Papst Benedikt XVI. ist mit Schuld am Tod von Savita Halappanavar

15. November 2012

Seit gestern empört sich die Welt über den unnötigen und qualvollen Tod von Savita Halappanavar, einer 31jährigen Frau, der in einem irischen Krankenhaus ein vermutlich lebensrettender Schwangerschaftsabbruch verweigert wurde, mit der Begründung, „Irland ist ein katholisches Land„.

Tatsächlich, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, ist im katholischen Irland Abtreibung „in jeder Form verboten“.

Es greift meines Erachtens allerdings zu kurz, die Schuld beim Krankenhauspersonal oder den irischen Politikern festzumachen. Das irische Gesetz stellt nämlich keineswegs etwa eine eigene, besonders strenge Auslegung des Katholizismus dar, sondern setzt „lediglich“ die offizielle Position der Katholischen Kirche durch:

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Bundestagsrede: Der Papst pfeift auf dem letzten Loch

22. September 2011

In seiner Rede vor dem Bundestag hat der Papst eine „nur“ naturalistische Weltsicht kritisiert und den Eindruck erweckt, als ob eine solche Weltsicht, die ja immerhin vom Atom bis hin zum Universum, vom Urknall bis in ferne Zukunft, von den Naturgesetzen bis hin zur evolutionären Entwicklung von Selbstbewusstsein und Ethik reicht, ein eingeschränktes Weltbild sei, das offenbar der Ergänzung durch archaische Vorstellungen aus Bronzezeit und Mittelalter bedürfe.

Letztlich mahnte der Papst in seiner Rede eine Verantwortung vor Gott, Gerechtigkeit und und die Unterscheidung von Gut und Böse an. Leider machte er nicht deutlich, nach welchen Kriterien dabei geurteilt werden soll.

Damit sind Christen in keiner besseren Lage als Atheisten oder Humanisten: Wir alle müssen uns überlegen, welches eigentlich die Kriterien für unser Handeln, für die Unterscheidung von Gut und Böse sein sollen, und was „Gerechtigkeit“ bedeutet.

Nicht einmal der Begriff der Nächstenliebe kam in seiner Rede vor, wobei auch dieser offen lässt, was denn konkret Nächstenliebe sein soll (z.B. Sterbehilfe oder Leidensverlängerung).

Damit liefert der Papst lediglich Schlagworte („Verantwortung vor Gott“, „Gerechtigkeit“, „Gut und Böse“), aber keine Maßstäbe (Kriterien), wie man diesen Zielsetzungen näher kommt.

Mit anderen Worten: Der Papst hat zwar von Verantwortung, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Gut und Böse gesprochen, aber nicht den geringsten Hinweis gegeben, an welchen Kriterien sich diese Werte konkret festmachen sollen.

Das ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung, denn offiziell behauptet die katholische Kirche ja durchaus – und schreibt dies im ihrem Katechismus auch bis ins Detail vor –, was „gut“ und was „böse“ (bzw. schlecht) ist.

Offenbar fehlen selbst dem Papst – der ja oft als großer Intellektueller bezeichnet wird – allgemein nachvollziehbare Argumente für die Unterscheidung zwischen Gut und Böse (z.B. hat Ratzinger ja im Zusammenhang mit der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften von der „Legalisierung des Bösen“ gesprochen) und das Verständnis von „Gerechtigkeit“, wie es die katholische
Kirche lehrt. Um sich an „Verantwortung“ und „Gerechtigkeit“ erinnern zu lassen, hätte es der Rede des Papstes im Bundestag wohl kaum bedurft.

Da der Papst offenbar keine vernünftigen Argumente für seine Vorstellung von Gut und Böse hat, hat er sich darauf beschränkt, die naturalistische Weltsicht als unzureichend darzustellen – als ob die moderne Weltsicht eine Ergänzung durch einen dogmatischen, mittelalter- bis bronzezeitlichen Aberglauben bedürfe. Die Ökobewegung dürfte er gerade deshalb als Beispiel erwähnt haben, weil sie teilweise starke emotionale und irrationale Elemente enthält. Durchgesetzt haben dürften sich Umweltschutzbelange allerdings, weil sie auch vernünftig sind. Umweltschutz ist auf dem Vormarsch, der Katholizismus – zumindest in Europa – auf dem Rückzug.

