Christentum vs. Aufklärung

31. Mai 2011

Karikatur von Jaques Tilly, als Postkarte bei denkladen.de erhältlich.

Seit einigen Jahren ist immer wieder zu lesen, das Christentum (zumindest das europäische) sei – im Gegensatz zum Islam – durch die „Schule der Aufklärung“ gegangen. Die Vertreter dieser Auffassung reichen vom ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber bis zu Deutschlands „Chef-AtheistMichael Schmidt-Salomon. (Bei Kardinal Marx – damals noch Erzbischof – ist diese Entwicklung sogar schon so weit gediehen, dass er letztes Jahr das Christentum selbst als „vernunftgeleitete Aufklärung“ bezeichnete!)

Dass die Auffassung, das Christentum sei durch die Aufklärung quasi „geläutert“, zu optimistisch ist, wurde am vergangenen Wochenende wieder einmal deutlich, als auf Malta (EU-Mitglied, 98% Katholiken, Katholizismus ist Staatsreligion) eine Volksbefragung dazu durchgeführt wurde, ob künftig die Ehescheidung erlaubt sein solle – nach mindestens vierjähriger Trennung ohne Aussicht auf Versöhnung.

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Merkwürdige Prioritäten

9. April 2010

Wenn es nach dem Leiter des evangelikalen ideaSpektrums geht, so ist das Schlimmste, was uns in diesen Tagen am Zeitungsstand entgegenschlägt – das Titelbild des Satiremagazins Titanic.

Wenn Helmut Matthies dieser Tage an einen Zeitschriftenstand kommt, dann vermisst er einen Aufschrei ob der undenkbaren Schamlosigkeit, mit der Hunderttausende dort täglich konfrontiert werden.

Was Matthies aufregt (und veranlasste, einen ganzen Artikel darüber zu schreiben), sind allerdings nicht die Schamlosigkeiten katholischer Priester, die die Öffentlichkeit seit Wochen zur Kenntnis nehmen muss, z.B. der sexuelle Missbrauch von bis zu 200 gehörlosen Jungen in den USA oder von blinden Schülern vor versammelter Klasse in Holland, sondern das aktuelle Titelbild des Satiremagazins Titanic, bei der sich ein Geistlicher an einem Kruzifix zu schaffen macht. Während spekuliert wurde, ob er vielleicht nur das Kreuz gerade rückt, handelt es sich Matthies zufolge um „Sex mit dem sterbenden Jesus“: „So viel Blasphemie gab es noch nie!“

„Feige“ nennt Matthies das. (Das Titelbild, wohlgemerkt – nicht den Missbrauch der wehrlosen Kinder.) Denn: „Warum dann nicht auch Mohammed im Sex mit einem Imam vereint – um sozusagen religiös ausgewogen zu diffamieren?“ Nun, das liegt womöglich daran, dass Muslime derzeit nicht wöchentlich mit neuen Missbrauchsfällen in den Schlagzeilen sind. Matthies verschweigt auch, dass die Titanic-Redaktion bereits 2008 mit einem „Mohammed-Ähnlichkeitswettbewerb“ über Deutschlands Grenzen hinaus den Ärger von Muslimen provoziert hatte. Die Satiriker sind also durchaus um religiöse Ausgewogenheit bemüht.

Im Übrigen ist die Titanic-Redaktion auch nicht feiger als Matthies, der seine christlich-evangelikale Zeitschrift ideaSpektrum ja auch in Deutschland produziert und vertreibt und nicht etwa in Saudi-Arabien oder im Iran. (Was Matthies veröffentlicht, gilt nämlich in diesen Ländern als Gotteslästerung.) Und der in seiner Zeitschrift zwar letztes Jahr anlässlich der Ermordung zweier Bibelschülerinnen im Jemen darauf hinwies, dass „[d]er christliche Glaube jedenfalls [..] außerhalb des Mittelmeerraums nur deshalb bekannt [wurde], weil Christen bereit waren, den Missionsbefehl ihres Herrn zu befolgen – und zwar oft unter Lebensgefahr“, der selbst aber dem Befehl seines Herrn lieber vom sicheren Schreibtisch aus nachkommt.

