Auf der Pressekonferenz zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) fragte ein anwesender Journalist nach der Finanzierung der “Entschädigungszahlungen” an Missbrauchsopfer (die die Bischöfe nicht “Entschädigungen” nennen wollen), speziell nach der Kirchensteuer. (Video der Pressekonferenz, ab Minute 46:41) In seiner Antwort erklärte der neue DBK-Vorsitzende Georg Bätzing:
»Das ist für einzelne Diözesen ganz schwierig. Es gibt Diözesen, die haben keinerlei andere Quellen, gerade im Osten unseres Landes, als die Kirchensteuern.«
Das sind zwei Unwahrheiten in zwei Sätzen. Alle Bistümer erhalten außer der Kirchensteuer auch Staatsleistungen, darüber hinaus verfügen sie über Finanzerträge, z.B. aus Wertpapieren, Beteiligungen oder Zinsen. Diese Zahlen sind auch aus den Jahresabschlüssen der Bistümer bekannt. (Außer in Erfurt, wo die Staatsleistungen im Jahresabschluss nicht ausgewiesen werden.)
Schaut man sich diese Zahlen an, muss man sich fragen, für welches ostdeutsche Bistum die Zahlung der in Aussicht gestellten Beträge von 5.000 bis 50.000 Euro „schwierig“ werden soll: Den Rest des Beitrags lesen »
Die Behauptung, eine Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen erfordere eine Grundgesetzänderung, entspricht nicht den Tatsachen. Das Grundgesetz fordert gerade diese Ablösung .
Ich hatte neulich bereits darauf hingewiesen, dass die Kirchenkreise in Bonn und Umgebung eine „Argumentations- und Informationsbroschüre“ zum Thema „Kirchenfinanzen“ herausgegeben haben, die Aussagen enthält, die m.E. als schamlos und dreist bezeichnet werden müssen. Heute sah ich eine „Zeitung für Multiplikatoren aus Gesellschaft und Kultur, Politik und Wirtschaft„, die von den Superintendenten der der selben Kirchenkreise (Bonn, Bad Godesberg-Voreifel und An Sieg und Rhein) herausgegeben wird, und – nach kurzer Durchsicht – zumindest eine unwahre Behauptung enthält.
In der gestrigen Günther Jauch-Sendung „Heilige Millionen – wozu braucht die Kirche so viel Geld?“ behauptete der Kölner Dompropst und Aufsichtsratsvorsitzende der Pax-Bank, Norbert Feldhoff, über die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen (ab Minute 47:20):
„Die Kirche stellt sich immer schlecht. Denn eine unbefristete Zahlung kann niemals durch eine einmalige Zahlung abgedeckt werden.“
Diese Aussage ist objektiv falsch. Wenn Herr Feldhoff dies tatsächlich glaubt, ist er als Aufsichtsratsvorsitzender für eine Bank ungeeignet. Wenn er es besser weiß, hat er gelogen.
Denn wie ich neulich schon erläutert habe, bedarf es zur Ablösung einer ewigen Zahlungsreihe lediglich der Summe, deren Zinsen jedes Jahr den entsprechenden Betrag liefern – ggf. mit Inflationsausgleich.
Wenn wir z.B. mit langfristig erzielbaren Zinsen von 6% rechnen und einer langfristigen Inflationsrate von 3% kommen wir für jährliche Staatsleistungen von 500 Mio. Euro auf einen Ablösebetrag von 16,666 Milliarden.
6% Zinsen darauf sind 1 Milliarde Euro. Davon ersetzt die Hälfte die bisherigen Staatsleistungen von einer halben Milliarde, die andere Hälfte (3% der Ablösesumme) erhöht die Ablösesumme gerade um die Inflationsrate, so dass im nächsten Jahr die Zahlung mit Inflationsausgleich geleistet werden kann und so fort…
Die 16 Milliarden Ablösesumme sind auch keine Zusatzbelastung des Staates, sondern entsprechen exakt dem heutigen Gegenwert des zukünftigen (ewigen) Zahlungen – es ist für den Staat finanziell einerlei, ob er ewig weiter zahlt oder einmal die Ablösesumme.
Hier geht es aber nur um folgendes: Domprobst Feldhoff hat gestern Abend bei Günther Jauch die Unwahrheit gesagt. Unendliche Zahlungsreihen lassen sich (aufgrund des Zinseszinseffektes) durchaus durch Einmalzahlungen ablösen. Seine Behauptung „eine unbefristete Zahlung kann niemals durch eine einmalige Zahlung abgedeckt werden“ ist objektiv falsch, und jeder, der sich professionell mit Finanzen beschäftigt, weiß das.
Das Land Brandenburg arbeitet offenbar an einer Ablösung von Staatsleistungen an die Kirche, die einer Vervielfachung der jetzigen Zahlungen gleichkommt.
Was ich schon seit einiger Zeit befürchtet hatte, scheint sich jetzt zu bewahrheiten:
Nachdem der Ablösebefehl der Weimarer Verfassung und des Grundgesetzes seit über 90 Jahren von der Politik ignoriert wurde, arbeiten die Kirchen jetzt selbst an der Ablösung der Staatsleistungen – zu möglichst guten Bedingungen. Wobei „möglichst gut“ die Untertreibung des Jahrhunderts sein dürfte!
Es ist nämlich für die Kirchen besser, beizeiten eine profitable Ablösung der Staatsleistungen auszuhandeln, solange ihnen die Politik noch gewogen ist, als zu riskieren, dass die Staatsleistungen irgendwann ersatzlos eingestellt werden.
Wie es aussieht, soll sich die Kirche selbst bei der Ablösung der Staatsleistungen noch einmal eine goldene Nase „verdienen“. Im wahrsten Sinne des Wortes „laughing all the way to the bank“!
In einem Interview bezeichnete der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller innerkirchliche Reformgruppen als „parasitäte Existenzformen“. Eine dieser Reformgruppen, „Wir sind Kirche“, hat nun einen Brief an Bischof Müller veröffentlicht, der mir aus dem Herzen spricht und sehr zu Recht darauf hinweist, dass Müller mit seinem Vorwurf im Glashaus sitzt.
