Zehn Jahre nach dem Missbrauchsskandal von 2010 ist klar, dass die deutschen Bischöfe nur auf öffentlichen Druck reagieren. Aber wo soll dieser Druck herkommen, wenn die deutschen Kirchenredaktionen von Theologen dominiert werden, sich immer wieder als inkompetent und unkritisch erweisen, und von der Kirche an der Nase herumgeführt werden?
Meine in den letzten Tagen hier geäußerte Vermutung, dass die diffamierende Kathpress-Meldung in ihrer ursprünglichen Form von der Abtei Mehrerau (bzw. Abt Anselm oder Harald Schiffl) an die Presse geschickt wurde, ist offenbar falsch.
Ich weiß, dass das Opfer massiv interveniert hat – zugleich hat wohl auch die Abtei Mehrerau auf eine Korrektur hingewirkt, möglicherweise auch auf die Löschung.
Die Löschung der Meldung ändert natürlich nichts daran, dass irgend jemand die diffamierenden Aussagen in die Welt gesetzt hat – entweder in Mehrerau oder bei Kathpress!
Gestern hatte ich empfohlen, sich mal die Medienberichterstattung zu den kirchlichen Missbrauchsskandalen von 2002 anzusehen, um diesen Sommer, wenn die deutschen Bischöfe ihre überarbeitete Fassung der „Leitlinien“ vorstellen, die kirchlichen Erklärungen hierzu beser einschätzen zu können.
Diese Berichte zu finden ist allerdings nicht ganz einfach, daher hier ein paar Hinweise (alle Hervorhebungen in den Texten von mir):
In seiner Erklärung behauptet das Forum, Medien hätten sich wegen der sexuellen Missbrauchsfälle über Wochen „in konzertierter Aktion“ nahezu ausschließlich auf die Katholische Kirche eingeschossen.
Allerdings kann man bei den kirchentreuen Medien durchaus ebenfalls den Eindruck einer konzertierten Aktion haben – und die Erklärung des Katholikenforums ist ein gutes Beispiel dafür: Bischof Müller ist dort nämlich Kuratoriumsmitglied (wie auch Kardinal Meisner).
Dieser Umstand wird allerdings in der Meldung nicht erwähnt.
Nachtrag: Wie es sich für einen papst- und kirchentreuen Verein gehört, enthalten auch die älteren Pressemitteilungen des Katholikenforums keine wirklichen Überraschungen. Hier einige Beispiele:
Letzte Woche veröffentlichte Bischof Müller aus Regensburg ein Hirtenwort, in dem er sich zu der Behauptung verstieg, in den Medien werde mit „krimineller Energie“ eine „Hetze“ verursacht, um „die ganze katholische Kirche und ihre Einrichtungen in Misskredit zu bringen.“ Die Medien lieferten ein „Zerrbild jenseits aller Realität“.
Auch jetzt erleben wir wieder eine Kampagne gegen die Kirche. […]
Es geht darum heute, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu erschüttern. Das ist das Ziel dieser Kampagne gegen die Kirche. Die Leute, die vorm Fernsehen sitzen, die Zeitung aufschlagen, denen wird dann suggeriert, und sie werden manipuliert durch zurechtgestutzte und verkürzte Berichte […]
Ausgerechnet Müllers Predigt hat das Bistum auf seiner Website offenbar „manipuliert“ durch eine „zurechtgestutzte und verkürzte“ Fassung:
Nachdem Kritik daran laut geworden war, dass Müller in seiner Predigt die von ihm wahrgenommene „Medienkampagne“ in die Nähe antikirchlicher Nazipropaganda gerückt hatte, – unmittelbar vor dem obigen Predigtzitat hatte er nämlich über den Widerstand gegen den sog. „Kruzifix-Erlass“ der Nationalsozialisten von 1941 gesprochen, wenige Wochen zuvor hatte er anlässlich des SPIEGEL-Titels „Die Scheinheiligen“ bereits an die antikirchliche Kampagne der Nazis erinnert – da veröffentlichte das Bistum auf seiner Internetseite eine Fassung von Müllers Predigt ohne das Wörtchen „wieder“. (In der Mitschrift des Bayerischen Rundfunks ist es allerdings vorhanden.)
In der Bistumsfassung heißt es „Auch jetzt erleben wir eine Kampagne gegen die Kirche“ anstatt „Auch jetzt erleben wir wieder eine Kampagne gegen die Kirche.“
Außerdem soll Müllers Pressesprecher Clemens Neck der Süddeutschen Zeitung zufolge versucht haben,
die Berichterstattung über die Predigt zu verhindern: „Keine Freigabe der Bänder möglich. cn“, erhielt die BR-Reporterin eine sms. Jetzt nennt Neck die Berichterstattung des BR eine „fälschende Verzerrung“.
