Bundestagsrede: Der Papst pfeift auf dem letzten Loch

22. September 2011

In seiner Rede vor dem Bundestag hat der Papst eine „nur“ naturalistische Weltsicht kritisiert und den Eindruck erweckt, als ob eine solche Weltsicht, die ja immerhin vom Atom bis hin zum Universum, vom Urknall bis in ferne Zukunft, von den Naturgesetzen bis hin zur evolutionären Entwicklung von Selbstbewusstsein und Ethik reicht, ein eingeschränktes Weltbild sei, das offenbar der Ergänzung durch archaische Vorstellungen aus Bronzezeit und Mittelalter bedürfe.

Letztlich mahnte der Papst in seiner Rede eine Verantwortung vor Gott, Gerechtigkeit und und die Unterscheidung von Gut und Böse an. Leider machte er nicht deutlich, nach welchen Kriterien dabei geurteilt werden soll.

Damit sind Christen in keiner besseren Lage als Atheisten oder Humanisten: Wir alle müssen uns überlegen, welches eigentlich die Kriterien für unser Handeln, für die Unterscheidung von Gut und Böse sein sollen, und was „Gerechtigkeit“ bedeutet.

Nicht einmal der Begriff der Nächstenliebe kam in seiner Rede vor, wobei auch dieser offen lässt, was denn konkret Nächstenliebe sein soll (z.B. Sterbehilfe oder Leidensverlängerung).

Damit liefert der Papst lediglich Schlagworte („Verantwortung vor Gott“, „Gerechtigkeit“, „Gut und Böse“), aber keine Maßstäbe (Kriterien), wie man diesen Zielsetzungen näher kommt.

Mit anderen Worten: Der Papst hat zwar von Verantwortung, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Gut und Böse gesprochen, aber nicht den geringsten Hinweis gegeben, an welchen Kriterien sich diese Werte konkret festmachen sollen.

Das ist nichts anderes als eine Bankrotterklärung, denn offiziell behauptet die katholische Kirche ja durchaus – und schreibt dies im ihrem Katechismus auch bis ins Detail vor –, was „gut“ und was „böse“ (bzw. schlecht) ist.

Offenbar fehlen selbst dem Papst – der ja oft als großer Intellektueller bezeichnet wird – allgemein nachvollziehbare Argumente für die Unterscheidung zwischen Gut und Böse (z.B. hat Ratzinger ja im Zusammenhang mit der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften von der „Legalisierung des Bösen“ gesprochen) und das Verständnis von „Gerechtigkeit“, wie es die katholische
Kirche lehrt. Um sich an „Verantwortung“ und „Gerechtigkeit“ erinnern zu lassen, hätte es der Rede des Papstes im Bundestag wohl kaum bedurft.

Da der Papst offenbar keine vernünftigen Argumente für seine Vorstellung von Gut und Böse hat, hat er sich darauf beschränkt, die naturalistische Weltsicht als unzureichend darzustellen – als ob die moderne Weltsicht eine Ergänzung durch einen dogmatischen, mittelalter- bis bronzezeitlichen Aberglauben bedürfe. Die Ökobewegung dürfte er gerade deshalb als Beispiel erwähnt haben, weil sie teilweise starke emotionale und irrationale Elemente enthält. Durchgesetzt haben dürften sich Umweltschutzbelange allerdings, weil sie auch vernünftig sind. Umweltschutz ist auf dem Vormarsch, der Katholizismus – zumindest in Europa – auf dem Rückzug.

Man kann nur für die Katholiken hoffen, dass das noch nicht alles war. Eine Erinnerung an Verantwortung und Gerechtigkeit hätten sie von mir für deutlich weniger als 30 Millionen Euro haben können.


Basteln mit Benedikt (2): Papstmütze (Pope Hat)

11. August 2011
Papstmütze zum Selberbasteln

Papstmütze zum Selberbasteln

Dieses Mal gibt’s was auf die (Papst-) Mütze, und zwar dieses schöne Logo von notwelcome.de. Die könnt Ihr mit minimalem Aufwand selber basteln, und zwar so:

  1. Bastelbogen auf zwei DIN A3-Bögen (Vorder- und Rückseite) ausdrucken (mit A3-Drucker)
    • Papier oder Karton, geht beides
    • auf 100% ausdrucken, nicht skalieren oder an den Druckbereich anpassen
    • es werden dann (bei den meisten Druckern) die Linien nicht bis an den unteren Rand gedruckt, das macht aber nichts
    • falls Ihr keinen A3-Drucker habt, könnt Ihr das PDF im Copyshop ausdrucken lassen
    • oder Ihr druckt den Bogen auf A4 aus und kopiert ihn dann mit einem Farbkopierer auf A3 hoch
  2. Vorder- und Rückseite der Mütze ausschneiden
    • Dabei darauf achten, dass bei der Vorderseite die beiden Klebefalze links und rechts nicht abgeschnitten werden — am äußeren Rand entlang schneiden
    • Die Unterkante des Papiers ist gleichzeitig die Unterkante der Mütze, es muss also nur oben und an den Seiten geschnitten werden
  3. Vorder- und Rückseite zusammenkleben
    • Klebefalze links und rechts umfalzen und die Rückseite der Mütze darauf festkleben
  4. Kopfumfang einstellen
    Die Mütze hat einen „Standard-Kopfumfang“ von 62 cm. Wenn das zu weit ist:
    • Mütze hinten vom unteren Rand her entlang der grauen Mittellinie einschneiden. Die Mütze kann dann hinten enger gemacht werden.
    • Mütze an den Kopfumfang anpassen und mit einer Heftklammer fixieren. (Die Enden der Heftklammer sollten außen sein, damit es nicht piekt.)

      Der Kopfumfang kann eingestellt werden und wird mit einer Heftklammer fixiert.

Fertig!

Wer sich eine Mütze mit eigenem Motiv basteln will, kann hier die Vorlage als PowerPoint 2010-Datei herunterladen.

PowerPoint-Vorlage für eigene Motive

Hier noch eine Version mit Ralf Königs Motiv (DerPapstKommt). Seid Euch aber darüber klar, dass dieses Motiv aus der Entfernung schwer zu erkennen ist. Mit dem „Popebusters“-Logo setzt Ihr ein klares Statement, das auch noch aus einiger Entfernung zu erkennen ist.

PDF mit Ralf Königs Motiv

Und hier noch eine Variante:

Achtung: Hier muss auch an der Unterkante geschnitten werden, da viele Drucker nicht ganz bis zum Rand drucken können.

Und noch eine:

Hier muss auch an der Unterkante der Vorderseite geschnitten werden.

P.S.: Echte Papstfans basteln sich natürlich auch eine Pope-Corn-Tüte und installieren sich den Pope-Song-Klingelton auf ihrem Handy.


Neuer Ketzerpodcast: „Die Salatbar“

10. Juli 2010

Aufgenommen mit allen vier Ketzern am letzten Sonntag, dem 4. Juli 2010. Unsere Themen:

  • Der dümmste Spruch der Woche – diesmal vom Papst persönlich
  • Päpstlicher Rat zur Neuevangelisierung Europas
  • Nachschlag zu Mixa
  • Ermittlungen gegen Erzbischof Zollitsch
  • Was tun gegen „Priester-Landverschickung“?
  • Kirchliche Krankenhäuser: Ehescheidung und Abtreibung
  • Bizarre Fatwa
  • Zitat von Karlheinz Deschner

Die Folge kann hier direkt angehört werden:

Der Podcast kann hier abonniert werden.


Ketzerpodcast: Missbrauchs-Special

18. März 2010

Unser neuer Ketzerpodcast ist online.

Eigentlich wollten wir uns gar nicht so viel mit dem Missbrauchsskandal beschäftigen und hatten noch andere Themen vorbereitet. Aber das Abhandeln der „unverzichtbaren“ Punkte hat dann doch schon fast den ganzen Podcast ausgefüllt!

  • Papst involviert
  • Georg Ratfingerf Aufrafter
  • Inzest in der Bibel
  • Zollitsch beim Papst
  • Reaktion der innerkirchlichen Opposition
  • Bischof Müller vs. Humanistische Union
  • Kirchenaustritte wegen Missbrauchsskandal
  • Empfehlung: Den Film „Agora“ ansehen!
  • Zitat der Woche von Albert Einstein

Die Folge kann hier direkt angehört werden:

Der Podcast kann hier abonniert werden.


Erzbischof Zollitsch in Rom: Wenig konkrete Ergebnisse und weiterhin viele offene Fragen

14. März 2010

Pressemitteilung München / Rom, 12. März 2010

Wir sind Kirche: Wenig konkrete Ergebnisse und weiterhin viele offene Fragen Zum heutigen Besuch des Vorsitzenden der DBK, Erzbischof Zollitsch beim Papst

Wenig konkrete Ergebnisse und weiterhin viele offene Fragen im Umgang mit sexueller, physischer und psychischer Gewalt in der römisch-katholischen Kirche sieht die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche nach dem heutigen Besuch des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Erzbischof Dr. Robert Zollitsch beim Papst.