Jedenfalls malt sich Matthies genüsslich aus, was (seiner Fantasie zufolge) wohl passiert wäre, wenn das Satireblatt seinem Vorschlag nachgekommen wäre: „Zahllose deutsche Botschaften in aller Welt hätten in Flammen gestanden, und halb Deutschland wäre über Ostern im bürgerkriegsähnlichen Zustand gewesen, denn auch die mittlerweile 4,3 Millionen Muslime in Deutschland hätten sich das nicht bieten lassen. Das zeigen die Erfahrungen mit den vergleichsweise harmlosen dänischen Anti-Mohammed-Karikaturen 2005.“

Nun waren die Proteste, auf die sich Matthies bezieht, allerdings nicht spontan, sondern sie wurden bewusst angestachelt: Nachdem ein Aufschrei zunächst ausgeblieben war, stellten zwei Imame ein Dossier mit den Karikaturen zusammen und ließen es Muslimen in aller Welt zukommen. Matthies geht ganz ähnlich vor: Direkt neben seiner Klage über den ausbleibenden Aufschrei angesichts der vermeintlichen Blasphemie zeigt er das schlimme Titanic-Titelbild in Farbe – und das Foto eines verkehrt herum gekreuzigten Jesus (mit nacktem Gesäß zum Betrachter), der auf das Konto von „mutmaßlich Linksradikalen“ gehen soll. Werden nun bald die deutschen Botschaften in Italien, Spanien und Polen wegen der Titanic-Karikatur in Flammen stehen?

Glücklicherweise leben wir zu einer Zeit und auf einem Kontinent, wo Bürgerinnen und Bürger weitgehend vor dem Zorn des Mobs und Lynchjustiz geschützt sind. (Das letzte Mal entlud sich der geballte „Volkszorn“ in besorgniserregender Weise anlässlich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, dass in italienischen Schulen kein Kruzifix-Zwang herrschen darf.) Dieser zivilisierte Umgang kommt übrigens nicht nur den Titanic-Redakteuren zugute, sondern auch den Geistlichen, die sich an wehrlosen Kindern vergangen haben, und die man zu anderen Zeiten gewiss ganz unbürokratisch kastriert oder zu Tode gequält hätte. Und die heute aufgrund von Verjährungsfristen zum großen Teil straflos ausgehen.


Recht nach Politik [via Alien in Europe]

16. Februar 2010

Der folgende Artikel von Alien in Europe spricht mir, ähem, aus der Seele. Alien hat mir freundlicherweise gestattet, ihn hier wiederzugeben.

Die Hervorhebungen stammen von mir und sollen lediglich die Orientierung im Text erleichtern.

Die fast schon zum Überdruss gewordene Forderung, die Muslime sollten sich anpassen, lässt mich fragen, woran diese Anpassung denn erfolgen solle – bzw., wie weit sie verlangt werden kann. Unstrittig sicher, und darum soll es in diesem Artikel in erster Linie gehen, an das geltende Recht. Das erkennen auch die allermeisten Muslime an, zumal es da i.d.R. keine größeren Reibungsflächen gibt. Jedenfalls nicht in der Theorie. Problematisch wird es, wenn der gemeine Muslim einen Antrag stellt oder sich von einer Behörde in seinem Recht beeinträchtigt sieht. Dann wird nicht nur geprüft, ob er recht hat, sondern auch gerne, ob das auch für ihn gilt. Polemisch? Ja, aber nicht ohne Grund.

Man nehme den Fall in Rendsburg, wo die Moscheegemeinde einen formalen Antrag auf Gestattung des Muezzin-Rufes gestellt hat. Nun wurde ein Schallschutzgutachten eingeholt, festgestellt, dass das Begehren rechtlich wohl zulässig sein dürfte, also wäre zu erwarten, dass in Zukunft der Muezzin in Rendsburg rufen darf. In den Kieler Nachrichten wird daraufhin angekündigt, dass Politiker bei der Landesregierung eine verschärfte verfassungschützerische Beobachtung der Gemeinde fordern will. Das lasse ich mal so stehen.

