einem säkularen Staat nicht vereinbar. Wir wollen nicht, dass der Staat den Kirchen beim Eintreiben ihrer Mitgliedsbeiträge hilft, wir wollen keine Verpflichtung der BürgerInnen, Geld zu spenden, und wir wollen karitative Organisationen nicht mit Religionsgemeinschaften auf eine Stufe stellen.

Das Engagement dieser Organisationen ist selbstverständlich von enormer Bedeutung und öffentlich zu fördern. Doch dies wird bereits unter anderem durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend getan. Als GRÜNE JUGEND stehen wir deshalb dafür ein, diese Förderung zu erhöhen und sie nicht für die Argumentation für die Kirchensteuer zu missbrauchen.“

Einige katholische Grünen-PolitikerInnen hatten in einem Papier anlässlich des Katholikentags in Mannheim erklärt:

Ist es sinnvoll zuzuschauen, dass viele Menschen wegen der Kirchensteuer aus unserer Kirche austreten? Wir meinen, es ist auch aus der Perspektive unserer Kirche richtig, einen Reformweg zu beschreiten, der sich am italienischen Vorbild einer „Kulturabgabe“ orientiert, welche alle Menschen an eine gemeinnützige Institution ihrer Wahl entrichten. Dies stärkt die Position der Kirche mehr als Debatten über die kircheninternen Konsequenzen der Verweigerung von Kirchensteuerzahlung.

Wir halten es aber für richtig, dass die Kirchensteuer – egal in welcher Ausgestaltung – über staatliche Institutionen eingezogen werden kann. Dies vermindert bei allen Beteiligten Verwaltungskosten. Richtig bleibt auch, dass die Kirchensteuer wie Spenden an gemeinnützige Organisationen steuermindernd wirkt.

Richtig ist auch, dass der Staat die Kirchen finanziell unterstützt. Die Staatsleistungen sollen dem Grundgesetz zufolge abgelöst werden. Dafür sollte im Dialog zwischen Staat und Kirche ein Verfahren diskutiert werden, dass zum einen dem Verfassungsauftrag gerecht wird, zugleich jedoch eine dauerhafte Präsenz der Kirchen in unserer Gesellschaft sicherstellt.

Die Evangelische Kirche hatte das Modell einer „Kultursteuer“ nach italienischem Vorbild bereits 2007 klar als verfassungswidrig bezeichnet und auch jetzt noch mal ihre Ablehnung dieses Vorschlags bekräftigt. Dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit hatte einer der Unterzeichner, der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dr. Gerhard Schick, in einer Sendung beim WDR auch nichts entgegenzusetzen. Bei dem Vorschlag handelt es sich letztlich um eine „Strafsteuer“ für Konfessionslose, mit der der finanzielle Anlass für den Kirchenaustritt eliminiert werden soll.