Richtervereinigung: Kreuz-Kompromiss verfassungswidrig

19. März 2010

Pressemitteilung des Landesverbands NRW der Neuen Richtervereinigung vom 18. März 2010:

Zum „Düsseldorfer Kompromiss“, Kreuze aus den Gerichtssälen zu entfernen, aber ein Kreuz an anderer Stelle im Gerichtsgebäude aufzuhängen, hat die Neue Richtervereinigung (NRV), Landesverband Nordrhein-Westfalen, auf verschiedene Anfragen mitgeteilt:

Die Anbringung eines Kreuzes in den Räumen einer staatlichen Einrichtung, auf die der Einzelne ohne Ausweichmöglichkeit angewiesen ist, verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Grundrecht der Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz), weil der Staat dadurch seine Pflicht zur Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften sowie gegenüber den Menschen verletzt, die sich nicht zu einer Religion bekennen.

Über das vorbehaltlos garantierte Grundrecht der Religionsfreiheit und negativen Religionsfreiheit kann es angesichts der eindeutigen Rechtslage keinen „Kompromiss“ geben. Ein solcher kann auch nicht mit dem Verständnis gerechtfertigt werden, das Kreuz sei „Symbol des christlich-abendländischen Weltbildes“, auf dem das Grundgesetz beruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem „Kruzifix-Beschluss“ vom 16. Mai 1995 (1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1) wörtlich ausgeführt: „Das Kreuz ist Symbol einer bestimmten religiösen Überzeugung und nicht etwa nur Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur. … Das Kreuz gehört nach wie vor zu den spezifischen Glaubenssymbolen des Christentums. Es ist geradezu sein Glaubenssymbol schlechthin….Es hat appellativen Charakter und weist die von ihm symbolisierten Glaubensinhalte als vorbildhaft und befolgungswürdig aus.“ Diesen appellativen Charakter hat das Kreuz in Schulräumen und Gerichtssälen ebenso wie in sonstigen öffentlich zugänglichen Räumen eines Gerichtsgebäudes.

Das aus der Verfassung folgende staatliche Neutralitätsgebot besagt, dass die ein Gericht aufsuchenden Menschen darauf vertrauen dürfen, dass in der staatlichen Institution Justiz allein rechtliche Maßstäbe für die gerichtliche Entscheidung Bedeutung haben und dass die dritte Staatsgewalt nicht in irgendeiner Weise mit religiösen Bekenntnissen oder Kirchen verwoben ist oder sich diesen verpflichtet fühlt. Dieses Neutralitätsgebot wird auch verletzt, wenn die Justizverwaltung Kreuze außerhalb von Sitzungssälen aufhängen lässt.


Düsseldorf: Justiz kriecht zu Kreuze

15. März 2010

Im neuen Düsseldorfer Justizgebäude soll jetzt doch ein Kreuz hängen – nur nicht mehr in den Gerichtssälen.

Das ergab heute ein Gespräch zwischen Vertretern der beiden großen Kirchen und den Präsidenten von Land-, Amts- und Oberlandesgericht.

DER WESTEN meldet:

Anschließend veröffentlichten sie eine gemeinsame Erklärung. Sie seien sich einig über die zentrale Bedeutung des Christentums für unsere Gesellschaft. Alle akzeptierten auch grundsätzlich die Neutralitätspflicht des Staates, zögen daraus aber verschiedene Schlüsse: Während die Präsidenten auf religiöse Symbole in den Sälen verzichten wollen, verstoßen aus Sicht der Kirche Kreuze in den Sälen nicht gegen die Neutralitätspflicht. Sie seien Ausdruck der Verbundenheit der Justiz mit ihrer Geschichte und dem Menschenbild des Grundgesetzes. Die Entscheidung gegen die Kreuze sehen sie aber nicht als gegen den christlichen Glauben gerichtet.

Zu allem Überfluss soll am 28. April auch noch ein ökumenischer Gottesdienst zur Einweihung des Gebäudes stattfinden.

Superintendent Ulrich Lilie freute sich: Das sei eine Lösung, die „nicht hätte besser ausfallen können.“

Wenn Kirchenvertreter so etwas sagen (oder auch, eine staatskirchenrechtliche Regelung habe sich „bewährt“), kann man stets sicher sein, dass die verfassungsmäßig gebotene weltanschauliche Neutralität des Staates mit Füßen getreten wird.

Die Justiz hat deutlich zu machen, dass sie weltanschaulich neutral ist. Das tut sie nicht, indem sie unnötigerweise Kreuze aufhängt, unnötigerweise Gebäude mit Gottesdiensten einweiht, und völlig unnötigerweise Erklärungen über die angebliche „zentrale Bedeutung des Christentums für unsere Gesellschaft“ abgibt!

Vielleicht sollte man da eine Protestaktion zugunsten weltanschaulicher Neutralität des Staates durchführen! IBKA NRW, übernehmen Sie!


Neue Folge vom Ketzerpodcast

9. März 2010

Uff! Einen Podcast auf unter eine Stunde zu editieren, bei dem der Missbrauchsskandal in katholischen Einrichtungen angesprochen wird, ist wahrlich eine Heidenarbeit…

An Themen haben Verquer, Amazone, der Admiral und ich dieses Mal:

  • Missbrauchsskandal:
    • Update
    • Reaktionen von Kirche, Politik und Opfern
    • Situation der Opfer
    • Der kirchliche Missbrauchsbeauftragte, Bischof Ackermann
  • Kruzifixe
    • Neuverhandlung beim EGMR
    • Reaktionen
    • Vergleich Deutschland-Österreich
  • Hypatia von Alexandria, Philosophin und Wissenschaftlerin, die von Christen ermordet wurde
  • Der Film „Agora – Die Säulen des Himmels“ über Hypatia, der diese Woche in Deutschland in die Kinos kommt
  • Interview mit einem polnischen Atheisten über die Situation in Polen
  • Zitat der Woche

Die Folge kann hier direkt angehört werden:

Der Podcast kann hier abonniert werden.


Kreuz in Amtsräumen

27. Februar 2010

Gestern hatte ich in einem Artikel zu Kreuzen in Gerichtssälen bereits aus Gerhard Czermaks Buch „Religion und Weltanschauung in Gesellschaft und Recht“ zitiert.

Heute habe ich ein Interview mit Dr. Czermak zu dem Thema durchgeführt und er hat mir freundlicherweise gestattet, hier den kompletten Eintrag zum „Kreuz in Amtsräumen“ zu veröffentlichen:

Kreuz in Amtsräumen

I. Grundwiderspruch. Das christliche Hauptsymbol als Ausstattungsgegenstand in staatlichen und anderen, insbesondere kommunalen, Amtsräumen der öffentlichen Hand wie Ratssälen, Gerichtssälen und Gefängnissen ist in weiten Teilen der Bundesrepublik, oft flächendeckend, verbreitet. Das kommt auch in zahllosen Zeitungs- und Fernsehberichten sowie Filmen, auch Gerichtsreportagen, zum Ausdruck, in denen das Kreuzsymbol gern auffällig oder zwangsläufig ins Bild gesetzt wird. Dieser nur selten problematisierte Tatbestand ist nicht einfach folkloristisch, sondern deswegen erstaunlich, weil er in unauflösbarem Widerspruch zur rechtlichen Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland steht. Die Bundesrepublik ist unbestritten ein Staat, der sich nicht religiös definiert, dessen Staatszweck rein weltlich ist und in dem (theoretisch) alle Bürger unabhängig von ihrer religiös-weltanschaulichen Einstellung gleiche Rechte haben. Der Staat muss insoweit neutral, d. h. unparteilich sein. Er muss zu allen derartigen Richtungen gleiche Distanz wahren bzw. sie ggf. nach gleichen Kriterien fördern. Das alles ist an sich selbstverständlich und wird nie generell bestritten. Das Neutralitätsgebot ergibt sich eindeutig aus dem gesamten Komplex der religionsrechtlichen Regelungen des GG (s. unter Neutralität) und gilt ausnahmslos in allen Bundesländern mit Vorrang gegenüber ggf. anderslautenden bzw. missverständlichen landesrechtlichen Regelungen (vgl. Art. 31 GG).

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Kreuze in Gerichtssälen: Theologen vs. Juristen

26. Februar 2010

Für die evangelische und die katholische Kirche in Rheine haben Hans Werner Schneider, Superintendent des Ev. Kirchenkreises Tecklenburg, und Dr. Ludger Kaulig, Dechant des Dekanates Rheine, eine Stellungnahme zu Kreuzen in Gerichtssälen veröffentlicht.

