Es tat mir ja schon fast leid, dass ich Dr. Gerhard Schick und seine katholischen KollegInnen von den Grünen gestern als „merkbefreit“ bezeichnet habe (Michael Schmidt-Salomon würde in solchen Fällen wohl „Inselverarmung“ sprechen), nachdem mir ein Bekannter, der Schicks Politik in den letzten Jahren verfolgt hat, nur Gutes über ihn mitteilte.
In der Tat gab sich Dr. Schick heute beim WDR5 Tagesgespräch sehr eloquent und gut informiert. Inhaltlich war das, was er sagte, aber dünn bis erschreckend. Und wenn ein Politiker inhaltlich Unsinn redet, macht ihn ein überzeugendes Auftreten nicht „besser“, sondern allenfalls gefährlicher.
Hier die Audio-Datei der Sendung.
http://medien.wdr.de/m/1337069871/radio/tagesgespraech/wdr5_tagesgespraech_20120515_1000.mp3″Hier ein paar Beispiele, die mir aus der Sendung in Erinnerung geblieben sind:
Um den Verdacht des ersten Anrufers, dass man angesichts des Mitgliederschwundes nur „der Katholischen Kirche noch einen gewissen Geldfluss zusichern“ wolle, eierte Dr. Schick herum, indem er zunächst erklärte, der „Diskussionsbeitrag“ richte sich ja „vor allem an die innerkirchliche Diskussion, im Vorfeld des Katholikentages“ (ab 4:55). Dann schwafelte er gut eine Minute herum, ohne auch nur ansatzweise auf den Vorwurf oder andere Punkte des Anrufers einzugehen.
Nur, was soll man davon halten, wenn politische Mandatsträger schreiben: „Wir meinen, es ist auch aus der Perspektive unserer Kirche richtig, einen Reformweg zu beschreiten, der sich am italienischen Vorbild einer ‚Kulturabgabe‘ orientiert“? Meint Dr. Schick dies nur auf dem Katholiken-, aber nicht im Bundestag? Und sollen verfassungsbewusste Bürgerinnen und Bürger etwa davon ausgehen, dass er seine Meinungen politisch nicht durchzusetzen versucht?
Das gleiche gilt für die Formulierung im Papier „Wir halten es aber für richtig, dass die Kirchensteuer – egal in welcher Ausgestaltung – über staatliche Institutionen eingezogen werden kann“, und die sich hier offenbar auch auf die vorgeschlagene „Kulturabgabe“ beziehen soll. Hält Gerhard Schick das nur auf dem Katholikentag für richtig, im Bundestag aber nicht?
Dr. Gerhard Schick weiter: „Ich finde, es ist wichtig, dass wir in den Kirchen selbst überlegen, … ist die Kirchensteuer … noch die richtige Ausprägung? Und ich finde das Beispiel aus Italien durchaus spannend, weil es mehr Freiwilligkeit sicherstellt.“
In ihrem Papier „fragen“ die Unterzeichner aber nicht, „ob die Kirchensteuer noch die richtige Ausprägung ist“, sondern sie sagen ganz klar, dass man sich am italienischen Vorbild orientieren soll und dass es richtig sei, dass die Kirchensteuer über staatliche Institutionen eingezogen werden kann. Offenbar versucht sich Schick der Kritik des Anrufers zu entziehen, indem er seine Position völlig verwässert.
Als nächstes sprach der Anrufer (6:35, ich schwöre, ich war es nicht!) an, dass das italienische Modell von der Evangelischen Kirche bereits im Jahr 2007 für Deutschland als verfassungswidrig eingestuft worden ist.
Hier wandte Dr. Schick die Taktik „Ablenkung durch Sachkunde“ an: Er schwadronierte zunächst über diverse staatskirchenrechtliche Fragen, beginnend bei der Weimarer Republik, um schließlich, offenbar doch etwas verlegen, zu erklären (7:20): „Ich glaube aber, dass es im Kern nicht ´ne rechtliche Diskussion sein sollte, sondern wir überlegen sollten, was ist gut für die Gesellschaft, und auch die Kirchenmitglieder überlegen sollen, was ist gut für unsere Kirche. Und das nicht im Wesentlichen verfassungsrechtlich diskutieren sollen.“
Geht´s noch, Her Bundestagsabgeordneter? Ihr Vorschlag wurde immerhin von der Evangelischen Kirche klar als verfassungswidrig eingestuft, und Sie faseln, man solle das doch „nicht im Wesentlichen verfassungsrechtlich“ diskutieren? Auf dem Katholikentag können Sie es ja nicht-rechtlich diskutieren, soviel Sie wollen, aber wenn der Anrufer den Punkt der Verfassungsmäßigkeit anspricht, dann haben Sie als Bundestagsabgeordneter und Unterzeichner dieses Papiers gefälligst dazu Stellung zu nehmen und sich nicht so wachsweich rauszureden!