Wäre schlimm genug, aber leider kein Einzelfall. Man nehme den hessischen Metzger, der mehrfach vor Gericht ging, um klarzustellen, dass die Ausnahme zur Genehmigung betäubungslosen Schächtens nicht nur für Juden, sondern auch für Muslime gelten muss. Über seine Odyssee bei den Gerichten könnte man fast ein Buch schreiben, es ist wie bei Hase und Igel. Als das Bundesverfassungsgericht zu seinen Gunsten entschied, gab die CDU/CSU ihren langjährigen Widerstand gegen das GRÜNE Ansinnen auf Aufnahme des Tierschutzes als Verfassungsziel ins GG auf, in der – juristisch nicht korrekten – Annahme, damit sei die Ausnahmeregelung des Tierschutzgesetzes ausgehebelt. Ist aber nicht, da ein Verfassungsziel kein Grundrecht einschränkt. Nur, die Verwaltung lehnte mit dieser Begründung den nächsten Antrag ab. Allerdings erst, nachdem der Betrieb der Schlachters durch Brandstiftung einmal zerstört worden war. Das Verfahren zieht sich weiter – jedes Jahr aufs Neue. [Anmerkung von Skydaddy: Vgl. auch den jüngsten Vorschlag des Bundesrates zur Verschärfung der Ausnahmeregelung beim Schächten.]

Man nehme – bekannt, berüchtigt – Fereshteh Ludin. Vor ihr wurde jede Muslima, die nach ihrer Lehrerausbildung sich bewarb, ohne Frage auch mit Kopftuch eingestellt. Plötzlich fiel es einer Behörde ein, nein, wir wollen das nicht mehr. Das lange Klageverfahren ist bekannt. Sie gewann – aber noch vor ihrer Einstellung wurden mal grad die Gesetze geändert. Also alles umsonst.

Man nehme – Baurecht. Moscheebau. Es ist kein Einzelfall, dass plötzlich eine Gemeinde ein Grundstück kaufen will oder mal schnell den Bebauungsplan ändert, wenn das Gerücht geht, dass der potentielle Käufer dort eine Moschee errichten will.

Wozu die Beispiele? Nun, betrachtet man das von muslimischer Seite, entsteht der Eindruck der Willkür. Es gibt Gesetze, an die sich alle halten sollen – aber die können ganz schnell geändert werden, wenn sie auf unserer Seite stehen ….

Und das sind jetzt die in Gesetzesform gegossenen Dinge – auf anderen Gebieten könnte man lange weiter schreiben. Vielleicht noch eine Anekdote zum Thema gesetzmäßiges Verwaltungshandeln: Vor ca. vier Jahren wurden ja die biometrischen Pässe eingeführt. In diesem Zug wurde dann auch verfügt, dass Ausländer in Zukunft für ihre Aufenthaltserlaubnis entsprechend geeignete Photos abzugeben hätten. Es gab über diese Photos eine Musterliste mit akzeptablen und nichtakzeptablen Passbildern – ich denke, die meisten hier werden sich daran erinnern. In der untersten Reihe zeigten diese Beispiele eine Frau mit einem Kopftuch. Ganz unten rechts so gebunden, wie es für die Biometrie zulässig sein sollte. Zu meinem Erstaunen häuften sich plötzlich in einigen Städten die Fälle, wo für die Verlängerung oder Übertragung der Aufenthaltserlaubnis kompromisslos Photos ohne Kopftuch gefordert wurden. Zum Teil unter Verweis auf diese Beispielsliste. Die übermittelte eine Betroffene per Handy-Photo – die unterste Zeile war schlicht vor dem Aushang in der Behörde abgeschnitten worden.


Endlich mal keine Hotelbibeln…

20. Dezember 2009

… stattdessen gibt es einen Pfeil an der Decke, der die Gebetsrichtung (Qiblat) anzeigt:

Ich habe natürlich sofort nachgeprüft, ob der Pfeil auch tatsächlich nach Osten zeigt. Tut er nicht! Er zeigt nach West-Süd-West: Von Malaysia aus liegt Mekka nämlich im Westen.


An den Ich-hör-wohl-nicht-recht-Service des Deutschlandradios

16. Dezember 2009

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich fasse es nicht, dass das von mir üblicherweise geschätzte Deutschlandradio einen Beitrag wie den von Barbara Sichtermann bringt.

Anfangs hielt ich den Artikel für Satire:

Dann kam eines Tages ein kluger Mensch und stellte die Dinge richtig. Ausländerfeindlichkeit gebe es kaum. Was das alte Europa nicht haben wolle, sei vielmehr die Armut – die eben häufig mit Ausländern zusammen einwandere.“

Offenbar meint es die Autorin allerdings ernst. Die Verlogenheit ihrer Ausführungen ist allerdings deutlich zu erkennen: Ihr geht es in Wahrheit gar nicht um Rückständigkeit als solche, sondern um islamische Rückständigkeit – oder das, was sie dafür hält.