Statt sich aus dem fernen Rom bei den Opfern zu entschuldigen, sollte Erzbischof Zollitsch sehr bald auf die Opfer zugehen, ihnen zuhören und gemeinsam mit ihnen nach Wegen und Ritualen der Versöhnung suchen. Bedauerlich ist, dass nicht Papst Benedikt XVI. selber mitfühlende und um Versöhnung bittende Worte für die Opfer gefunden hat – gerade heute, auf den Tag genau zehn Jahre nach dem von Papst Johannes Paul II. gesprochenen eindrucksvollen „Mea Culpa“.

Zu den vielen, auch nach der heutigen Erklärung des Vorsitzenden der DBK unbeantworteten Fragen, gehören: ­

  • Wann endlich anerkennt der Vatikan sexualisierte Gewalt als weltweites und auch mit den Strukturen der katholischen Kirche zusammenhängendes Problem, das die jesuanische Botschaft immer mehr verdunkelt?
  • Wann wird endlich der Zölibat hinterfragt und die im Zölibatsgesetz kulminierende männerbündische Sexual- und Frauenfeindlichkeit in den Blick genommen, so wie dies jetzt Kardinal Schönborn in Wien getan hat, der die Priestererziehung, aber auch den Zölibat hinterfragt hat?
  • Wann werden die Deutsche Bischofskonferenz DBK und die Deutsche Ordensoberenkonferenz (DOK) endlich gegenüber jedem Täter das Null-Toleranz-Prinzip anwenden, das Papst Benedikt auch schon als Kardinal vor allem gegenüber den USA vertrat?
  • Warum hat angesichts der akuten Krisensituation nicht der von der Bischofskonferenz erst kürzlich ernannte Sonderbeauftragte, der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann, an dem Gespräch in Rom teilgenommen und dem Papst über seine bisherigen und künftigen Aktivitäten berichtet?
  • Wenn das kirchliche Verfahren „selbstverständlich“ dem staatlichen Verfahren nicht vorgeordnet sein soll, so ist zu fragen, warum beispielsweise im Kloster Ettal Erzbischof Dr. Reinhard Marx statt eines externen staatlichen Sonderermittlers einen kirchlichen „Sonderermittler“ eingesetzt hat, und dann sogar noch einen, der vor drei Jahren im Auftrag von Bischof Müller Schadensersatzansprüche eines Opfers abgewehrt hat?
  • Kann es sich die röm.-katholische Kirche in Deutschland wirklich leisten, nur an dem von Erzbischof Zollitsch selber angeregten großen Runden Tisch der Bundesfamilienministerin und der Bundesbildungsministerin „selbstverständlich“ teilzunehmen, aber die Teilnahme am Runden Tisch der Bundesjustizministerin abzulehnen?

Bei aller Anerkennung der Bemühungen des früheren Präfekten der Glaubenskongregation und jetzigen Papstes werden die Fragen immer virulenter, was Ratzinger 1977 bis 1981 als Erzbischof von München und Freising und erst Recht seit 1981 als Kardinal in Rom gewusst und getan oder nicht getan hat.

Wir sind Kirche wird die jetzt hoffentlich verstärkten Anstrengungen der Bischöfe gerne unterstützen, aber auch kritisch begleiten, damit es nicht zu dem von niemandem gewollten Pauschalverdacht gegenüber allen Priestern, Ordensleuten und römisch-katholischen Einrichtungen kommt. Solange nicht in allen Bistümern bzw. bundesweit unabhängige AnsprechpartnerInnen benannt werden, hält Wir sind Kirche den im Jahr 2002 eingerichteten Notruf weiterhin bereit (Telefon: 0180-3000862, E-Mail: zypresse@wir-sind-kirche.de).

Wir sind Kirche-Pressemitteilung vom 21. Februar zum Beginn der Bischofskonferenz mit 10 zentralen Forderungen der KirchenVolksBewegung für die Überarbeitung der Leitlinien:
http://www.wir-sind-kirche.de/www.wir-sind-kirche.de/index.php?id=128&id_entry=2408


Die Bischöfe reagieren nur auf öffentlichen Druck

6. März 2010

Der Verein ehemaliger Heimkinder hat bereits vor einigen Tagen eine sehr nachdenkenswerte Erklärung zu der Reaktion der katholischen Deutschen Bischofskonferenz auf die Missbrauchsfälle herausgegeben, die offenbar von der Medien fast völlig ignoriert oder nur häppchenweise erwähnt wurde:

[Alle Hervorhebungen im Fließtext stammen von mir.]