2010 freuten Sie sich, dass das Bundesverfassungsgericht „dem Bundesgesetzgeber heute noch einmal ins Stammbuch geschrieben“ habe, dass die Benachteiligung von Homosexuellen bei der Erbschaftssteuer „von Anfang an verfassungswidrig war“. Was hätten Sie da geantwortert, wenn Ihne jemand gesagt hätte, man solle das doch „nicht im Wesentlichen verfassungsrechtlich diskutieren“?
Es macht einen sehr, sehr schlechten Eindruck, wenn Sie sich auf das Grundgesetz berufen, wenn es Ihnen gerade zupass kommt, es aber bei anderer Gelegenheit salopp von Tisch wischen. Sie bestärken damit genau diejenigen in Ihrer Einschätzung, die den Eindruck haben, dass die Katholische Kirche (bzw. Katholiken) aufgrund ihres Glaubens eben doch nicht so fest auf der Grundlage der Verfassung stehen, wie man es sich – gerade auch von politischen Mandatsträgern – wünschen würde.
Aber keine Antwort ist auch eine Antwort, Dr. Schick: Sie haben dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit offensichtlich nichts entgegenzusetzen. Damit ist Ihr Vorschlag reine Zeitverschwendung und ein Armutszeugnis für Sie als Volksvertreter.
Viel Spaß beim Diskutieren!
Populus vult decipi.
Das ist das das eigentliche Problem, glaube ich. An den einzelnen Betrügern herumzumäkeln, ist zwar ehrenhaft (Ich mache es ja auch oft genug), aber wahrscheinlich nur wenig zielführend.
Inhaltlich richtig, aber ich bitte zu differenzieren zwischen „Grüne“ und „Subgruppe innerhalb der grünen mit wirren Ideen“.
Ich als Grüner kann dir versichern, dass es sehr viele Grüne gibt, die diesen Vorschlag unter aller Kanone finden. Und mein Gefühl sagt mir, dass dies NICHT einer Mehrheitsmeinung entspricht.
Da das Wort „Grüne“ auf den Blick erst mal suggeriert „die gesamte Partei“, würde ich es begrüßen, wenn in Zukunft eher „Subgruppe der Grünen“ oder „Gruppe Grüner-Katholiken“ (selbst die würden dem nicht geschlossen zustimmen) oder ähnlich zu differenzieren.
Der Vorschlag ist momentan verfassungswidrig. Jetzt haben aber Bundestagsabgeordnete das Privileg wie kaum eine andere Gruppe, losgelöst von Verfassungsvorgaben diskutieren zu können. Verfassungswidrige Initiativen scheiden ja nicht per se aus, sondern müssen nur höhere Hürden passieren.
Das mag für bestimmte Vorschläge gelten, aber nicht für Vorschläge, die gegen die Menschenrechte (hier: Religionsfreiheit, Gleichbehandlung) und die Trennung von Staat und Kirche verstoßen.
Und in meinem obigen Post geht es ja vor allem darum, dass Dr. Schick der konkreten Frage zu diesem Thema ausgewichen ist, so viel Anstand sollte er allerdings schon haben, besorgten Bürgern zu erläutern wie er sdamit umgehen will.
Man könnte auch noch entgegnen, dass der „Diskussionsbeitrag“ sich ja (auch nach Schicks Darstellung in der Sendung) gerade nicht an Bundestagsabgeordnete richtet, sondern an Katholiken, und von denen sollte man eben erwarten, dass sie NICHT (wiederum wie von Dr. Schick ausdrücklich gefordert) losgelöst von Verfassungsvorgaben (Menschenrechte, Trennung von Staat und Kirche) diskutieren.
Geht es hier um rechtliche Punkte, oder um moralische? IANAL, aber die EKD schreibt nur, dass das Modell im Konflikt zu Artikel 140 steht. Nur Artikel 1 und 20 sind aber von der Ewigkeitsklausel betroffen. Und die europäische Legislative ist vermutlich auch kein Ausschlusskriterium, da das Modell in Italien umgesetzt wird.
Ich bitte darum, das nicht falsch zu Verstehen. Vom Vorschlag halte ich überhaupt nichts. Ich glaube auch nicht wirklich daran, dass er oder ein ähnlicher umgesetzt werden würde. Allerdings meine ich, dass, solange die Möglichkeit der Änderung der Verfassung gegeben ist, durchaus über Gesetze diskutiert werden darf – auch von Nichtabgeordneten – die nur mit einer Änderung der Verfassung etabliert werden können.
Neben den vorhandenen höheren Hürden bin ich aber der Meinung, dass dazu auch solidere Argumente gebracht werden müssen. Insofern stimme ich dir dann wieder zu: Die Selbstverständlichkeit, mit der sich Schick über die Verfassungswidrigkeit hinwegsetzt, ist traurig.
Sehr guter Punkt, ich denke, ich verstehe das schon richtig. Ich gehe allerdings davon aus, dass sich die Verfassungswidrigkeit letztlich auf die Grundrechte beziehen lässt. Trotzdem danke für die fundierte Anmerkung.