In Anbetracht der dortigen Ausführungen scheint allerdings „Mobiles Einlullkommando“ der treffendere Begriff für die bischöfliche „Task Force“ zu sein: Nicht nur in den Antworten, sondern bereits bei den Fragen legen die Autoren nämlich eine bemerkenswerte intellektuelle Mobilität an den Tag, wenn es darum geht, Kritik auszuweichen oder Zahlen zu nennen. Wie die Kollegen vom MEK bedient sich auch der apologetische Sturmtrupp aus der Kaiserstraße eines ganzen Arsenals an argumentativen Blendgranaten und rhethorischen Nebelkerzen. Der Leser wird für dumm verkauft, das ethische Niveau der bischöflichen „Task Force“ scheint auf dem einer Söldnertruppe zu liegen.
Kritik wird komplett ausgeblendet
Es fehlt nämlich nicht bloß der Hinweis auf das Violettbuch (das wäre zumindest verständlich) – es findet sich nicht die leiseste Erwähnung irgendwie gearteter Kritik am gegenwärtigen System der Kirchenfinanzierung. Sie lässt sich allenfalls erahnen anhand von Fragen wie „Subventioniert der Staat die Kirche?“ oder „Haben die Bistümer Privilegien im finanziellen Bereich?“
Leser, die mit der Thematik nicht vertraut sind, würden z. B. bei der Lektüre der bischöflichen Ausführungen niemals darauf kommen,
dass die Angabe der Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte verfassungsrechtlich äußerst problematisch ist – gelinde ausgedrückt.
dass unter bestimmten Umständen durchaus auch Nichtmitglieder und Ausgetretene Kirchensteuer bezahlen müssen.
dass den Kirchen für ihre ganz überwiegend aus öffentlichen Geldern finanzierten Einrichtungen ein eigenes Arbeitsrecht (sog. „Dritter Weg“) zugestanden wird, der z. B. keine Gewerkschaften zulässt.
Extrem einseitige, selektive Darstellung
Das völlige Ausblenden jeglicher Kritik bildet aber nur die Grundlage für das weitere Vorgehen: Nämlich eine völlig einseitige, höchst selektive Darstellung der Sachverhalte. Wer z. B. liest „Die Bistümer dürfen nur diejenigen zur Zahlung von Kirchensteuern heranziehen, die ihr angehören“, der wird kaum auf den Gedanken kommen, dass auch noch Kirchensteuer zu zahlen ist, nachdem man aus der Kirche ausgetreten ist (u. U. noch mehr als ein Jahr später), oder dass auch konfessionslose Ehepartner mit besteuert werden (beim besonderen Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe).
Ich kenne niemanden, der kritisiert, dass Kirchenmitglieder Beiträge an die Kirchen zu zahlen haben. Kritik richtet sich vielmehr dagegen, dass auch Nichtmitglieder und Ausgetretene besteuert werden. Diesen – verfassungsrechtlich äußerst problematischen – Einwänden wird das „Kirchenfinanzierungs-FAQ“ der deutschen Bischöfe in keiner Weise gerecht.
Die selektive Darstellung geht sogar so weit, dass dem Leser die verfassungsrechtlich äußerst fragwürdige Kirchensteuerpraxis als von der Verfassung gedeckt, ja geboten vorkommen muss. Zu der Frage „Welche rechtliche Grundlage hat die Kirchensteuer heute?“ wird ausgeführt:
Das Recht zur Erhebung der Kirchensteuer ist in der Verfassung niedergelegt.
„Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ (Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 137, Abs. 6 Weimarer Reichsverfassung).
Das ist zwar nicht gelogen, aber es wird verschwiegen, dass diese Vorschrift von 1919 sich nicht auf die jetzige Praxis bezieht, bei der die Kirchensteuer durch den Arbeitgeber berechnet und abgeführt wird, sondern darauf, dass die Kirchen selbst die Kirchensteuer von ihren Mitgliedern einziehen – wie aus der Formulierung „auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten“ immer noch erkennbar ist.
Der jetzigen Praxis steht nämlich Artikel 138 – ebenfalls aus der Weimarer Reichsverfassung von 1919 und Bestandteil des Grundgesetzes – entgegen, der besagt: „Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren.“ Nur die Behörden dürfen in bestimmten Fällen „nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft“ fragen. Der Zwang zur Angabe der Religionszugehörigkeit auf der Lohnsteuerkarte stellt diese Vorschrift auf den Kopf und stellt eine gravierende Beeinträchtigung des Rechtes auf Religionsfreiheit dar.
Waren etwa denjenigen, die die Abführung der Kirchensteuer durch den Arbeitgeber eingeführt haben, die Verfassung und die Menschenrechte gleichgültig? Man lehnt sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man diese Frage mit „ja“ beantwortet – die Abführung der Kirchensteuer durch die Arbeitgeber wurde 1934 von den Nazis ermöglicht. So etwas erfährt man natürlich nicht aus Veröffentlichungen der Deutschen Bischofskonferenz, dazu muss man schon das Violettbuch studieren.
In Anbetracht dieser schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Problematik erübrigen sich eigentlich weitere Fragen des FAQs wie „Ist die Kirchensteuer gerecht?“ oder „Was sind die Vorteile der Kirchensteuer?“
Nun ist dem Experten für Kirchenfinanzierung Carsten Frerk vor einiger Zeit aufgefallen, dass im Reichsdeputationshauptschluss, der regelmäßig als Grundlage für die immer noch andauernden Zahlungen an die Kirchen angeführt wird, gar nicht von dauerhaften Entschädigungen die Rede ist. Frerk schreibt in seinem Violettbuch Kirchenfinanzen [S. 69]:
Die historische Herleitung und damit auch die Begründung für diese Staatsdotationen ist eine Geschichte für sich. Auch ich selbst habe bis vor relativ kurzer Zeit das akzeptiert, was in vielen wissenschaftlichen und kirchlichen Darstellungen verbreitet wird. So heißt es staatskirchenrechtlich in einem Satz formuliert:
„Staatsleistungen bilden einen ‘Säkularisations-Ausgleich’ (Isensee), insbesondere im Hinblick auf die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Reformation und auf ‘die’ Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts.“ [Zitat aus: Alexander Hollerbach: „§ 139 Der verfassungsrechtliche Schutz kirchlicher Organisation“, in: Josef Isensee (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland. Heidelberg: Müller 1989, Bd.6, S. 557-593, hier S. 587.]
