Kulturabgabe: Das Beste, was Konfessionslosenverbänden passieren könnte

Könnte sich bei einer Kultursteuer einen ordentlichen Haarschnitt leisten: Dr. Michael Schmidt-Salomon

Liebe Grüne,
liebe Katholikinnen und Katholiken,

da es Euer Finanzexperte Dr. Schick ja nicht macht, will ich Euch mal vor Augen führen, wozu sein Vorschlag einer „Kulturabgabe nach italienischem Vorbild“ führen würde.

Ich will damit ernsthaft zur geforderten Diskussion beitragen und ich hoffe, dass die „Kultursteuer“ damit ein für alle Mal begraben wird. Am Ende des Artikels werdet Ihr feststellen, dass ich tatsächlich aus verfassungsrechtlichen Gründen gegen eine Kultursteuer bin. Für die Konfessionslosenverbände wäre eine Kultursteuer nämlich finanziell das Beste, was ihnen passieren könnte.

1. Den Kirchen würden die Einnahmen wegbrechen

Ich hatte ja schon einmal darauf hingewiesen, dass das italienische Modell den Kirchen 90 Prozent der Kirchensteuer entziehen würde. Denn der Hebesatz für die Kultursteuer in Italien beträgt nur 0,8 Prozent der Einkommensteuer, knapp ein Zehntel des Kirchensteuerhebesatzes in Deutschland.

Ich vermute allerdings, Dr. Schick und seine Co-Autoren stellen sich eine Kultursteuer mit dem gleichen Hebesatz vor wie jetzt bei der Kirchensteuer. Aber während man der Bevölkerung vielleicht tatsächlich ca. 1 Prozent der Einkommensteuer für kulturelle Zwecke abverlangen könnte, wird man Konfessionslosen kaum noch einmal zusätzlich fast ein Zehntel ihrer Einkommensteuer „für kulturelle Zwecke“ aufbürden können.

Würde man zudem für die Kultursteuer gerade den jetzigen Kirchensteuerhebesatz festlegen, so würde allzu deutlich, dass die „Kultursteuer“ in Wahrheit gar nicht sachlich (also kulturell) begründet ist, sondern dass es lediglich darum geht, für Konfessionslose eine Kirchenaustritts-Verhinderungssteuer einzuführen, die den finanziellen Anreiz für den Kirchenaustritt eliminiert.

Wir brauchen das aber gar nicht weiter zu vertiefen, denn dies ist lediglich die offensichtlichste Konsequenz einer „Kultursteuer“.

Keine „Quersubventionierung“ zu Lasten Konfessionsloser mehr

Bei dem präsentierten Vorschlag soll offenbar die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer erhalten bleiben. Also auch, wenn sie in eine allgemeine „Kultursteuer“ umgewandelt wird. Vermutlich geht es den Autoren dabei auch darum, dass sich für die Kirchen und die Kirchenmitglieder nichts an der Finanzierung ändert. Dazu müsste die steuerliche Abzugsfähigkeit auf jeden Fall beibehalten werden, wie von den Autoren gefordert.

Es macht aber keinen Sinn, eine allgemeine Steuer – also eine, die sowieso jeder zahlen muss – wiederum steuerlich absetzbar zu machen. Das würde nämlich bedeuten, dass man jedes Jahr erst seine Kultursteuer zahlt und diese dann im nächsten Jahr steuermindernd geltend macht. Viel sinnvoller wäre es natürlich, stattdessen gleich entsprechend weniger Kultursteuer zu verlangen, dafür aber die aufwendige steuerliche Abzugsfähigkeit zu streichen.

Dass im gegenwärtigen Verfahren die Kirchensteuer von der Steuer absetzbar ist, liegt ja gerade daran, dass es sich de facto um einen Mitgliedsbeitrag handelt, der lediglich in Form einer Steuer eingezogen wird. Und den nicht jeder zahlt, sondern eben nur Kirchenmitglieder.

Wie auch aus dem Subventionsbericht der Bundesregierung hervorgeht, stellt die steuerliche Absetzbarkeit der Kirchensteuer eine Subventionierung aus allgemeinen Steuermitteln dar. Und zwar insgesamt in Höhe von rd. 30 Prozent des Kirchensteueraufkommens.