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Volksverhetzung beim Deutschlandradio?

16. Dezember 2009

Ich dachte erst, das ist ’ne Satire – aber die Autorin meint es offenbar ernst:

„Islamophobie“ in Deutschland? Nein, Abneigung gegen rückständige Gesellschaften von Barbara Sichtermann.

Ein paar Auszüge:

Und diese Abneigung gilt nicht dem Koran oder den muslimischen Glaubensinhalten – sie gilt der eklatanten Rückständigkeit, die mit Einwanderern oder Arbeitsemigranten aus Südostanatolien oder dem arabischen Raum so oft zusammen ins Land dringt.

Es wird in Europa als rückständig empfunden, wenn Frauen ins Haus gesperrt, junge Leute zwangsverheiratet, westliche Bildungsinhalte abgelehnt und Arbeitsvollzüge eines Gebetes wegen unterbrochen werden. All diese Fragen der Lebensführung sind sozialer Natur, mit Religion werden sie bloß ummantelt, ohne letztlich mit ihr zu tun zu haben. […]

Der südostanatolische Hirtensohn, der nach Deutschland kommt, um hier Geld zu verdienen, kann nichts für seine Rückständigkeit. Er wurde da hineingeboren. Er muss nun seine Lebensführung mit den hiesigen Verhältnissen und Gesetzen abstimmen, und es ist die Pflicht des Gastlandes, es wäre Pflicht der integrierten, aufgeschlossenen, nicht-mehr-rückständigen Glaubensbrüder und Landsleute, die es ja auch gibt, ihm dabei zu helfen.

So weit, so schlimm! Die Krönung auf diesem verbalen Haufen Scheiße ist allerdings, dass sich Frau Sichtermann nicht entblödet, folgendes 300 Jahre altes Beispiel für den von ihr befürworteten Kampf des Staates gegen die Rückständigkeit zu bringen:

Und ein europäischer Staat darf sehr wohl gegen Symbole der Rückständigkeit kämpfen. Zar Peter der Große, ein Staatsmann, dessen Sehnsucht es war, Russland in die Moderne zu führen, hat schon vor 300 Jahren diesen Kampf gekämpft. Als Symbol für die russische Rückständigkeit störten ihn besonders die Rauschebärte der Männer. Er verfügte die Rasur und schnitt selbst Bärte ab. Die gänzlich Uneinsichtigen strafte er mit einer Bartsteuer.

Ich weiß nicht, ob der Artikel tatsächlich unter Volksverhetzung fällt. Auf jeden Fall ist er nah dran!

Ich sehe zu, dass ich dazu noch ausführlicher Stellung nehme. Hier ist, was mich erbost und Frau Sichtermanns wahren Beweggründe verrät: Es wird deutlich, dass sie in Wahrheit gar nicht gegen Rückständigkeit als solche argumentiert, sondern nur gegen islamische Rückständigkeit. Es war zu allen Zeiten eine beliebte Taktik, seine wahre Diskriminierungsabsicht zu tarnen, indem man Kriterien aufstellt, die gerade so „zugeschnitten“ sind, dass sie den gewünschten Effekt haben, ohne die Absicht beim Namen zu nennen. (Beispiel: Verbot bestimmter Kopfbedeckungen, wenn klar ist, dass damit Kopftücher verboten werden sollen.)

Jedenfalls könnte das Autorenkürzel bei Frau Sichtermann nicht passender sein: B.S.

Update: An den Ich-hör-wohl-nicht-recht-Service des Deutschlandradios


Gotteswahn: Bülent Ucar, Professor für Islamische Religionspädagogik

14. Dezember 2009

Die folgenden Äußerungen von Prof. Ucar muss man sich auf der Zuge zergehen lassen:

Der islamische Religionspädagoge Bülent Ucar sieht im bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht einen Schutz vor Extremismus.

Mit einem rein rational ausgerichteten Islamkunde-Unterricht seien extremistisch eingestellte junge Menschen dagegen nicht zu erreichen […]. „Mit einer Orientierung am Bekenntnis und dem religiösen Lebensbezug kann ich überzeugend argumentieren“, unterstrich der Wissenschaftler.