Diese Darstellung hat leider den Schönheitsfehler, dass sie nicht den historischen Tatsachen entspricht. Sie ist aber ein bemerkenswertes Beispiel für den Erfolg des kirchlichen Lobbyismus und die Phantasie der Staatskirchenrechtler.
Dass die Bischöfe enteignet worden sein sollen, ist bereits eine Legende. Die betreffenden Gebiete gehörten der katholischen Kirche gar nicht, sondern es handelte sich weitestgehend um Reichslehen. Insofern kann auch von keiner Entschädigung – wofür auch? – die Rede sein.
Von einer Säkularisation der katholischen Kirche zu sprechen, ist zudem mehrfach übertrieben und auch sachlich falsch. Alle katholischen Einrichtungen, die der Seelsorge und der Wohlfahrt dienten, verblieben im Kirchenbesitz und wurden zum Teil (wie das Vereinigte Stift in Trier) sogar finanziell noch besser ausgestattet.
Was genau in der Reformation angeblich entschädigungspflichtig säkularisiert worden sei, darüber wird geschwiegen. Zudem war der weltliche Landesherr als evangelischer Landesbischof auch Teil der Staatskirche. Kann man sich selbst enteignen, wenn einem etwas weiterhin gehört?
Auf das Thema geht Frerk im Folgenden noch wesentlich umfassender ein und auch in seinem Kapitel über die Ablösung der Staatsleistungen (ab S. 90, hier: „67. Ablösesummen und Reichsdeputationshauptschluss, S. 92-95). Hier sei noch der Abschnitt zu „Evangelischen“ Staatsdotationen erwähnt (Nr. 51, S. 74):
Da es keinerlei „geistliche“ Territorien gab, die von evangelischen Pastoren regiert worden waren, war die evangelische Kirche von „1803“ nicht betroffen. Sofern es jedoch dazu gekommen sein sollte, beträfe es zudem auch eine juristisch kniffelige Frage, ob ein evangelischer Landesherr (wie in Brandenburg), der auch gleichzeitig als Landesbischof das Kirchenoberhaupt war, seine eigene Landeskirche überhaupt hätte nachteilig behandeln können.
In Deutschland gilt eine eigentümliche Parität. Bekommt die eine Kirche etwas, hat die andere auch Anspruch darauf. Es ist Ausdruck der religiösen Durchmischung der im 19. Jahrhundert entstandenen Territorialstaaten – das evangelische Preußen bekam nach 1803 und 1815 katholische Territorien als Staatsgebiet. Die auf Ausgleich bedachten Könige und Fürsten sahen sich veranlasst, beide Konfessionen ‘paritätisch’ zu behandeln.
Die heutigen Staatsdotationen an die evangelischen Landeskirchen leiten sich jedoch aus dem Anspruch der Beamten der ehemaligen evangelischen Staatskirche ab (auch nach der Revolution 1918/19 und der Abschaffung der Staatskirche durch die Weimarer Verfassung). Infolge dieser nicht zurückgewiesenen oder zumindest auf eine Übergangsphase begrenzten Ansprüche müssen die „zweckgebundenen Zuschüsse zu den kirchlichen Personalkosten und für den allgemeinen Bedarf der kirchlichen Verwaltung (Pfarrbesoldung und Kirchenregimentliche Zwecke)“ weiterhin – wie vorher für Staatskirchenbeamte – vom Staat bezahlt werden, auch wenn es keine evangelische Staatskirche mehr gibt.
Nun waren es zufälligerweise gerade Vertreter der evangelischen Kirche, bei denen ich in den letzten Tagen Hinweise auf den Reichsdeputationshauptschluss gefunden habe. Über das „FAQ Kirchenfinanzierung“ der „Task Force“ der Deutschen Bischofskonferenz gelangte ich auf steuer-forum-kirche.de, eine mehrerer Webseiten von Dr. Jens Petersen, dem Referenten für Steuerfragen in der Finanzabteilung des Kirchenamtes der EKD und Autor der Bücher „Kirchensteuer in der Diskussion“ und „Kirchensteuer kompakt“. Auf seinen Seiten verweist Dr. Petersen „aus aktuellem Anlass“ auf den Text des Reichsdeputationshauptschlusses, den er dankenswerterweise online gestellt hat. (Ich nehme an, mit dem „aktuellen Anlass“ bezieht er sich auf die durch Carsten Frerks Violettbuch Kirchenfinanzen ausgelöste Diskussion.)
Auch der Präses der Evangelischen Kirche in Westfalen, Alfred Buß, behauptete kürzlich gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd), die direkten Staatsleistungen seien Entschädigungen für die Enteignung kirchlicher Güter, die im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 festgelegt seien.
Noch vor einem Jahr hätte ich gesagt, Präses Buß weiß es nicht besser, denn diese Darstellung war ja bis dahin praktisch die allgemein anerkannte (siehe obiges Hollerbach-Zitat bei Frerk). Carsten Frerk hat allerdings bereits im Januar dieses Jahres bei den vierten Berliner Gesprächen über das Verhältnis von Staat, Religion und Weltanschauung darauf hingewiesen, dass der Reichsdeputationshauptschluss kaum als Rechtsgrundlage für die heutigen Zahlungen herangezogen werden kann:
In wenigen Worten, knapp und präzise und ohne fachchinesisches Versteckspiel zeigte Dr. Frerk auf, dass all die Argumente, die die Befürworter der Staatsleistungen hervorbringen, schon allein deshalb irrelevant sind, da die Grundlagen, sowohl die historischen als auch die juristischen, fehlerhaft sind. Es kann keine Ausgleichszahlungen für die Enteignung von z.B. Grund und Boden geben, wenn der, der diese Ausgleichszahlungen in Anspruch nehmen will, nicht der Eigentümer eben dieses Grund und Bodens war. Damit erübrigen sich jegliche ausufernde Diskussion über das Für und Wider der Ausgleichszahlungen, da es keine Grundlage für einen Ausgleich gibt. [hpd-Veranstaltungsbericht, vgl. auch das Interview mit Carsten Frerk (Podcast)]
Auch in den folgenden Monaten hatte Frerk bei Vorträgen immer wieder öffentlich auf diesen Umstand hingewiesen, z.B. im April. Als die Öffentlichkeit im Zuge des Rücktritts von Bischof Mixa erfuhr, dass auch dessen Pension nicht aus Kirchensteuermitteln, sondern aus allgemeinen Steuergeldern bezahlt wird, beriefen sich Kirchenvertreter weiterhin auf den Reichsdeputationshauptschluss von 1803:
Georg Ratzinger, katholischer Priester und Bruder des Papstes, sagte SPIEGEL TV, dass es „natürlich“ angemessen sei, dass kirchliche Würdenträger vom Staat bezahlt werden.