Man kann nur für die Katholiken hoffen, dass das noch nicht alles war. Eine Erinnerung an Verantwortung und Gerechtigkeit hätten sie von mir für deutlich weniger als 30 Millionen Euro haben können.


Basteln mit Benedikt (1): Pope Corn Tüte

10. August 2011

Skydaddy's Pope-Corn-Packung im klassischen Papstmützendesign zum Selberbasteln

Müde und hungrig vom Warten auf den Heiligen Vater? Ein kleiner Snack täte jetzt gut. Die Katholische Kirche legt bekanntlich Wert auf’s Detail, deshalb sollte man auch in kleinen Dingen der Würde des Anlasses gerecht werden. Deshalb präsentiert Euch Euer Skydaddy:

Die Pope-Corn-Tüte zum Papstbesuch im klassischen Papstmützendesign.

(Die Karikatur ist von Ralf König, ich hoffe, er hat nichts dagegen, dass ich die verwende.)

Den Bastelbogen gibt es hier als PDF und hier als PowerPoint 2010-Datei, falls jemand ein anderes Motiv einbauen will.

Anleitung:

  1. Das PDF auf A4-Papier (besser: festes Papier oder Karton) ausdrucken. (100%, keine Größenanpassung.)
  2. Umriss an den äußeren Linien entlang ausschneiden. (Am besten mit Lineal und einem scharfen Messer auf einer schnittfesten Unterlage.)
  3. Das ausgeschnittene Papier in der Mitte entlang der Linie falten.
  4. Die Tüte mit dem Bild nach außen an der Klebefalz (rechts) zusammenkleben.
  5. Pommes-Schachtel eines Restaurants Deiner Wahl hineinschieben, um die Tüte zu stabilisieren und mit einem Boden zu versehen.

In der Tüte befindet sich eine Pommes-Packung zur Stabilisierung und als Boden.

Fertig!

Skydaddy wünscht fröhliches Basteln und guten Appetit.

P.S.: Echte Papstfans installieren sich natürlich den Pope-Song-Klingelton auf ihrem Handy oder iPhone.


Der Klingelton zum Papstbesuch (Pope Song Ringtone)

1. August 2011

Tammox machte mich darauf aufmerksam, dass es drüben bei papst.co das sinnfreie Motto-Lied zum Papstbesuch („Wo Gott ist, da ist Zukunft“) als Klingelton gibt. Mich haut es ja nicht so von den Socken, aber in Anbetracht des Alters der Zielgruppe… mal sehen, wie viele Arme am Ende der zweiten Zeile („Wo Gott ist, da ist Heil“) nach oben gehen…

Also dachte ich mir: Einen Klingelton zum Papstbesuch, den will ich auch haben — und habe mal schnell den Pope Song von Tim Minchin klingelton-tauglich gemacht. Da Tim den Song kostenlos zum Download anbietet, nehme ich an, dass er nicht allzuviel dagegen hat, wenn ich hier die Klingelton-Fassungen anbiete:

Hinweis: Die MP3-Dateien sollten eigentlich mit den meisten modernen Mobiltelefonen und PDAs funktionieren. Für das iPhone braucht man ein spezielles Klingelton-Format (.m4r). Die .m4r-Dateien mit „Datei > Datei hinzufügen“ (File > Add File to Library) zu iTunes hinzufügen. Ggf. wird links eine neue Kategorie „Klingeltöne“ (Ringtones) angezeigt. In den Synchronisationseinstellungen für das iPhone muss dann noch sichergestellt werden, dass die Klingeltöne auch tatsächlich auf das iPhone synchronisiert werden. Nach dem Synchronisieren kann dann auf dem iPhone der Klingelton für Anrufe oder auch Wecker oder Terminerinnerungen ausgewählt werden.

Viel Spaß!

