
Ich bin gerade am Flughafen Düsseldorf und habe natürlich die Möglichkeit genutzt, mir den dortigen Gebetsraum anzusehen. Düsseldorf war für mich besonders interessant, weil dies anscheinend der (bisher) einzige multireligiöse – oder, wie es auf der Website des Flughafens heißt: konfessionsfreie (!) – Gedenkraum auf einem deutschen Flughafen ist. Bei der Forderung der evangelischen und katholischen Kirche in Berlin und Brandenburg nach einem ausdrücklich christlichen Andachtsraum für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg musste der neutrale Düsseldorfer Gedenkraum sogar als abschreckendes Beispiel herhalten:
[Der evangelische Konsistorialpräsident Ulrich Seelemann findet „neutrale Besinnungsräume nicht nur aus religiösen Gründen problematisch“:] Er verweist auf den „Raum der Stille“ am Düsseldorfer Flughafen. „Das ist wie ein gehobener Wartesaal, wo man Geschäftsleute trifft, die noch schnell ein Protokoll in den Laptop tippen.“
Diese Beschreibung hat mit der Realität wenig zu tun. Eigentlich gar nichts.
Der Raum ist als „Gedenkraum“ statt als „Gebetsraum“ ausgeschildert, nur auf der englischen Flughafenkarte wird er als „chapel“ (Kapelle) bezeichnet. Der Grund besteht offenbar darin, dass sich im Eingangsbereich eine Gedenkstätte für die Opfer des Brandunglücks von 1996 befindet.

Allerdings befindet sich unmittelbar angrenzend ein „richtiger“ Andachtsraum. Von einem „Wartesaal“, wie Konsistorialpräsident Seelemann sich ausdrückte, kann allerdings keine Rede sein. Dies ist ganz klar erkennbar ein Andachtsraum, und ich habe auch keine Geschäftsleute vorgefunden, die dort ihre Laptops ausgepackt hätten. Wobei ich mir allerdings vorstellen kann, dass dies bei Hochbetrieb gelegentlich vorkommt.

Stören dürfte dies allerdings kaum. Das ausliegende Gästebuch enthielt ca. 50 Einträge seit Weihnachten, d.h. etwa ein bis zwei Einträge pro Tag. Das deutet m.E. nicht auf eine übermäßige Frequentierung des Raumes hin, selbst wenn sich nur ein Teil der Besucher im Gästebuch verewigt.
Etwa die Hälfte der Einträge stammte übrigens augenscheinlich von muslimischen Besuchern. Einige wünschten sich eine Markierung der Gebetsrichtung nach Mekka und Gebetsteppiche. Der Raum ist allerdings strikt neutral gehalten, ich habe überhaupt keine religiösen Symbole entdeckt. (Johannes Singhammer (CSU) würde den Raum daher vermutlich als „atheistischen Gebetsraum“ bezeichnen.) Im Gegensatz zu dem multireligiösen Gebetsraum am Flughafen Amsterdam fand sich hier auch kein Hinweis, wo Muslime ihre rituelle Reinigung hätten vornehmen können. (In Amsterdam fand sich ein ausdrücklicher Hinweis am Eingang zu dem Gebetsraum, dass die Waschmöglichkeiten 20 Meter entfernt in den Toiletten seien.)
Die Information, wo die Toiletten sind (spezielle Räume für die rituellen Waschungen gibt es am Flughafen Düsseldorf nicht), und vor allem, in welche Richtung gebetet werden muss, holen sich die betwilligen Muslime offenbar von den freundlichen Mitarbeiterinnen eines Konferenzservices an einem Schalter gegenüber von dem Gebetsraum-Eingang. Die Damen wissen mittlerweile, wo die Gebetsrichtung ist (bzw. „wo die Sonne aufgeht“). Da könnte der Flughafen vielleicht tatsächlich noch mal nachlegen, denn es erscheint mir etwas widersprüchlich, wenn ein frommer Muslim sich erst an eine unverschleierte junge Frau, mit der er nicht verwandt ist, wenden muss, um die Gebetsrichtung in Erfahrung zu bringen. Die freundlichen Damen bestätigten mir auch, dass der Raum hauptsächlich von Muslimen für ihre fünf täglichen Gebete genutzt wird.
Das Gästebuch wurde von einigen Gläubigen offenbar auch dazu genutzt, für ihre jeweilige Weltanschauung zu werben. Auf der ersten Seite hatte gleich jemand seitenfüllend in großer Blockschrift eingetragen:
AN GOTTES SEGEN IST ALLES [dreimal unterstrichen!] GELEGEN!
Lesen und glauben Sie die Bibel, GOTTES HEILIGES WORT!
Schöne Weihnachten.
Lucas 2:14.
Hatte der Christ noch auf die Bibel verwiesen, hatte in einem anderen Eintrag offenbar ein Anhänger des Dalai Lama gleich eine Internetadresse angegeben: www.dalailama.com.
Eine Flughafenseelsorge scheint es übrigens in Düsseldorf nicht zu geben. Ich fand dies etwas überraschend, weil Düsseldorf dem Passagieraufkommen nach der drittgrößte Flughafen in Deutschland ist. Ich vermute mal, dass die Kirchen keine kostenlosen Büros für ihre Seelsorger bereitgestellt bekommen haben.
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