Schließlich habe der Staat ja auch die Kirche „geplündert“ und ihr „viel gestohlen“. Außerdem würden die Bischöfe dem allgemeinen Wohl dienen. Dass die Zahlungen überhaupt in Frage gestellt werden, findet Ratzinger unverständlich.
Auch Gerhard Ludwig Müller, Bischof des Bistums Regensburg, kann an den hohen Zahlungen nichts Ungerechtes finden. Er und seine Kollegen bekämen ihr Gehalt aus dem Vermögen, das der Staat der Kirche vor 200 Jahren abgenommen habe. Das seien vertragliche Verpflichtungen, und die sollten auch weiterhin gelten. [Spiegel Online, 08.06.2010]
Derartigen, in dem erwähnten Spiegel TV-Beitrag getätigten Behauptungen hielt Carsten Frerk in einem Artikel des Humanistischen Pressedienstes (hpd) vom 9. Juni entgegen:
Der Spiegel hatte in seinem spiegel-tv Magazin am vergangenen Sonntagabend einen Bericht gezeigt, „Spardebatte: Staat zahlt 442 Millionen Euro für Kirchengehälter“ in dem danach gefragt wurde, wieso eigentlich in Deutschland aktuell 442 Mio. im Jahr aus Steuergeldern als Gehälter und Personalzuschüsse an die Kirchen bezahlt werden.
In dem Beitrag selber versicherte dann der Regensburger Bischof Müller mit großer Gelassenheit, dass es damit alles seine Ordnung habe, denn die katholische Kirche sei ja 1803 enteignet worden und diese Zahlungen seien deshalb Gelder aus dem kirchlichen Vermögen, dass damals an die weltlichen Herrscher gefallen war.
In das gleiche Horn stößt prompt nun auch der Kirchensteuerreferent im Kirchenamt der EKD, Oberkirchenrat Jens Petersen, auf der ‚Jugendseite’ der EKD, in seinem Beitrag „ Die historische Entwicklung der Kirchensteuer“ der unter dem Stichwort „Religion“ fragt: „Rund 442 Millionen Euro an Kirchengehältern zahlt der Staat pro Jahr, rechnet der ‚Spiegel‘ vor. Warum eigentlich? Eine kurze Geschichte der Kirchenfinanzierung.“
Die Einführung der Kirchensteuer wird, historisch völlig unzutreffend, mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 in Verbindung gebracht. Petersen fährt verbal schwere Geschütze auf, schreibt von „völker- und staatsrechtlicher Annexion“ sowie der „Enteignung von Territorien und Vermögen der (kath) Kirche, des gesamten bischöflichen und klösterlichen Grundbesitzes“. Gut katholisch gebrüllt. Aber leider auch so falsch.
Der Reichsdeputationshauptschluss war Teil einer Modernisierung des damaligen „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“, das von dem bis dahin bestehenden „Flickenteppich“ von mehreren hundert Herrschaften nur noch rund drei Dutzend große Territorien übrig ließ. Die Herrschaftsgebiete der Reichsritterschaft wurden auch aufgehoben – ebenso ohne eine Entschädigung, für die auch im Reichsdeputationshauptschluss nichts zu lesen steht. Das einzige, wozu die weltlichen Herrscher verpflichtet wurden, war der Erhalt der Domkirchen. […]
Von einer Säkularisierung der katholischen Kirche zu schreiben ist zudem Unsinn, da alle Kirchengemeinden und Einrichtungen, die der Seelsorge oder der Wohlfahrt dienten, damals erhalten blieben und teilweise sogar ausgebaut wurden.
Die aufgehobenen geistlichen Territorien waren zudem überwiegend frühere königliche und kaiserliche Lehen, die jeweils nach Belieben gegeben und zurückgenommen wurden – ohne Entschädigung. Die katholische Kirche und ihre Fürstbischöfe waren nur die Besitzer und nicht die Eigentümer. Was sollte also enteignet worden sein? Nichts.
Dass die aus ihrer weltlichen Herrschaft ‚depossedierten’ Bischöfe bis zu ihrem Lebensende staatliche Apanagen erhielten, einschließlich Sommerresidenz und Tafelgeschirr, war nur Ausdruck des kollegialen Standesbewusstseins, denn schließlich waren diese abgesetzten Bischöfe auch Adelige. Die konnte man schließlich nicht einfach mittellos auf die Straßen betteln schicken, wie die Nonnen und Mönche, die nicht in der Seelsorge oder Wohlfahrt tätig waren. Mit dem Tod der Bischöfe war auch mit diesen Apanagen Schluss.
Als der Spiegel eine Woche später über die „Geheime Parallelwelt“ der Kirchenfinanzen berichtete und schrieb:
Leistungen wie die jährlichen Holzlieferungen einiger süddeutscher Kommunen an ihren Bischof beruhen teils auf 200 Jahre alten Ansprüchen, die von der Politik nie wieder überprüft wurden.
Aber schon 1803 […] entschieden die Staatschefs des damaligen Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, dass den Wohlstand der Kirchen die weltliche Macht nicht mehr in der alten Form mehren könne. Auf dem „Reichsdeputationshauptschluss“ in Regensburg hoben sie zahllose Lehensverhältnisse an Grund und Boden auf, auf denen der Klerus bis dahin die einfachen Bauern zum Erwerb ihres Einkommens und der Mehrung des Wohlstands ihrer Verpächter, der Kirchen, arbeiten ließ. Noch heute sprechen Kirchenvertreter von „Enteignung“ obwohl diese Gebiete niemals kirchliches Eigentum waren, sondern auch bis 1803 nur zur Verfügung gestellt gewesen sind.