P.S.: Für echte Papstfans gibt es auch noch den Bastelbogen für eine Pope Corn Tüte.


Katholische Prioritäten

10. Mai 2011

 

Gestern wurde gemeldet, dass die katholische Kirche zusammen mit der Landesregierung von Thüringen, der Stadt Erfurt und der Tourismusgesellschaft eine Telefon-Hotline für Fragen zum Papstbesuch am 23. und 24. September 2011 eingerichtet hat. Ab sofort stehen unter der Nummer (0361) 374-2580 zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wochentags von 9 bis 19 Uhr und von 10 bis 16 Uhr an den Wochenenden für Fragen zur Verfügung. Am ersten Tag wurden bereits 145 Anrufe registriert.

http://www.heimkinder-hotline.deDie Hotline ist also 62 Stunden die Woche „geöffnet“, 7 Tage die Woche. Zum Vergleich: Die Heimkinder-Hotline der katholischen Kirche ist montags, mittwochs und freitags von 9 bis 18 Uhr erreichbar (27 Stunden pro Woche, nicht einmal halb so lange wie die „Papst-Hotline“), und die Missbrauchs-Hotline der katholischen Kirche dienstags, mittwochs und donnerstags von 13 bis 20:30 (22,5 Stunden pro Woche, nur gut ein Drittel so lange wie die „Papst-Hotline“). Bei der Missbrauchs-Hotline gab es am ersten Tag 4.459 Anrufversuche.

www.papst-in-deutschland.de – offizielle Website der Deutschen Bischofskonferenz zum Papstbesuch

www.DerPapstKommt.de – inoffizielle Seite zum Papstbesuch 😉


Papst schweigt monatelang über „Kondom-Erkenntnis“ – bis zum Erscheinen seines Buches!

21. November 2010

Das ging aber schnell! Bereits anderthalb Jahre nach seiner Bemerkung

„Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln. Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem“ (tagesschau.de)

scheint seiner Unfehlbarkeit, Papst Benedikt XVI., doch langsam zu schwanen, dass er sich mit solchen Aussagen zum Gespött der Welt macht. Vielleicht war das der Grund, dass sich der „Anwalt der Vernunft“ jetzt in dem Buch „Licht der Welt“ folgendermaßen äußerte:

Es mag berechtigte Einzelfälle geben, wenn etwa ein Prostituierter ein Kondom verwendet, und dies kann ein erster Schritt hin zu einer Moralisierung sein, ein erster Akt von Stück Verantwortung, um erneut das Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht alles erlaubt ist und man nicht alles tun kann, was man möchte.„Des sei aber nicht die „eigentliche Art, das Übel der HIV-Infektion zu besiegen. Notwendig ist eine Humanisierung der Sexualität“ [domradio]

Für den „intellektuellen Papst“, der Kondome erst als schädlich und jetzt „in berechtigten Einzelfällen“ (ob er mit seinem Beispiel eines männlichen Prostituierten auf praktizierende Katholiken abzielt, ist nicht ganz klar) die Verwendung von Kondomen als „ersten Schritt zu einer Moralisierung“ usw. bezeichnete, steht natürlich das Wohlergehen der Menschen im Allgemeinen und der Katholiken im Speziellen an erster Stelle. Sollte man meinen. Szenen wie die folgende – an die erst erst kürzlich die ehemalige Kommilitonin Joseph Ratzingers, Uta Ranke-Heinemann erinnerte – will man schließlich lieber heute als morgen beenden, oder nicht?

 [A]m 7. August 2004 sah ich im BBC-World-Fersehen eine junge Afrikanerin verzweifelt weinen. Sie hatte gerade erfahren, dass sie sich bei ihrem AIDS-kranken Mann infiziert hatte. Der Reporter fragt erschrocken, warum sie denn kein Kondom benutzt habe? „Ich habe solche Angst vor dem ewigen Höllenfeuer, vor dem unser Pfarrer uns gewarnt hat.“