Darin behaupten Sie:

Das Kreuz kann dabei darauf hinweisen, dass die Würde der Person zu achten ist und Verpflichtung zur Wahrheit und Achtung der Würde der Person in der Anwendung der Gesetze auch in der Rechtsprechung zum Zuge kommt. Insofern steht das Symbol des Kreuzes nicht im Gegensatz zu den Grundprinzipien der Rechtsprechung und dem Auftrag der Gerichte im demokratischen Rechtsstaat. [Hervorhebung von mir.]

Diese Auffassung wird z.B. von dem bekannten ehem. Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde und anderen abgelehnt. Ich zitiere aus dem Standardwerk „Religion und Weltanschauung in Gesellschaft und Recht“ (Artikel „Kreuz in Amtsräumen“) von Dr. Gerhard Czermak, selbst langjähriger Verwaltungsrichter:

Der prominente Katholik und langjährige Richter des BVerfG Ernst-Wolfgang Böckenförde hat das in einer 1975 veröffentlichten Abhandlung […] eindrucksvoll dargestellt: Die Rechtspflege ist eine Kernfunktion des Staats. Die Ausstattung der Gerichtssäle hat daher „die Funktion, die staatliche Rechtspflege als die unparteiische, nur Gesetz und Recht verpflichtete, von sachfremden Einflüssen und Einwirkungen unabhängige, die sie nach ihrem Amtsauftrag ist bzw. sein soll, sichtbar zu machen.“ Die Rechtsprechung als Ausdruck der unmittelbar hoheitlichen Staatstätigkeit erfordere distanzierende Neutralität, wozu das Kreuzsymbol im Widerspruch stehe. Es könne nicht den religiös-weltanschaulich neutralen Staat repräsentieren. Da davon auszugehen ist, so Böckenförde, dass die Anbringung von Kreuzen keinen Einfluss auf die Rechtsprechung hat und haben darf, ist der Sinn einer solchen Ausstattung nicht einmal für Christen einzusehen, sie sei nur „leere Form“, „Hervorbringung eines Scheins“. Der Wunsch, einen Eid vor einem Kreuz zu leisten, lässt sich auch ohne Dauerausstattung der Gerichtssäle mit diesem Symbol erfüllen. Eine derartige Ausstattung ist daher als solche „objektiv verfassungswidrig“. Diese Auffassung wird heute von zahlreichen, überwiegend christlich orientierten, Rechtsgelehrten auch offen ausgesprochen, z. T. sogar von harten Gegnern der Schulkreuz-Entscheidung (wie hier im Erg. z. B. A. Debus; M.-E. Geis, S. Huster; S. Korioth, G. Manssen, M. Morlok, S. Muckel, R. Röger, K. Schlaich, L. Renck u. a.).  [Fette Hervorhebung von mir, kursiv im Original.]

Demzufolge erklärte auch die Neue Richtervereinigung (NRV) Nordrhein-Westfalen am 18. Februar in einer Presseerklärung zum Düsseldorfer „Kruzifix-Streit“:

Die Neue Richtervereinigung (NRV) Nordrhein-Westfalen ist über den Düsseldorfer „Kruzifix-Streit“ erstaunt. Die Kritik daran, dass der Landgerichtspräsident in Düsseldorf anlässlich des Umzugs in das neue Gerichtsgebäude nicht erneut Kreuze oder Kruzifixe anbringen lässt, sei nicht nachvollziehbar.

Die NRV weist auf die eindeutige Rechtslage hin. Das Grundgesetz verpflichte den Staat zur Neutralität gegenüber den unterschiedlichen Religionen und Bekenntnissen und gegenüber einem Nicht-Bekenntnis. Durch die Anbringung religiöser Symbole in staatlichen Einrichtungen stelle der Staat seine Bereitschaft zur Einhaltung dieser Neutralität in Frage. Das Bundesverfassungsgericht habe dies in seinem Urteil vom 16. Mai 1995 (1 BvR 1087/91, „Kruzifix-Urteil“ zur Anbringung religiöser Symbole in staatlichen Schulen), seinem Beschluss vom 24. September 2003 (zu einer Kopftuch tragenden Lehramtsbewerberin) und bereits lange zuvor, mit Beschluss vom 17. Juli 1973, 1 BvR 308/69, festgestellt, wonach die Ausstattung eines Gerichtssaals mit einem Kreuz das Grundrecht eines Prozessbeteiligten aus Art. 4 Abs. 1 GG (in Gestalt der negativen Religionsfreiheit) verletzen könne. Schauplatz des letztgenannten Falls sei damals das Verwaltungsgericht Düsseldorf gewesen. In Vollzug der Verfassungsgerichtsentscheidung seien damals, vor nunmehr fast 37 Jahren, in der nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichtsbarkeit – soweit vorhanden – sämtliche Kreuze und Kruzifixe entfernt worden.