Die von Carsten Frerk in dem hpd-Artikel (s.o.) beanstandete Darstellung von EKD-Finanzreferent Dr. Petersen war offenbar mittlerweile wieder zurückgezogen worden, denn bei wissenrockt heißt es weiter:
Noch am 8. Juni 2010 versuchte der Kirchensteuerreferent der EKD, Jens Petersen, auf dem „Jugendportal“ evangelisch.de die kirchliche „Version“ zur Historie der Kirchenfinanzierung den jungen Geistern zu propagieren, in der er unter anderem die Erhebung der Kirchensteuern und die daneben existierenden Staatszuweisungen in einen Topf warf und ohne Sorgfalt kräftig umrührte. Die Zweifel an der Tragfähigkeit dieser verdrehten Darstellung wurden anschließend sogar den Herausgebern zu groß, denn kurz nach Carsten Frerks kritischer Veröffentlichung verschwand der Beitrag wieder aus der Öffentlichkeit. [Anmerkung: Der ursprüngliche Artikel ist offenbar wieder online.]
Mitte des Jahres wurde dann von von einigen Politikern die vom Grundgesetz verlangte Ablösung der Staatsleistungen gefordert – auch mit dem Hinweis auf den allgemeinen Sparzwang, von dem die Zahlungen an die Kirchen nicht ausgemommen werden dürften. Aus diesem Anlass berichtete der Spiegel unter der Überschrift „Jagd auf die Kirchenmäuse“ ausführlich über die Zahlungen des Staates an die Kirchen zusätzlich zur Kirchensteuer. Zur Begründung heißt es dort:
Verbindliche Zusagen hatten die finanziell geschickten Kirchenoberen bis dahin schon zahlreichen Landesherren abgenommen – als Ausgleich für ihre Landverluste durch Napoleon Bonaparte.
Er hatte 1803 Frankreichs Ostgrenze bis an den Rhein ausgedehnt. Den betroffenen deutschen Reichsständen bot er an, sich östlich des Rheins einen Ausgleich zu holen. Und zwar zu Lasten der Katholiken: Geistliche Fürstentümer fielen an weltliche Herren, die katholische Kirche verlor mehrere Erzbistümer und Bistümer, zahllose Klöster, Abteien und Stifte. […]
Allerdings verpflichteten sich die Landesherren, die Kirchengebäude „fest und bleibend“ auszustatten, die „Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit“ zu zahlen und zum „Aufwand für Gottesdienste, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten“ beizutragen.
Leider wird weder darauf hingewiesen, dass nicht nur geistliche, sondern auch andere – weltliche – Besitztümer (s.o., „Reichsritterschaft“) von dieser Umverteilung betroffen waren, noch darauf, dass sich die erwähnten „Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit“ nur auf die damaligen Geistlichen bezogen – aber nicht auf deren Nachfolger.
Schließlich berichtete das ZDF am 03.08.2010 in Frontal 21 über Frerks Erkenntnisse:
Im September kam Frerk mehrmals in der ZDF-Sendung „sonntags“ zu Wort:
Wenn also Präses Buß immer noch behauptet, die direkten Staatsleistungen an die Kirchen – auch an die evangelische! – seien Entschädigungen für die Enteignung kirchlicher Güter, die sonst auch heute noch erhebliche Rendite bringen würden, und seien im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 festgelegt, dann kann er sich jedenfalls nicht mehr darauf berufen, Frerks Einwände nicht zu kennen. Er kann sich m.E. – abgesehen von den in § 35 vorbehaltenen „festen und bleibenden Ausstattung der Domkirchen“, die nur einen Bruchteil der staatlichen Zahlungen ausmacht – eben auch nicht auf den Reichsdeputationshauptschluss berufen.
Deshalb habe ich Präses Buß eine E-Mail geschickt (und auch Dr. Petersen eine fast gleich lautende) mit der Frage, wo sich denn im Reichsdeputationshauptschluss bitteschön die Grundlage für die heutigen Zahlungen finden soll.
Anlässlich der eingangs erwähnten Diskussion im Atheist Media Blog hier der Text meiner E-Mail vom 18.11.2010 an Präses Buß, da ich dort auch im Einzelnen auf die Formulierungen im Reichsdeputationshauptschluss eingehe:
Sehr geehrter Präses Buß,
mein Name ist Matthias Krause, ich blogge als „Skydaddy“ zu Kirchenthemen.
Im Zuge der aktuellen Diskussion um die Kirchenfinanzierung sollen Sie dem epd gesagt haben:
Die direkten Staatsleistungen seien Entschädigungen für die Enteignung kirchlicher Güter, die sonst auch heute noch erhebliche Rendite bringen würden, sagte er dem epd in Bielefeld. Eine Ablösung der im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 festgelegten Entschädigungen sei natürlich möglich. Dies werde bislang aber weder vom Bund noch vom Land Nordrhein-Westfalen erwogen.
Ich nehme an, Sie beziehen sich auf Carsten Frerks „Violettbuch Kirchenfinanzen“. Dr. Frerk weist darauf hin, dass der Reichsdeputationshauptschluss – von Baulasten in § 35 abgesehen – keine immerwährende Entschädigung für die Säkularisierung geistlicher Reichsstände vorsieht, sondern lediglich den von der Säkularisation betroffenen Fürstbischöfen und Bischöfen sowie deren Hofstaat einen standesgemäßen Lebenswandel gewährleisten sollte. Bis zu deren Tod, länger nicht. So heißt es im Violettbuch auf S. 93:
Gleich im § 1, Absatz 1 [des Reichsdeputationshauptschlusses] wird festgelegt, was „Sr. Majestät dem Kaiser, Könige von Ungarn und Böhmen, Erzherzoge von Oesterreich“ zusteht: die Bistümer Trient und Brixen, „mit ihren sämmtlichen Gütern, Einkünften, eigenthümlichen Besitzungen, Rechten und Vorrechten, ohne irgend eine Ausnahme“. Als Ausgleich wird festgelegt: „[…] unter der Verbindlichkeit jedoch, sowohl für den lebenslänglichen Unterhalt der beiden jetzt lebenden Fürstbischöfe und der Mitglieder der beiden Domkapitel, nach einer mit solchen zu treffenden Uebereinkunft, als auch für die hierauf erfolgende Dotation der bei diesen beiden Diöcesen anzustellenden Geistlichkeit, nach dem in den übrigen Provinzen der Oesterreichischen Monarchie bestehenden Fuße zu sorgen.“
Kurz ausgedrückt: Die beiden ehemaligen Fürstbischöfe, die Mitglieder des Domkapitels und die bei den Diözesen beschäftigten Geistlichen erhalten bis an ihr Lebensende eine zu vereinbarende Dotation. Mehr nicht. Mit dem Tod des letzten Bediensteten sind diese Dotationsverpflichtungen erloschen. Nachfolger oder Erben werden nicht genannt und nicht finanziert.