Der BBC-Reporter fragte daraufhin den afrikanischen Pfarrer, ob es stimme, dass er die Ehefrauen HIV-infizierter Männer vor der Hölle gewarnt habe, wenn sie ein Kondom benutzen. Der Pfarrer sagte: „Ja, auch bei Ansteckung und Todesgefahr sind Kondome nicht erlaubt. Ehefrauen, die sich bei ihrem AIDS-kranken Ehemann angesteckt haben, das sind die Märtyrerinnen für den Glauben unseres Jahrtausends.“

Bei aller Banalität seiner Äußerung – sie scheint einem Zugeständnis zu ähneln, dass die Erde unter Umständen vielleicht doch nicht völlig flach sein könnte – konnte sich Benedikt denken, dass sie weltweit als „Überraschung“, „kleine Revolution“, „historische Wende“ oder gar „Dammbruch“ empfunden werden würde.

Was macht der Mann? Er wartet, bis ein Journalist daher kommt, um ihn in seiner Sommerresidenz zu interviewen. Während sich nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation täglich 7.400 Menschen mit dem HIV infizieren, wartet der Papst in aller Seelenruhe (!) monatelang ab, damit diese Sensation pünktlich zum Erscheinen seines Buches an die Öffentlichkeit gelangt.

Allein dafür gehörte der Papst abgesetzt und – Herr Wulff! – ausgeladen!

Benedikt kann ja gerne weiter mit der Geschwindigkeit einer Kontinentalplatte Vernunft und Humanität hinterherkriechen. Er sollte bloß nicht hoffen, dass jemand auf ihn wartet.


Spaemann: „Menschenwürde durch europäische Zivilisation bedroht“

28. Mai 2010

„Si tacuisses, philosophus mansisses“ („Wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben“) – es gibt meines Erachtens niemanden, auf den dieser Spruch so gut – und so oft! – zutrifft wie auf Robert Spaemann. Spaemann, der meint, Gott per Grammatik beweisen zu können, erklärte kürzlich:

„Durch keine Zivilisation ist die Menschenwürde so bedroht wie durch die europäische“ […]. Der Grund liege darin, dass die europäische eine wissenschaftliche Zivilisation sei, die den Menschen „strikt objektiviert, ihn analysiert und nicht als Subjekt wahrnimmt“. [kathweb]

Leider schweigt sich der Artikel darüber aus, ob Spaemann sich auch dazu geäußert hat, welche Länder bzw. Zivilisationen die Menschenwürde weniger schlimm bedrohen. Auch wäre es interessant zu erfahren, welchen Platz im Spaemann-Ranking Länder wie Saudi-Arabien, Iran, China oder Nordkorea einnehmen – offenbar alles Gesellschaften, die für die Menschenwürde weniger bedrohlich sind als Europa.

Man achte auch auf die Begründung: Grund für die Bedrohung ist Spaemann zufolge die Wissenschaftlichkeit und Objektivität, die die europäische Zivilisation auszeichnet. Im Gegensatz zu Spaemanns „Logik“ bedeutet das freilich keineswegs, dass der Mensch nicht trotzdem als Subjekt wahrgenommen werden kann. (Man kann z.B. jemanden lieben und gleichzeitig „wissenschaftlich-objektiv“ im Auge behalten, dass es keine gute Idee wäre, wenn dieser Mensch vor ein fahrendes Auto läuft.)

Spaemann lehnt sich m.E. auch sehr weit aus dem Fenster, da er als Hardcore-Katholik einem Weltbild anhängt, das den Menschen als von Natur aus „sündhaft“ ansieht und dessen Lebenszweck vor allem anderen darin besteht, Jesus als „HERRN“ (im Sinne der damaligen Verhältnisse Sklave/Untertan vs. Herr/Herrscher) anzunehmen, wobei dieser HERR (Gott) den Menschen jeglicher Willkür wie z.B. Krankheit, Schicksalsschlägen usw. aussetzen kann, ohne dass dies kritisiert oder infrage gestellt werden darf. Es ist nicht einzusehen, wieso eine demokratische Zivilisation wie die europäische die Menschenwürde stärker bedrohen sollte als solch eine vordemokratische Ideologie.

Dass Spaemann („europäische Zivilisation ist die größte Bedrohung für die Menschenwürde“) und Joseph Ratzinger/Papst Benedikt („Benutzung von Kondomen verschlimmert AIDS-Problem“) als katholische Vorzeige-Intellektuelle gelten – mehr braucht man über den Katholizismus eigentlich nicht zu wissen.


Päpstliches Geheimnis: Wenig Raum für Meldung an die Staatsanwaltschaft

20. April 2010

Letzten Dienstag brachte DER TAGESSPIEGEL einen Artikel („Die Verliese des Vatikan“) des italienischen Philosophen und Journalisten Paolo Flores d’Arcais, in dem dieser den Päpsten Benedikt XVI. und Johannes Paul II. vorwirft, die Aufklärung von Missbrauchsfällen verhindert zu haben. Dabei bezieht sich d’Arcais auf eine Vorschrift des Vatikans zum „päpstlichen Geheimnis“, das bei kathpedia auf Deutsch einsehbar ist.

Es zeigt sich, dass – entgegen den Behauptungen der Kirche – das „päpstliche Geheimnis“, gelinde gesagt, kaum Spielraum lässt, um Missbrauchsfälle den Strafverfolgungsbehörden zu melden.

Meine Betrachtungen hierzu hat heute der hpd veröffentlicht: „Kein höheres Gut“: Die Päpstliche Geheimhaltung.


Ketzerpodcast: Noch mehr Missbrauch

29. März 2010

Es handelt sich hierbei um die Aufnahme vom 21. März, also letzte Woche.

Unsere Themen:

  • Ackermann räumt Vertuschung ein
  • Bayerische Bischöfe fordern Meldepflicht
  • Gewerkschaft der Polizei kritisiert die Leitlinien der kath. Kirche zu sexuellem Missbrauch
  • Bischof Zollitsch unter Beschuss
  • fehlende Kontrolle, ob die Leitlinien eingehalten werden
  • Hirtenbrief: Klare Sprache?
  • Kirchenaustritte und schwindendes Vertrauen
  • Kindergärtnerinnen werden entlassen, Priester versetzt
  • Sammelklagen
  • SPIEGEL-Statistik

Die Folge kann hier direkt angehört werden:

Der Podcast kann hier abonniert werden.


Hirtenbrief: Deutliche Worte?

22. März 2010

„In seinem am 20. März veröffentlichten Hirtenbrief an die Katholiken in Irland hat Papst Benedikt XVI. sexuellen Missbrauch eindeutig als Verbrechen verurteilt und dazu aufgefordert, Vergehen und Fehler offen einzugestehen.“

Das betonte der Sonderbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für sexuellen Missbrauch Minderjähriger, der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann.

Der Papst wiederholt, was selbstverständlich oder nicht mehr abzustreiten ist

Der (obige) erste Satz von Ackermanns Pressemitteilung sagt eigentlich alles. Der Hirtenbrief der Papstes trieft nur so von Selbstverständlichkeiten. Ich kann mich einem irischen Opfer nur anschließen, das enttäuscht sagte, um zu wissen, dass sexueller Missbrauch ein Verbrechen ist, brauchte es keinen Hirtenbrief. Ansonsten gibt die katholische Kirche, wie immer, nur das zu, was sowieso nicht mehr zu leugnen ist. Und zwar mit Verspätung.

Kordula Doerfler schreibt in der Frankfurter Rundschau:

Nicht weniger hart geht der Papst mit den Bischöfen ins Gericht, die die Fälle teilweise jahrzehnteland vertuscht haben. „Es kann nicht geleugnet werden, dass einige von Euch und von Euren Vorgängern bei der Anwendung der seit langem bestehenden Vorschriften des Kirchenrechts zu sexuellem Missbrauch von Kindern versagt haben.“ Einzelne hätten „schwere Fehlurteile“ getroffen und damit ihre Glaubwürdigkeit untergraben.