Schon von daher sei es unerklärlich, dass die rechtlich gebotene Entscheidung des Gerichtspräsidenten heute überhaupt Aufsehen erregen könne. Genauso unerklärlich sei unter Anlegung rechtsstaatlicher Grundsätze die Verlautbarung des nordrhein-westfälischen Justizministeriums, das Vorhandensein von Kreuzen in Gerichtssälen beruhe auf einer „überlieferten Übung“. [Hervorhebungen von mir.]


Atheisten in NRW begrüßen Düsseldorfer Kreuz-Entscheidung

24. Februar 2010

Pressemitteilung des IBKA NRW vom 23.02.2010

(Lindlar) Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) Nordrhein-Westfalen begrüßt die Entscheidung, in den neuen Sälen des Düsseldorfer Amts- und Landgerichts keine Kreuze anzubringen. Er sieht darin die logische Konsequenz der Trennung von Kirche und Staat.

„In Gerichtssälen eines weltanschaulich neutralen Staates haben Kreuze nichts zu suchen“, sagt Landessprecher Rainer Ponitka. „An Düsseldorfer Gerichten wird jetzt das umgesetzt, was in Köln schon seit 15 Jahren Standard ist.“

Der IBKA NRW kritisiert massiv die Forderung aus Kirchen und der CDU, Kreuze in Gerichtssälen oder auch anderen öffentlichen Gebauden zu installieren.

„Das Kreuz steht für ganz bestimmte Glaubensinhalte. Der Versuch, es auf auf ein bloßes Kultursymbol zu reduzieren ist unseriös und muss fehlschlagen.“

Ponitka weiter: „Es gibt immer mehr Menschen, die die weltanschauliche Neutralität des Staates auch in der Praxis einfordern. Daran sollten sich Politik und Verwaltung orientieren, nicht an klerikalen Forderungen.“

Hintergrund:

Vor wenigen Tagen haben die Präsidenten des Amts- und Landgerichtes Düsseldorf die christlichen Kreuze aus allen Gerichtssälen entfernen lassen. Hierfür geraten sie in die Kritik der Religionsgemeinschaften und der CDU.


Die Folgen christlicher Argumentation

30. November 2009

Ehrlich gesagt, bin ich etwas überrascht über die weitgehende Ablehung des Minarett-Verbots in den deutschsprachigen Medien. Denn die argumentative Grundlage für ein Minarett-Verbot ist auch in Deutschland bereits gelegt, obwohl sich selbst die Kirchen dagegen aussprechen.

Die Argumentation der Minarett-Gegner in der Schweiz beruht auf drei Punkten:

  1. Minarette sind Symbole eines islamischen Herrschaftsanspruchs
  2. Minarette sind für die Religionsausübung nicht erforderlich
  3. Die Mehrheit hat das Recht, der Minderheit in dieser Hinsicht Vorschriften zu machen

Für sich genommen, finden wir alle drei Argumente auch in der deutschen Diskussion. Statt der Minarette wird in Deutschland das Kopftuch als politisches Symbol bezeichnet, um es dann mit dieser Begründung zu verbieten. In diesem Zusammenhang wird auch gesagt, das Kopftuch sei für muslimische Frauen nicht zwingend vorgeschrieben. Und schließlich konnten wir erst kürzlich anlässlich des Kruzifix-Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wieder hören, Kreuze im Klassenraum seien sozusagen das Recht der Mehrheit.

Kopftuchverbote gibt es auch in Deutschland und auch Vorschriften über Kreuze in Klassenzimmern – und immer hieß es nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts oder des EGMR: Jetzt erst recht! Von daher ist es schon etwas merkwürdig, wenn jetzt nur auf die Schweiz gezeigt wird.

Und leider muss man damit rechnen, dass auch in Deutschland große Teile der Bevölkerung gegen den Minarettbau stimmen würden. Solche Tendenzen werden natürlich befeuert, wenn verfassungsmäßig unzulässige Argumentationen auf breiter Front immer wieder wiederholt und umgesetzt werden.