Zu ihren Lebenszeiten sollte für die säkularisierten adeligen Bischöfe alles angenehm bleiben, einschließlich einer standesgemäßen Sommerresidenz und des Tischgeschirrs […]. Nach ihrem Tod war damit Schluss und auch die ihnen vom Staat überlassenen Möbel und die Tafelservice aus Staatsbesitz gingen an den Staat zurück. Da wurden keine Nachfolger erwähnt, die beispielsweise die Möbel als Dauerleihgabe hätten behalten dürfen. […]
Insofern gibt es aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses keinerlei Begründung für Entschädigungen oder gar Personalzuschüsse, wie etwa die fortdauernde Zahlung von Bischofsgehältern und Pensionen.
Ein Blick in den Text des Reichdeputationshauptschlusses scheint mir Dr. Frerks Auffassung zu bestätigen. An etlichen Stellen wird deutlich, dass es offenbar um „lebenslängliche“, aber nicht „immerwährende“ Entschädigungen geht:
Konkret werden die Entschädigungen „der aus dem Besitze tretenden Regenten und Besitzer, auch der davon abhangenden Geistlichkeit“ in den §§ 47-76 geregelt. Und dort heißt es z.B. in § 50:
Den sämmtlichen abtretenen geistlichen Regenten ist nach ihren verschiedenen Graden auf lebenslang eine ihrem Range und Stande angemessene freie Wohnung mit Meublement und Tafelservice, auch den Fürstbischöfen und Fürstäbten des ersten Ranges ein Sommeraufenthalt anzuweisen; wobei sich von selbst versteht, daß dasjenige, was ihnen an Meublen engenthümlich zugehört, ihnen gänzlich überlassen bleibe, das aber, was dem Staate zugehört, nach ihrem Tode diesem zurückfalle.
§ 52 bestimmt:
Die Weihbischöfe, in so ferne sie Präbenden haben, die Domkapitularen, Dignitarien, auch Canonici der Ritterstifter, auch adelige Stiftsdamen behalten den lebenslänglichen Genuß ihrer Kapitelwohnungen; ihnen oder ihren Erben sind die auf den Ankauf oder Optirung ihrer Häuser gemachten Auslagen, falls der Landesherr solche nach ihrem Tode an sich ziehen will, zu vergüten; auch außer dem an Orten, wo sie ein Privateigenthum ihrer Wohnung hergebracht haben, wird ihnen dieses vorbehalten.
Weiterhin wird im Reichsdeputationshauptschluss der Begriff „Sustentation“ verwendet. Damit ist offenbar eine Art Unterhaltszahlung gemeint, bis der Empfänger verstirbt oder eine neue bezahlte Position findet. Dies ergibt sich z.B. aus § 53:
Zu ihrer Sustentation aber sind den Domkapitularen, Dignitarien und Canonicis der Ritterstifter neun Zehntel ihrer ganzen bisherigen Einkünfte, und zwar jeden einzelnen, was er bisher genossen hat, zu belassen. Auf gleiche Weise sind die Vicarien bei ihren Wohnungen, und da sie meist gering stehen, bei ihrem ganzen bisherigen Einkommen, bis sie etwa auf andere geistliche Stellen versorgt werden, zu belassen, wogegen sie ihren Kirchendienst einstweilen fortzuversehen haben.
Oder auch aus § 59:
In Ansehung der sämmtlichen bisherigen geistlichen Regenten, auch Reichsstädte und unmittelbaren Körperschaften, Hof-, geistlichen und weltlichen Dienerschaft, Militair und Pensionisten, in so ferne der abgehende Regent solche nicht in seinem persönlichen Dienste behält, so wie der Kreisdiener, da, wo mit den Kreisen eine Veränderung vorgehen sollte, wird diesen allen der unabgekürzte, lebenslängliche Fortgenuß ihres bisherigen Rangs, ganzen Gehalts und rechtmäßiger Emolumente, oder, wo diese wegfallen, eine dafür zu regulirende Vergütung unter der Bedingniß gelassen, daß sie sich dafür nach Gutfinden des neuen Landesherrn, und nach Maaßgabe ihrer Talente und Kenntnisse auch an einem andern Orte und in andern Dienstverhältnissen gebrauchen und anstellen lassen müssen; jedoch ist solchen Dienern, welche in einer Provinz ansässig sind, und in eine andere gegen ihren Willen übersetzt werden sollen, freizustellen, ob sie nicht lieber in Pension gesetzt werden wollen. […] Sollte der neue Landesherr einen oder den andern Diener gar nicht in Diensten zu behalten gedenken, so verbleibt demselben seine genossene Besoldung lebenslänglich. […]
Auch in § 69 ist wiederum von „lebenslänglicher“ Überlassung die Rede:
Bei denjenigen Landen, wo die geistlichen Regenten ihre Residenzstädte auf der linken Rheinseite mit den dortigen Landen verloren, doch auch noch beträchtliche Besitzungen diesseits Rheins behalten haben, kommen vorzüglich Se. Kurfürstl. Durchlaucht zu Trier, als Kurfürst des Reichs, aus Dero Domkapitel und Dienerschaften in Betrachtung. […] – dann wird festgesetzt, daß die Stadt Augsburg dem Herrn Kurfürsten von Trier ihr bischöfliches Schloß, und die für die Dienerschaft nöthigen Gebäude in ihrem gegenwärtigen meublirten Zustande nebst den bisher gehabten Immunitäten, in ihrem ganzen Umfange lebenslänglich ungestört zu belassen habe.
In § 75 wird sogar ausdrücklich erwähnt, dass die Pensionen nach dem Ableben des Empfängers an die Landesherren zurückfallen:
[…] Im Falle nur einer der Fürstbischöfe, die ein Zehntheil und Zwanzigtheil eines ihrer Deputats an die Fürstbischöfe von Lüttich und Basel abgeben, früher als oben gedachte Fürstbischöfe versterben würde, so behält der Landesherr, dem eine solche Pension zurückfällt, die Verbindlichkeit, das Zehntheil und Zwanzigtheil an gedachte Herrn Fürstbischöfe von Basel und Lüttich fortzuentrichten. […]
§ 76:
In Ansehung derjenigen Geistlichen und Diener endlich, deren Körperschaften jenseits auf der linken Rheinseite aufgehoben worden, welche jedoch noch mehr oder weniger Güter dieser rechten Rheinseite haben, die künftig der Disposition der respectiven Landesherren überlassen sind, versteht sich von selbst, daß diese Landesherren […] diesen unglücklichen Individuen ihre Einkünfte, worauf ihnen ein gegründetes Recht zustehet, lebenslänglich zu belassen, und über solche nur nach deren Tode anderweit zu disponiren haben.
Es erscheint mir offensichtlich, dass hier die von der Säkularisation betroffene Geistlichkeit bis zu ihrem Ableben standesgemäß versorgt werden sollte, ganz so, wie es Dr. Frerk in seinem „Violettbuch“ darstellt.
Wenn Sie nun behaupten, die direkten Staatsleistungen seien Entschädigungen für die Enteignung kirchlicher Güter, die sonst auch heute noch erhebliche Rendite bringen würden, so müssten Sie m.E. doch wohl erst einmal zeigen, für welche „der im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 festgelegten Entschädigungen“ heute überhaupt noch eine Zahlungsverpflichtung besteht.
Vom Wortlaut des Reichsdeputationshauptschlusses abgesehen: Die Position der Kirchen scheint in den Reichsdeputationshauptschluss eine Regelung hineinzulesen, bei der die weltlichen deutschen Fürsten für ihre linksrheinischen Verluste zwar durch die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer entschädigt wurden, dafür aber wiederum den von der Säkularisation betroffenen Geistlichen eine „angemessene“ – Sie weisen ja darauf hin, dass die betreffenden Besitztümer „auch heute noch erhebliche Rendite bringen würden“ – Entschädigung zu zahlen. Eine Entschädigung, für die der Entschädigte selbst wiederum eine (angemessene) Entschädigung zahlen muss, wäre doch völlig absurd!
Können Sie mir erklären, welche der im Reichsdeputationshauptschluss festgelegten Entschädigungen – abgesehen von der in § 35 erwähnten „Ausstattung der Domkirchen“ – heute noch zu zahlen sind?
Lange erwartet, endlich da (oder zumindest fast): Der Nachfolger von Carsten Frerks „Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland„, das sich seit seit der ersten Auflage 2002 als Standardwerk in Sachen Kirchenfinanzen etabliert hat, aber natürlich mit den Jahren nicht gerade aktueller wurde. So sind die Beträge in „Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland“ noch in D-Mark angegeben, weil das damals verfügbare Datenmaterial natürlich noch nicht in Euro vorlag.
Pünktlich zu den in letzter Zeit gelegentlich gehörten Forderungen, auch die Staatsgelder an die Kirchen nicht vom allgemeinen Sparzwang auszunehmen, wird nun in Kürze der Nachfolger erhältlich sein: das „Violettbuch Kirchenfinanzen: Wie der Staat die Kirchen finanziert„. Der Alibri-Verlag hat mir freundlicherweise schon ein Exemplar zur Verfügung gestellt.
Das erste Aha-Erlebnis hatte ich bereits vor dem Inhaltsverzeichnis: Dort heißt es, Carsten Frerk gelte „als ausgewiesener unabhängiger Fachmann für die Finanzen der Kirche“. Unabhängig! Bisher hatte ich mir noch gar keine Gedanken darüber gemacht, dass zumindest die kirchlichen Experten praktisch alle von der Kirche bezahlt werden und daher kein Interesse daran haben können, dass sich bei der Kirchenfinanzierung etwas ändert. Und weil sie daran kein Interesse haben können, können sie eigentlich auch nicht daran interessiert sein, dass die Öffentlichkeit überhaupt erfährt, wofür und wieviel Geld die Kirchen vom Staat erhalten – nicht nur über die Kirchensteuer, sondern auch aus allgemeinen Steuergeldern und durch Steuerbefreiung.
Auf dieses Buch hatte ich mich schon gefreut, seit ich Anfang des Jahres las und hörte, dass Carsten Frerk den Reichdeputationshauptschluss von 1803 – der regelmäßig als Rechtsgrundlage für Zahlungen des Staates an die Kirchen angeführt wird – unter die Lupe genommen hat und dabei feststellte, dass dieses Dokument nur vereinzelt Entschädigungen begründet, die auch heute noch gezahlt werden müssten. (Mehr dazu in einem Interview mit Carsten Frerk beim hpd-Podcast und hier).
Das Vorgängerbuch, „Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland„, entstand aus dem Vorhaben, ein Gesamtbild der Kirchenfinanzen in Deutschland zu erstellen, das akademischen Ansprüchen genügen sollte. Dieser Anspruch schlug sich bisweilen z.B. in umfangreichen Tabellen nieder, so dass ich mich gelegentlich gefragt habe, ob das Buch für „Normalbürger“ nicht zu akademisch daher kommt. Ein kurzer Blick durch das neue Buch zeigt mir, dass es nur noch drei Tabellen gibt (Staatsdotationen der Bundesländer 2009, Religionsunterricht in den Bundesländern und Zusammenfassung der staatlichen Zuwendungen) – und die sind in den Anhang verlegt worden. Außerdem ist das neue Buch mit 269 Seiten gut ein Drittel kompakter und mit 16 Euro auch ein Drittel billiger als sein Vorgänger.
Somit ist zu hoffen, dass das „Violettbuch“ eine noch größere Leserschaft findet als sein Vorgänger.
Hinweis: Auf der Website des Alibri-Verlages gibt es das Inhaltsverzeichnis und ein Probekapitel („Bundes-Missions-Zentrale?“ über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ) als PDF.
Der Papst und der Missbrauchsskandal (5:36)
Der Fall eines pädophilen Priesters in Ratzingers Bistum und die Direktive von Ratzingers Glaubenskongregation von 2001.
Georg Ratzingers Ausraster (2:06)
Der langjährige Domkapellmeister der Regensburger Domspatzen war froh, als er ab 1980 keine Kinder mehr ohrfeigen durfte.
Inzest in der Bibel (2:42)
Lot und seine Töchter, Abraham und Sara: alles nicht ganz uninzestös!
Kirchlicher Doppel-Sprech (1:32)
Matthias erläutert, was die Kirche seiner Meinung nach mit „Aufklärung“ meint.