Ein Universitätsprofessor spricht sich gegen einen „rein rationalen“ Unterricht aus! Es ist zwar richtig, dass sich Extremisten erfahrungsgemäß nicht durch rationale Argumente „beirren“ lassen. Das bedeutet aber nicht, dass es hilfreich ist, ihnen zu vermitteln, dass ihr Glaube im Prinzip richtig ist und dass sie ihn bloß falsch auslegen! Wenn man damit „überzeugend argumentieren“ könnte, hätten wir nicht in allen Religionen etliche Unter-Sekten. Es ist doch offensichtlich, dass aus Koran und der Bibel jeweils völlig gegensätzliche Botschaften abgeleitet werden.

Skandalös ist meiner Ansicht nach allerdings, dass es hier ja gar nicht um bereits „ausgeformte“ Extremisten geht, sondern um Kinder und Jugendliche! Wie kann jemand vorschlagen, denen statt „rein rationaler Islamkunde“ (oder, wie in Berlin, einem für alle Schüler verbindlichen Ethikunterricht, der auch die Religionen behandelt) einen bekenntnisorientierten Unterricht zu verpassen und damit dem Extremismus vorzubeugen?

Wie kann jemand… Moment! Herr Ucar ist Professor für Islamische Religionspädagogik? Der einzige Professor für Islamische Religionspädagogik? Und er fordert mit der obigen Begründung die Einrichtung eines vollwertigen Studiengangs „Islamische Religionspädagogik“? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…

Anmerkung: Natürlich steht den Muslimen in Deutschland ein bekenntnisorientierter Religionsunterricht zu, genau wie den Kirchen (Grundgesetz, Artikel 7,3). Von daher bräuchte es eigentlich keine derart haarsträubenden „Argumente“.

Und hier noch zwei ausführlichere Artikel zu Prof. Ucar:

Update: Heute gibt es einen Nachschlag: „… dass man des jetzt nicht hinterfragt“: Religionsunterricht gegen Extremisten?


Warum ist Schächten in Deutschland erlaubt?

26. November 2009

Anlässlich des morgigen islamischen Opferfestes hier die Antwort:

Unter Schächten wird üblicherweise das Ausblutenlassen eines Tieres ohne Betäubung verstanden. (Allerdings hat die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion DITIB dazu aufgerufen, Tiere beim Schächten nicht zu quälen und eine vorherige Betäubung ausdrücklich für zulässig erklärt.) Demgegenüber verbietet das Tierschutzgesetz seit 1986 in § 4 das Schlachten ohne Betäubung:

(1) Ein warmblütiges Tier darf nur geschlachtet werden, wenn es vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden ist.

Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen aus religiösen Gründen vor:

(2) Abweichend von Absatz 1 bedarf es keiner Betäubung, wenn

1. …,

2. die zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung (Schächten) erteilt hat; sie darf die Ausnahmegenehmigung nur insoweit erteilen, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuß von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen oder

3. dies als Ausnahme durch Rechtsverordnung nach § 4 b Nr. 3 bestimmt ist.

Diese Ausnahmen betreffen nicht nur islamische, sondern auch jüdische Schächtungen. Wikipedia zufolge sind die Ausnahmegenehmigungen lage Zeit Juden meist genehmigt worden, Muslimen jedoch meist nicht. So musste sich schließlich 2001/2002 das Bundesverfassungsgericht mit der Frage befassen.

Es mutet zunächst erschreckend an, dass bei einem so wichtigen Thema wie dem Tierschutz Ausnahmen für Religionsgemeinschaften gemacht werden. Der Grundgedanke des Tierschutzgesetzes müsste ja eigentlich für jeden nachvollziehbar sein (§1 Satz 2):

Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.

Man muss wohl kein hartgesottener Atheist sein, um religiöse Vorschriften nicht als „vernünftigen Grund“ anzusehen. Auch, wenn die Religionsfreiheit einen hohen Stellenwert einnimmt, haben doch deren Angehörige sich trotzdem innerhalb der für alle geltenden Gesetze zu bewegen, und das Tierschutzgesetz kann nicht als willkürlich oder ungerechtfertigte Drangsalierung von Muslimen oder Juden bezeichnet werden – selbst, wenn es keine Ausnahmen gäbe.

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