Du weißt, du bist auf der Seite der Guten, wenn deine Gegner keine besseren Argumente haben also solche:

24. November 2009

Man sollte meinen, dass es Argumente gibt, die so dumm sind, dass man gar nicht auf sie einzugehen braucht, weil sie sich quasi von selbst entkräften. Mittlerweile bin ich mir dessen nicht mehr so sicher.

Wenn selbst der „Doyen der österreichischen Völkerrechtslehre“, der emeritierte Wiener Völkerrechtsprofessor Karl Zemanek das Kruzifix-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als „Blödsinn“ und „dumme Entscheidung“ bezeichnet:

Die Vorstellung, man kann Religionsfreiheit auch verstehen als Abwesenheit von Religion, halte ich für absurd. Sie können ja nicht die Kirchen und Moscheen niederbrennen. Man könnte ja sagen, eine Moschee widerspricht meiner Religionsfreiheit, weil sie ein religiöses Symbol ist. Entschuldigen Sie, das ist ein Blödsinn. Auch Richter in ihrer kollektiven Weisheit sagen manchmal einen Blödsinn. Der Unterschied ist nur, dass man ihn etwas sanfter kritisieren muss. Ich halte es sachlich für eine falsche und rechtspolitisch für eine dumme Entscheidung. Sonst kommt der nächste und sagt, ich verlange, dass man von den Kirchtürmen die Kreuze herunternimmt. Wo hört das auf? Man kann alles zu Tode reiten.

Natürlich hat niemand gefordert, Kirchen oder Moscheen niederzubrennen. Das, was Zemanek als „Blödsinn“ bezeichnet ist ein „Strohmann“, den er selbst aufbaut. Zemanek muss wissen, dass es in dem Urteil nicht um den Schutz vor religiösen Symbolen als solchen geht, sondern darum, dass der Staat diese Symbole aufhängt. Damit verstößt er gegen seine weltanschauliche Neutralität.

Außerdem muss Zemanek wissen, dass Menschenrechte immer erst einmal Minderheitenrechte sind. Viele Leute scheinen zu glauben, die freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung fuße im wesentlichen auf der Demokratie – das ist aber nur die halbe Wahrheit: Gerade weil die Mehrheit in einer „reinen“ Demokratie Minderheiten ohne weiteres drangsalieren könnte, ist der Minderheitenschutz, der in den Grundrechten zum Ausdruck kommt, ebenso wichtig wie die Demokratie. Wenn Kreuze in Schulen abgehängt werden, schreibt damit  niemand der Mehrheit etwas vor (das wäre z.B. der Fall, wenn ein Recht auf das Aufhängen bestimmter Symbole anerkannt würde), sondern es wird im Gegenteil verhindert, dass die Mehrheit allen anderen etwas vorschreibt bzw. „vorsetzt“, wozu sie kein Recht hat.

Eine wesentlich bessere Darstellung der rechtlichen Situation findet sich in einem Kommentar von Georg Hoffmann-Ostenhof, in dem dieser endlich auch einmal auf das immer wieder unkritisch verbreitete, aber völlig unsinnige Argument eingeht, die Schulkreuze in Österreich hätten Verfassungsrang:

Jetzt wird auch eingewandt: Dieses habe für Österreich keine Relevanz, weil die Schulkreuzfrage im Konkordat geregelt sei. In Klassen mit mehr als fünfzig Prozent christlichen Schülern muss ein Kruzifix hängen. Und der Vertrag mit dem Vatikan stehe in Verfassungsrang. Dem muss aber einfach entgegnet werden: Wenn das Konkordat die Menschenrechte verletzt, dann muss eben das Konkordat aufgekündigt werden. [Hervorhebung von mir.]

Ich schließe mit einem weiteren Zitat aus Hoffmann-Ostenhofs Kommentar:

Wenn man sieht, mit welchen unwahren, unsinnigen und die Intelligenz beleidigenden Argumenten das Schulkreuz verteidigt wird – flächendeckend von Vatikan und Berlusconi bis zu Strache, von den italienischen Linken bis zu Kardinal Christoph Schönborn und Erwin Pröll – und wie die Verteidiger damit immer wieder durchkommen, dann freilich wird einem ein wenig mulmig.


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