Wie gesagt: Der Pressesprecher des Bischofs, der Manipulation „durch zurechtgestutzte und verkürzte Berichte“ geißelt.
Zu Müllers Gebaren gibt es so viele Redensarten und Bibelsprüche, dass ich sie mir hier spare. Aber einen Frage habe ich doch:
Meint die Ludwig-Maximilians-Universität eigentlich, dass „Prof. Müller“ weiterhin als Dozent tragbar ist? (Zumal er sich wiederholt durch Halbwissen hervorgetan hat.)
Update: Einem Artikel der Süddeutschen Zeitung zufolge soll das Bistum Müllers Predigttext im Internet derart geändert haben, dass es dort nun heißt, wir erlebten heute „eine Kampagne gegen die Kirche“ – anstatt: „wieder eine Kampagne gegen die Kirche“. (S.u.)
Update: Die entsprechende Passage aus Müllers Predigt entsprechend der BR-Mitschrift.
Kirchenkampf 1941
Der Regensburger Bischof Müller (http://www.bischofmueller.de/) hat seiner Predigt am Samstag, 20.03.2010 im Dom zu Regensburg anlässlich der Hundertjahrfeier des Katholischen Deutschen Frauenbundes in der Diözese Regensburg zunächst auf die Rolle des Frauenbundes beim Widerstand gegen den „Kruzifix-Erlass“ der Nazionalsozialisten 1941 hingewiesen. Der Hintergrund ist folgender:
In einem Erlass des bayrischen Kultusministers Adolf Wagner wird die Entfernung des Kreuzes aus den bayrischen Schulen angeordnet.
Wagner, seit 1923 Mitglied der NSDAP, schreibt in der Anordnung: „Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass kirchlicher Bilderschmuck, auch wenn er künstlerischen Wert besitzen sollte, sowie Kruzifixe in der Schule am falschen Platze sind; ich ersuche daher Sorge dafür zu tragen, dass solcher Wandschmuck allmählich entfernt oder durch zeitgemäße Bilder ersetzt wird.“
Die bayrische Bevölkerung reagiert auf den Erlass mit Wut und Empörung, die sich in Unruhen, Boykotten und Demonstrationen entladen. Bauern verweigern die Milchlieferung, Eltern versperren Schuleingänge oder schicken ihre Kinder nicht mehr zum Unterricht. Die Entfernung der Kreuze kann so vielerorts verhindert werden.
Michael von Faulhaber, Kardinal von München und Freising, protestierte bei Wagner persönlich gegen dieses neue Vorgehen zur Vernichtung des Christentums im öffentlichen Leben. Am 28. August ordnet Wagner in einem Geheimerlass die Einstellung der gescheiterten Kruzifix-Aktion an. Er macht für den Fehlschlag teils die gut organisierte Gegenpropaganda der Geistlichkeit, teils die politisch falsche bzw. übereifrige Handlungsweise von Lehrkräften verantwortlich. [Angaben zur Quelle unten, Links im Text von mir.]
In einer großen Krisensituation – 1941 – haben die Frauen unseres Frauenbundes in Regensburg und in Amberg gegen die damals triumfierende, nationalsozialistische Bewegung, diese neuheidnische Ideologie, christentumsfeindliche, menschenfeindliche Ideologie gewandt. Es war in unserem Bistum in Regensburg mit 1000 Personen, meist aber Frauen, und in Amberg mit 500 Teilnehmern – auch meistens Frauen -, waren es die größten, öffentlichen Demonstrationen gegen dieses nationalsozialistische Unrechtssystem. Denen mit ihrem titanischen Wollen, mit ihrem Aufbegehren gegen Gott, dem Nicht-Dienen-Wollen, Sein-Wollen wie Gott, sich selber an die Stelle Gottes setzen wollen in dieser Ideologie, war natürlich das Kreuz Jesu Christi. Jesus Christus, der für uns am Kreuz aus Liebe für und Menschen gestorben ist, ein Dorn im Auge. Darum der Erlass, alle Kreuze – Bildnisse Christi des gekreuzigten Herrn – müssen aus den öffentlichen Schulen heraus, aus allen öffentlichen Gebäuden heraus muss Christus verschwinden.
Eine große Krisensituation 1941 war für Müller also das Entfernen von Kreuzen – während der Zweite Weltkrieg tobte und die Judenverfolgung laut Wikipedia bereits folgendes Ausmaß angenommen hatte: