Staatskirchenrecht

Das rechtliche Verhältnis von Staat und Kirche wird mit dem Begriff „Staatskirchenrecht“ bezeichnen, obwohl wir in Deutschland ja offiziell keine Staatskirche haben.

Offiziell haben wir eine Trennung von Staat und Kirche – wer sich aber mit dem Staatskirchenrecht in Deutschland beschäftigt, wird schnell auf den Begriff „hinkende Trennung“ stoßen. Typisch ist auch, dass die Kirchen die bestehenden Regelungen als „bewährt“ bezeichnen – das heißt nichts anderes, als dass die Kirchen wissen, dass sie an den bestehenden Regelungen besser nicht rütteln, weil es extrem unwahrscheinlich ist, dass sie bei einer Neuregelung besser wegkommen – oder auch nur die gleichen Priviegien erhalten würden. Diese Regelungen stammen ja oft aus Zeiten, wo die Bevölkerung noch zu 95 Prozent einer der beiden christlichen Großkirchen angehörte.

Zwei Beispiele, wie die „hinkende Trennung“ funktioniert:

Staatsleistungen (Zahlungen des Staates an die Kirchen aus allgemeinen Steuermitteln)

  • Im Grundgesetz heißt es, die Staatsleistungen an die Kirchen sollen abgelöst werden.
  • In Landesverfassungen steht dann aber oft drin, dass die Staatsleistungen beibehalten werden.
  • In den Staat-Kirche-Verträgen der Länder wird dann festgelegt, dass die Leistungen mit der Zeit ansteigen, und dass diese Regelungen nur in gegenseitigem Einvernehmen geändert werden können.

Militärseelsorge

  • Im Grundgesetz heißt es, soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge beim Militär besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen.
  • Im Militärseelsorgevertrag wurde dann festgelegt, dass der Staat u.a. pro 1.500 Soldaten der jeweiligen Konfession – natürlich nur evangelische oder katholische – einen Militärgeistlichen (plus Pfarrhelfer) aus allgemeinen Steuergeldern bezahlt. Und das, obwohl die Soldaten Kirchensteuer zahlen wie andere Kirchenmitglieder auch. Das geht über die im Grundgesetz vorgesehene „Zulassung“ weit hinaus.
  • In der Praxis gibt es gegenwärtig (2009) etwa doppelt so viele Militärgeistliche, wie im Vertrag vorgesehen – etwa einen pro 750 Soldaten der jeweiligen Konfession.

Bis 2009 (!) hat sich der Staat sogar offiziell die christliche Auffassung zu eigen gemacht. Bis Januar 2009 hieß es in der Bundeswehr-Dienstvorschrift (ZDv 66/2) zum sog. Lebenskundlichen Unterricht für die Soldatinnen und Soldaten:

[Der Lebenskundliche Unterricht] soll dem einzelnen die Quellen zeigen, die dem Leben einen Sinn geben, und zu Ordnungen hinführen, durch die die Gemeinschaft lebenswert und damit verteidigenswert wird. […] Der lebenskundliche Unterricht fußt auf den Grundlagen christlichen Glaubens und wird von den Militärgeistlichen erteilt.

Diese Vorschrift ist zwar 2009 – zunächst für drei Jahre zur Erprobung – geändert worden, und der christliche Glaube wird jetzt nicht mehr ausdrücklich erwähnt. Dies aber wohl deshalb, damit sich nichtchristliche Soldatinnen und Soldaten (die mittlerweile gut 40% ausmachen) nicht mehr, wie bisher, vom Lebenskundlichen Unterricht abmelden können! Erteilt wird der Unterricht allerdings nach wie vor durch die Militärgeistlichen.

Kirchensteuer

Das Bundesverfassungsgericht hat immerhin einigen Auswüchsen Einhalt geboten. Wenn die Kirchen heute darauf hinweisen, „natürlich“ würden nur Mitglieder zur Kirchensteuer herangezogen, dann übersehen sie dabei geflissentlich, dass die Besteuerung von Unternehmen und Nichtmitgliedern erst durch das Bundesverfassungsgericht beendet wurde. Das „besondere Kirchgeld bei glaubensverschiedener Ehe“ – ebenfalls eine Form der Kirchensteuer – verstößt immer noch gegen die Verfassung, da dabei auf ein Merkmal (Kirchenmitgliedschaft) von Nichtmitgliedern (nämlich den Ehepartnern von Kirchenmitgliedern) abgestellt wird: Die evangelische Kirche erhebt z.B. Kirchgeld von ihren Mitgliedern, wenn der Partner Atheist ist, aber nicht, wenn er Mitglied der katholischen Kirche ist.

Links

  • bundesverfassungsgericht.de – Entscheidungen und Pressemitteilungen des Bundesverfassungsgerichts. Reicht aber leider nur zurück bis 1998.
  • fallrecht.de – enthält auch ältere Urteile sowie Urteile anderer Gerichte wie z.B. Bundesverwaltungsgericht
  • staatskirchenrecht.de – Datenbank der EKD mit Gesetzen, Urteilen, Artikeln, Nachrichten zum Thema. Nachteil hier: Es wird oft nur auf die Quelle verwiesen, d.h man muss sich die Quelle (den eigentlichen Text) anderweitig besorgen.

3 Responses to Staatskirchenrecht

  1. Schwabe sagt:

    Unser Spieß bei Wochenendübungen: Wer möchte zum Gottesdienst, wer möchte das Klo putzen? Fand ich, obwohl natürlich nicht ganz korrekt, wirklich sehr gut. Die gemeinsame Andacht hat allen gut gefallen, auch die nicht so Gläubigen waren sehr beeindruckt vom gemeinsamen Beten.

  2. […] Doppelt so viele Militärgeistliche wie vorgesehen […]

  3. Walter Röbber sagt:

    Kirche und Staat gehören getrennt, ich will mit meinen Staatssteuer nicht weiter die Kirchen finanzieren!

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