Daraus ergibt sich sich folgendes Problem für die Kirchen:

Da, wie oben ausgeführt, die steuerliche Absetzbarkeit für eine allgemeine Kultursteuer keinen Sinn macht, müsste man, wenn man die Belastung für die Kirchenmitglieder konstant halten will, den Kultursteuerhebesatz gegenüber dem jetzigen Kirchensteuerhebesatz um 30% senken. Denn effektiv zahlen die Kirchenmitglieder nach Berücksichtigung der steuerlichen Abzugsfähigkeit ja schon jetzt nur 70% des Kirchensteueraufkommens. (Insgesamt, individuell hängt das vom jeweiligen Grenzsteuersatz ab). Die Kirchen würden dann aber tatsächlich auch nur noch 70% des bisherigen Kirchensteueraufkommens erhalten.

Will man hingegen sicherstellen, dass die Einkünfte der Kirchen konstant bleiben, würde sich die tatsächliche Belastung der Kirchensteuerzahler im Durchschnitt um 43% erhöhen, weil sie jetzt nicht mehr die steuerliche Abzugasfähigkeit geltend machen könnten. Sie müssten also zukünftig 100% statt jetzt 70% des Kirchensteueraufkommens finanzieren, eine Steigerung um 43%. Das würde außer den Konfessionslosen wohl zusätzlich auch noch die Kirchenmitglieder verärgern.

Nun könnte man auf die Idee kommen zu sagen, die Kirchenmitglieder sollen weiter so viel zahlen wie sie effektiv jetzt schon tun (also 70% des Kirchensteueraufkommens), und der Staat soll ebenfalls wie bisher die restlichen 30% dazu tun. Nur: Wo kriegt der Staat sein Geld her? – Von den Steuerzahlern!

Solange die Kirchenmitglieder, wie derzeit, etwa zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen, lassen sich durch die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer quasi allgemeine Steuergelder der Konfessionslosen in die Kassen der Kirchen umleiten. Aber eben auch nur solange, wie nur Kirchenmitlieder zahlen.

In dem Moment , wo ausnahmslos alle die Kultursteuer zahlen, subventioniert sich quasi jeder selbst.

Während die steuerliche Abzugsfähigkeit (Subventionierung) der Kirchensteuer momentan von allen Steuerzahlern mitfinanziert wird – also auch den Konfessionslosen –, müssten die Kirchenmitglieder bei einer allgemeinen Kultursteuer die komplette Subvention rechnerisch selbst finanzieren, weil ja nun auch alle Konfessionslosen für ihre Kultursteuer die steuerliche Absetzbarkeit geltend machen könnten. Somit würden rechnerisch die Kirchenmitglieder die Subventionierung der Kirchensteuer finanzieren und die Konfessionslosen die Subventionierung ihrer Kultursteuer. Im Gegensatz zur jetzigen Praxis würden keine allgemeinen Steuergelder von Konfessionslosen mehr zu den Kirchen „umgeleitet“.

Der Anteil der Konfessionslosen an der Subventionierung der Kirchensteuer (über deren steuerliche Absetzbarkeit) dürfte gegenwärtig etwa 1 Milliarde Euro ausmachen. Diesen Betrag müssten die Kirchensteuerzahler nach der Einführung einer Kultursteuer selber tragen. Das dürfte für jeden Kirchensteuerzahler im Schnitt etwa 60 Euro Mehrbelastung pro Jahr ausmachen.

Falls Ihr das jetzt nicht verstanden habt, ist es auch egal (es ist nicht meine Schuld, dass das Steuerrecht so kompliziert ist), denn das Beste kommt noch:

Die Einnahmen für konfessionslose Organisationen würden explodieren

Dem Grundgesetz zufolge sind (areligiöse) Weltanschauungsgemeinschaften den Religionsgemeinschaften gleichzustellen. Demzufolge muss es bei einer Kultursteuer die Möglichkeit geben, seine Kulturabgabe auch nichtreligiösen Weltanschauungsvereinigungen zukommen zu lassen.

Egal, wie hoch dafür die Hürden angelegt werden: Zumindest müssten die konfessionslosen Organisationen berücksichtigt werden, die den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft haben und damit bereits jetzt „Kirchensteuern“ erheben könnten. Also z.B. bestimmte Landesverbände der Humanisten.

Ich habe keine Ahnung, wie viele Mitglieder die Vereinigungen der Konfessionslosen in Deutschland haben, aber ich glaube, es ist sehr großzügig geschätzt, wenn man von 10.000 „Organisierten“ ausgeht, die vielleicht durchschnittlich 200 Euro pro Jahr an ihre Organisationen zahlen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass man die Mitgliederzahlen der Organisationen nicht einfach addieren kann, weil jemand ja auch Mitglied mehrerer Organisationen gleichzeitig sein kann (wie ich z.B.).