Sehr richtig erkannt, Papst Benedikt: Das kann nicht (mehr) geleugnet werden. Das ist aber nicht „hart ins Gericht gehen“ – das ist bloßes Wiederholen dessen, was die irische Öffentlichkeit schon seit fast vier Monaten schriftlich hat, nämlich durch den Murphy-Bericht:

[Wikipedia:] Der 720-seitige Bericht wurde von der irischen Regierung in Auftrag gegeben, um die Art und Weise zu untersuchen, mit der die Kirche mit Anschuldigungen von sexuellem Missbrauch von Kindern durch Priester in den Jahren 1975 bis 2004 umging.

Das Ergebnis ist, dass die Erzdiözese Dublin im Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch von Kindern, zumindest bis Mitte der 1990er Jahre, die Geheimhaltung, die Vermeidung von Skandalen, den Schutz des guten Rufes der Kirche, und den Schutz ihres Vermögens vor den Schutz der Kinder, sowie vor die Aufklärung der Verbrechen gestellt habe. Alle anderen Aspekte, einschließlich des Wohles der Kinder und der Gerechtigkeit für die Opfer, seien diesen Prioritäten untergeordnet worden. Das Erzbistum verfuhr nach seinen eigenen Regeln und habe alles getan, um eine Aufklärung durch die Justiz zu vermeiden. Der Bericht stellt fest, dass es „keinen Zweifel daran gibt, dass sexueller Missbrauch von Kindern in den Jahren 1975 bis 2004 vertuscht wurde“, und stellt dar, wie die Beschwerden der Eltern und ihrer Kinder ignoriert wurden, wodurch andere Familien in Gefahr gebracht wurden, und dass der Prälat John Charles McQuaid die Skandale unterdrückte. Die Kirche flüchtete sich in kirchliches Recht, um die Täter auf Kosten der unschuldigen Kinder zu schützen. Die überwiegende Mehrheit der nicht betroffenen Priester habe die Augen vor den Taten verschlossen. [Hervorhebung von mir.]

Wenn der Papst nun feststellt, „Es kann nicht geleugnet werden, dass einige von Euch und von Euren Vorgängern bei der Anwendung der seit langem bestehenden Vorschriften des Kirchenrechts zu sexuellem Missbrauch von Kindern versagt haben“, dann ist „versagen“ geradezu beschönigend für den Umstand, dass das Erzbistum „alles getan [hat], um eine Aufklärung durch die Justiz zu vermeiden.“

Überprüfung der Kinderschutzvorschriften ausdrücklich nur in Irland

Obwohl sich der Papstbrief nur auf die Situation in Irland bezieht, werden die deutschen Bischöfe nicht müde zu betonen, der Brief habe „Geltung für die ganze Kirche und ist eindeutig eine Botschaft auch an uns in Deutschland“, so z.B. der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch.

Es erscheint daher umso befremdlicher, dass ausgerechnet der Absatz, in dem der Papst eine kontinuierliche Überprüfung und Aktualisierung der kirchlichen Normen zum Schutz von Kindern fordert, ausdrücklich nur auf die irische Kirche bezogen ist:

Es ist zwingend erforderlich, dass die Normen der Kirche in Irland zum Schutz von Kindern kontinuierlich überprüft und aktualisiert werden und dass sie vollständig und unabhängig in Übereinstimmung mit dem Kirchenrecht angewandt werden. [Hervorhebung von mir.]

Und das, obwohl selbst die Deutsche Bischofskonferenz bereits eine Überprüfung ihrer Leitlinien angekündigt hat – und die sollen ja den deutschen Bischöfen zufolge international schon vorbildlich sein.

„Hart“ und „schonungslos“ ist der Papst, wenn es um Homosexualität geht

Es ist mir unbegreiflich, wie nicht nur die Jubelpriester und -bischöfe, sondern auch weite Teile der Medien in dem Papstbrief „deutliche Worte“ zu finden meinen, „schonungslose Analyse“ (Erzbischof Zollitsch), Reinhold Michels schreibt in der Rheinischen Post gar von „Benedikts Strafpredigt“, zu der der Papst „mit einer bisher nicht gekannten Härte und Klarheit seine Stimme“ erhob, und in der er „sündhafte, kriminelle, bestürzende“ Taten „geißelt“.