Runder Tisch und Verjährung (4:15)
Aufgabe des „rundes Tisches“ und das Pochen der Kirche auf strafrechtliche Verjährung.
Bischöfe bestehen auf Entschädigungen – für sich selbst! (4:25)
Während die deutschen Bischöfe Entschädigungen für die Missbrauchsopfer fast durchgängig abgelehnt haben, bestehen sie weiterhin auf Entschädigung für die Säkularisation vor 200 Jahren. Und das, obwohl das Grundgesetz deren Ablösung vorschreibt.
Innerkirchliche Opposition (6:40)
Reaktionen von „Wir sind Kirche“, „Kirche von unten“ „Priester ohne Amt. Wer heiratet, kann kein Priester mehr sein. Wer Kinder missbraucht, schon!
Advokat des Teufels (3:07)
Matthias springt einen Moment lang für die Kirche in die Bresche.
Politiker und Journalisten (4:17)
Es zeigt sich immer wieder, dass die katholische Kirche nur auf öffentlichen Druck reagiert. Leider übt sich die Bundeskanzlerin in Wischiwaschi-Statements und glaubt, Bischof Ackermann sei ein Sonderbeauftragter für die Aufklärung.
„Nur“ 300 Fälle von Pädophilie in 9 Jahren (5:44)
Es war zu lesen, von 3000 Missbrauchsfällen, die der Vatikan in den letzten 9 Jahren bearbeitet hat, hätten nur 300 Pädophile Priester betroffen. Das kommt aber daher, dass hier eine enge Definition von „Pädophilie“ benutzt wird, die sich nur auf den Missbrauch von vorpubertären Kindern bezieht. Die andern Fälle dürften sich ganz überwiegend auf Kinder in der Pubertät (Ephebophilie) bezogen haben.
Kirchenstrafen (2:45)
Matthias erläutert, zu welchen Strafen die 3000 Missbrauchsfälle geführt haben, die der Vatikan von 2001 bis 2009 bearbeitet hat.
Kirchenrecht vs. Strafrecht (2:26)
Matthias, Christian und Sigrid diskutieren das kirchliche Strafrecht und werfen die Frage auf, wie man eine Information kirchenrechtlich geheim hält, strafrechtlich aber offenbart.
Bischof Müller vs. Humanistische Union (4:21)
Bischof Müller hatte der Bundesjustizministerin vorgeworfen, sie engagiere sich in “einer Vereinigung nach Art der Freimaurer, die Pädophilie als eine normale Sache darstellt, die straffrei zu stellen ist”.
Kirchenaustritte und Vertrauensverlust durch Missbrauchsskandal (1:53)
Der Missbrauchsskandal hat bereits zu vermehrten Kirchenaustritten und einem Vertrauensverlust bei der Bevölkerung geführt. Leider scheint die Bundeskanzlerin zu den 10% zu gehören die glauben, die Kirche tue genug für die Aufklärung.
Gesundbeten und Homöopathie (0:23)
Peter konnte diese Woche leider nicht beim Podcast mitmachen. Wir sagen, warum.
Nicht nur die jüngsten Missbrauchsfälle verdienen größtmöglichste Aufklärung, meint der Regionalverband Freiburg des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten e.V., sondern darüber dürfe man die Aufklärung der Menschen über die „dauerhafte und skandalöse Privilegierung der christlichen Kirchen“ mit Geld aus den öffentlichen Kassen nicht vergessen.
Der Freiburger Regionalverband des IBKA wird deshalb der katholischen Bischofskonferenz am Dienstag, 23. Februar, gegen 12 Uhr vor dem Freiburger Münsterplatz ein „kritisches Willkommen entbieten“, so der Regionalsprecher Arno Ehret (Freiburg). Die Organisation nichtreligiöser Menschen wird dabei ein Informationsblatt verteilen, auf dem diese „Verschwendung von Steuergeldern“ in sechs Punkten exemplarisch dargestellt und auch mit Quellenangaben belegt wird.
Atheistenverband erinnert an das Jesuswort: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“. Gegen Staatsverträge mit den Kirchen.
Der Regionalverband Freiburg des IBKA hat das Land Baden-Württemberg aufgefordert, seine „wahrhaft überdimensionalen“ Zahlungen die Kirchen einzustellen und die entsprechenden Staatsverträge zu kündigen. Baden-Württemberg zahlt den evangelischen Landeskirchen Baden und Württemberg sowie den katholischen (Erz-)Diözesen Freiburg und Rottenburg- Stuttgart, derzeit (Stand: 2009) jährlich über 100 Millionen Euro allein für die Gehälter sowie der Versorgungsbezüge der Bischöfe, Priester, Pfarrer usw. Hinzu kommen zahlreiche weitere Geldleistungen des Landes an die Kirchen (vom Ersatz für den Religionsunterricht durch kirchliche Lehrkräfte bis zur Unterhaltung der theologischen Fakultäten an den Landesuniversitäten). Das Geld erhalten die Kirchen zusätzlich zu den Kirchensteuern, also von allen Steuerzahlern, auch jenen, die keiner Kirche angehören. Das ist in den großzügig dotierten Staatsverträgen mit den beiden Großkirchen aus dem Jahr 2007 so festgelegt.
Der IBKA setzt sich für die Weltanschauungsfreiheit und die konsequente Trennung von Staat und Religion ein. „Religion ist Privatsache und Staatsgeld für religiöse Organisationen darf es nicht geben“, erklärte der Regionalsprecher des IBKA, Arno Ehret (Freiburg). Ehret erinnerte die Kirchen und die Landesregierung an das Jesuswort: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Matthäus 22, 15-22). „Da steht nicht, dass Gott (= die Kirche) Geld vom Kaiser (= dem Staat) kriegen soll,“ sagte Ehret, „sondern jede Seite muss mit dem auskommen, was ihr zusteht, der Staat mit den Steuern und die Kirche mit dem, was die Gläubigen ihr spenden.“ Auch den staatlichen Kirchensteuereinzug sieht der IBKA als unzulässige Vermischung von Kirche und Staat an.
Konkreter Anlass für diesen Vorstoß ist die Absicht des Landes, jetzt auch mit den beiden Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württemberg einen Staatsvertrag schließen, der ähnlich üppig dotierte Staatsleistungen vorsieht. Die Landesregierung hat hierzu soeben einen Gesetzentwurf im Landtag eingebracht.