Das würde gegenwärtig also rd. 2 Mio. Euro pro Jahr für die konfessionsfreien Organisationen bedeuten.

Diese Leute würden ihre Kultursteuer vermutlich einer konfessionslosen Organisation zukommen lassen.

Nehmen wir an, die Höhe der Kultursteuer entspräche dem, was die Kirchenmitglieder heute schon effektiv zahlen, also 70% der Kirchensteuer. Das dürften pro Kirchensteuerzahler durchschnittlich rd. 420 Euro pro Jahr sein. Dementsprechend würde auch die Kultursteuer durchschnittlich 420 Euro pro Person betragen.

Nehmen wir nun an, statt weiterhin Mitgliedsbeiträge zu zahlen, lassen diejenigen, die jetzt schon Mitglied von Konfessionslosenvereinigungen sind, ihre Kulturabgabe diesen Organisationen zukommen: Allein damit würden sich deren Einnahmen bereits mehr als verdoppeln. Falls der Staat noch die restlichen 30% zuschießen würde (um das bisherige Kirchensteuervolumen beizubehalten), ergäben sich sogar 600 Euro pro Person, d.h. die Einnahmen für die Konfessionslosenvereinigungen würden sich sogar verdreifachen.

Da nur etwa ein Drittel der Kirchenmitglieder auch tatsächlich Kirchensteuer zahlt, könnte man einwenden, dass analog dazu nicht jedes Mitglied einer Konfessionslosen-Organisation kultursteuerpflichtig sein würde. Alledings ist zu berücksichtigen, dass areligiöse Organisationen m.W. nur Erwachsene aufnehmen, d.h. unter den Mitgliedern dürften keine oder kaum Kinder sein — im Gegensatz zu zu den Kirchen.

Wir brauchen aber auch dies nicht zu vertiefen, denn der springende Punkt ist der:

Unter den zukünftig Kultursteuerpflichtigen dürfte es etwa 8 Millionen nicht organisierte Konfessionslose geben. Wenn die ihr Geld den Kirchen zukommen lassen wollten, wären sie wohl kaum aus der Kirche ausgetreten (bzw. sie wären eingetreten). Für die Kirchen dürfte diese Gruppe finanziell nicht sehr „ergiebig“ sein. (D.h. nur wenige werden ihre Kultursteuer den Kirchen widmen.)

Aber nehmen wir an, 1% dieser 8 Millionen Konfessionslosen widmet seine Kultursteuer einer Konfessionslosenorganisation. Das wären 80.000 Leute – das achtfache derer, die gemäß meiner obigen Schätzung jetzt schon Mitgliedsbeiträge zahlen.

Bei durchschnittlich 420 Euro Kultursteuer pro Person ergäbe sich für die Konfessionslosen-Organisationen ein Geldregen von über 30 Millionen Euro pro Jahr – im Gegensatz zu den optimistischen 2 Millionen, die ich oben geschätzt habe. Falls der Staat weiter subventioniert, ergäben sich sogar 48 Millionen!

Und für jedes weitere Prozent Konfessionsloser, das seine Kultursteuer den „eigenen“ Organisationen widmet, kämen weitere 30 bzw. 48 Millionen hinzu! Bei so viel Geld könnte sich dann sogar Michael Schmidt-Salomon mal einen ordentlichen Haarschnitt leisten ;-).

Man kann das übrigens auch für die „italienische Variante“ mit 0,8% Hebesatz durchrechnen. Bei diesem Modell würden die Kirchen, wie gesagt, gut 90% der Kirchensteuer verlieren, während die Konfessionslosen ihre Einnahmen immer noch mehr als verdoppeln würden.

Also, liebe Grüne Katholiken: Ich bin zwar dagegen, sehe der möglichen Einführung einer Kultursteuer aber äußerst gelassen entgegen. Ob das bei den Kirchen auch so ist, wage ich zu bezweifeln.

Von ihrer verfassungsrechtlichen Problematik abgesehen, wäre eine „Kultursteuer“ das Beste, was den Konfessionslosen-Organisationen passieren könnte.

Anmerkung: Um die obigen Ausführungen nicht noch komplizierter zu machen, gebe ich mehrfach nur die Ergebnisse meiner Berechnungen an (wenn ich glaube, dass ein Fachkundiger sie auch so nachvollziehen kann). Bei Bedarf erläutere ich die Berechnungen gerne noch.