Wer wissen will, wie es klingt, wenn der derzeitige Papst Härte und Schonungslosigkeit an den Tag legt, der braucht nur zu lesen, was Josef Ratzinger (damals noch nicht Papst) 2003 zu Homosexualität und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu sagen hatte. Der SPIEGEL schrieb damals:

Mit Zustimmung des Papstes wütet Ratzinger in einer 15seitigen Philippika gegen Homosexualität im Allgemeinen („Anomalie“, „gegen das natürliche Sittengesetz“) und die Schwulen-Ehe im Besonderen. Homo-Lebensgemeinschaften, so der nach dem Papst mächtigste Kirchenfürst, seien „böse“ und „schwere Verirrungen“. […]

Doch zum Politikum wird Ratzingers Schrift nicht durch den kaum verhüllten Schwulenhass, sondern wegen der gar nicht verhüllten Order an Politiker: Jeder kirchentreue „Parlamentarier hat die sittliche Pflicht“, gegen Gesetze anzukämpfen, die homosexuelle Paare mit heterosexuellen gleichstellen. Ein Katholik, der solchen Gesetzen zustimme, helfe bei der „Legalisierung des Bösen“. [Hervorhebungen von mir.]

Die Original-Formulierung, die sich ausdrücklich an Politiker richtet, lautet:

Jene, die diese Toleranz gebrauchen, um bestimmte Rechte für zusammenlebende homosexuelle Personen einzufordern, müssen daran erinnert werden, dass die Toleranz des Bösen etwas ganz anderes ist als die Billigung oder Legalisierung des Bösen.

Der SPIEGEL bringt in dem Artikel auch einige „harte“ und „deutliche“ Zitate aus Ratzingers Erklärung, z.B. dieses, welches im derzeitigen Zusammenhang besonders bezeichnend ist:

„Das Einfügen von Kindern in homosexuelle Lebensgemeinschaften durch die Adoption bedeutet faktisch, diesen Kindern Gewalt anzutun.“

„Klare Weisungen“ gibt es für katholische Politiker

Ratzingers Erklärung zur Homosexualität enthält auch weitaus präzisere Instruktionen als sein Hirtenbrief, es gibt sogar einen eigenen Abschnitt mit dem Titel „IV. Verhaltensweisen der katholischen Politiker in Bezug auf Gesetzgebungen zu Gunsten homosexueller Lebensgemeinschaften“. Darin heißt es z.B.:

Wird der gesetzgebenden Versammlung zum ersten Mal ein Gesetzesentwurf zu Gunsten der rechtlichen Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften vorgelegt, hat der katholische Parlamentarier die sittliche Pflicht, klar und öffentlich seinen Widerspruch zu äußern und gegen den Gesetzesentwurf zu votieren. Die eigene Stimme einem für das Gemeinwohl der Gesellschaft so schädlichen Gesetzestext zu geben, ist eine schwerwiegend unsittliche Handlung.

Wenn ein Gesetz zu Gunsten homosexueller Lebensgemeinschaften schon in Kraft ist, muss der katholische Parlamentarier auf die ihm mögliche Art und Weise dagegen Einspruch erheben und seinen Widerstand öffentlich kundtun: Es handelt sich hier um die Pflicht, für die Wahrheit Zeugnis zu geben.

Es folgen detaillierte Hinweise, wie sich die katholischen Politiker bei unterschiedlich restriktiven Gesetzentwürfen zu verhalten haben.

Vor etwas über einem Jahr, nämlich Weihnachten 2008, legte Ratzinger als Papst noch mal nach:

Bei seinem Jahresrückblick 2008 vor der Kurie hat Benedikt XVI. gleichgeschlechtliche Beziehungen mit der Zerstörung der Umwelt verglichen, forderte eine „Ökologie des Menschen“ und bezeichnete Homosexualität als „Zerstörung von Gottes Werk“. [Nach WELT ONLINE.]

Man sieht: Der Papst kann durchaus deutliche Worte finden, wenn er denn will. In Bezug auf dem Missbrauchsskandal wollte er aber offenbar nicht.


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