Für die obige Abschätzung gehe ich von einem jährlichen Kirchensteueraufkommen von 10 Milliarden Euro aus und von 50 Millionen Kirchenmitgliedern, von denen ein Drittel Kirchensteuer zahlt. Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer kostet den Staat rd. 3 Milliarden Euro pro Jahr.

Ich will nicht ausschließen, dass ich vielleicht irgendwo etwas übersehen habe, aber ich habe die obigen Ausführungen nach bestem Wissen und Gewissen erstellt.

Ich hoffe zwar, dass die „Kultursteuer“ mit den obigen Ausführungen vom Tisch ist, nehme Feedback von fachkundiger Seite aber gerne entgegen.

5 Responses to Kulturabgabe: Das Beste, was Konfessionslosenverbänden passieren könnte

  1. Linus Heilig sagt:

    Dieser Artikel ist eine hervorragende logistische Leistung, der ich weiteste Verbreitung wünsche. Endlich mal kein abgedroschenes Talkshowthema.

  2. Lutz sagt:

    Danke! Gut zusammengetragen. Humi-Verbände nehmen übrigens *deutlich* weniger als 200 Euro/Jahr von ihren Mitgliedern 😉
    Eine Ethik-Steuer könnte man aber auch an die AWO oder das Rote Kreuz etc. zahlen. Das Thema war vor zwei Jahren schon mal ein Weihnachtsthema vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH):
    http://www.schattenblick.org/infopool/weltan/human-vd/whge-028.html

    • Skydaddy sagt:

      Ein schöner Artikel, den ich noch nicht kannte. Allerdings halte ich eine Kultursteuer für eine unzulässige Vermischung von Staatlichem und Kirchlichem, weil die einen die Kultur finanzieren müssen, während die anderen ihren Verein (Kirche) finanzieren können.

      Die Kirchensteuer gehört abgeschafft, Kultur aus allgemeinen Steuergeldern finanziert, und Spenden an gemeinnützige Organisationen sollten freiwillig sein.

      Über das „Weihnachtsmärchen“ von Ulrich „Comical Uli“ Blum hatte ich damals auch berichtet.

  3. Ich wusste gar nicht, dass die Kirchensteuer teilweise absetzbar ist.
    Das sollte abgeschafft werden, außerdem sollten die Kirchen Gewerbesteuer zahlen.

  4. Gottmagus sagt:

    Der Zwang jemanden sein Geld spenden zu müssen ist nichts anderes als eine Verletzung der Menschenrechte und des Grundgesetzes:

    – der freie Wille wird verletzt
    – das Recht, daß jeder sein Leben leben kann, wie er will in
    gewissen Rahmenbedingungen, wird gebrochen
    – die Freiheit von Religion und Weltanschauung wird verletzt, denn
    die Steuer erzwingt ein Bekenntnis zu einer Organisation, wobei
    jeder das Recht hat auch privat, allein und ohne Organisation zu
    glauben, was er möchte.
    – das Recht frei über sein Eigentum zu verfügen wird verletzt, der
    Zwang sein Geld abzugeben ohne aber eine Gegenleistung
    dafür zu bekommen ist nicht mit den Menschenrechten vereinbar

    Zudem gilt nicht, daß Religion gleich Kultur oder auch nur ein kleiner Teil davon ist, Kultur wird in verschiedenen Fachgebieten ganz verschieden definiert.

    Zur Kultur gehört sehr viel mehr als die Einflüsse, die aus Weltanschauungen oder Religionen kommen. Archäologen definieren Kultur über materielle Hinterlassenschaften, die typisch für eine bestimmte Kultur sind, wobei die materiellen Hinterlassenschaften durch ihre Funktion, die sie einst hatten, auch den Kulturbegriff der Archäologie erweitert. Römische Kultur besteht aus Thermen, Straßen, Foren, Mode, … , sie auf Tempel zu beschränken wäre undenkbar, auch wenn die Bildwelt der Römer stärker von der Mythologie geprägt, wenn auch in erster Linie durch Ansprüche an die Bildung des Betrachter und nicht allein durch religiöse Bezüge.

    Ich weigere mich Kultur auf Weltanschauungen und Religionen zu beschränken und Verletzungen der Menschen- und Grundrechte als Chance zu interpretieren.

    Ebenso weigere ich mich dabei zu ignorieren, daß die Kultursteuer
    nichts anderes ist als der Versuch jeden, der ausgetreten ist, als Betrüger und Lügner zu diffamieren. Ich bin aus Überzeugung ausgetreten und das hat niemand in Abrede zu stellen.

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