Erklärung der Bischofskonferenz zu Missbrauchsfällen unzulänglich

Einer Kritik an der Erklärung der Bischofskonferenz muss vorangestellt werden, dass sehr wohl anerkannt wird, dass die Kirche einen neuen Umgang auch mit der Vergangenheit einzuleiten wünscht. Es werden massgebliche Schritte zu Aufarbeitung und Prävention gesetzt. Schuldeingeständnisse und eine nicht zu unterschätzende Entschuldigung werden abgegeben. Leider erfolgte dies nicht als Antwort auf Forderungen, die seit Jahren aus dem Kreis der Opfer gestellt wurden, sondern erst als eine Antwort auf Grund des massiven öffentlichen Druckes unausweichlich wurde. Seit Jahren fordert der Verein ehemaliger Heimkinder e.V., fordern Opfer dies nun unter öffentlichen Druck abgegebenen Erklärungen. Dies wurde noch in 2009 auf arrogante Art und Weise abgetan.

Die Erkenntnis des Wandels erfolgt also nicht aus Einsicht , sondern mehr aus Unvermeidbarkeit.

Mag die Erklärung der Bischofskonferenz für die zu beschwichtigende Öffentlichkeit ausreichend sein, für den Kreis der Opfer und Betroffenen sind weiterhin massive Defizite erkennbar:

  1. Nicht in einem Punkt wird anerkannt, dass eine materielle Entschädigung bei den durch Missbrauch und Gewalt zerütteten Existenzen eine Selbstverständlichkeit sein sollte, geschweige werden anständige Schadensersatzzahlungen zugesichert. In den USA wurden immerhin siebenstellige Beträge an die Opfer bezahlt – in der Bundesrepublik Deutschland wird sich weiterhin darauf verlassen, dass die Solidargemeinschaft die entstandenen Schäden „irgendwie“ auffängt: Die Krankenkassen bei Erkrankungen und Therapiebedarf, die Rentenkasse bei früher Verrentung, Arbeitsamt und Sozialamt bei Arbeitsunfähigkeit.
     
  2. Nicht mit einem Wort folgt man dem gerade von der Kirche zu erwartenden Anstand und erklärt Verzicht auf die Einrede der Verjährung. Der überwiegenden Mehrzahl der Opferansprüche wird deshalb kaum entsprochen werden – geschweige denn, dass die Täter jemals bestraft werden. Eine unverantwortliche Einstellung, nachdem man das Versagen eingesteht. Es wird gefordert, dass auf Einrede der Verjährung verzichtet wird und bei Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte des Missbrauchs eine Beweislastumkehr akzeptiert wird.
     
  3. Als hochproblematisches Vorgehen sehen wir, dass es keine Ausschreibung für Therapieangebote und den Aufbau eines kirchenunabhängigen Therapeutennetzes gibt, sondern eine eigene Auswahl von Therapeuten benannt werden soll.
     
  4. Als mindestens ebenso problematisch wird die Einrichtung einer Hotline unter der Regie der Kirche eingeschätzt. Eine Hotline muss von Opfervertretern betrieben werden, da die Gefahr zu groß ist, dass eine kircheneigenen Hotline wieder in alte Strukturen zurückfällt, die da wären Strafvereitelung, Geld- oder Sachgeschenke gegen Schweigen etc.
     
  5. Beinahe schon als Affront zu betrachten ist der Hinweis, dass das Thema nun mit dem Papst zu besprechen sei. Schließlich bitten Missbrauchsopfer seit Jahren den Papst und die deutschen Bischöfe, sich ihnen zuzuwenden. Wie es scheint, führt auch hier der Druck der Öffentlichkeit und nicht etwa das Leid der Opfer zum Ziel. Wieder ist ein Blick in die USA angebracht: Dort wurden die Opfer weitaus früher von Bischöfen und (deutschem!) Papst beachtet – allerdings muss man dazu sagen, dass in den USA empfindliche finanzielle Entschädigungen für sexuellen Missbrauch an der Tagesordnung sind.
     
  6. Auch nach der „Auseinandersetzung“ zwischen dem Erzbischof Zollitsch und der Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger zum Punkt der rückhaltlosen Aufklärung und Zusammenarbeit mit den Justizbehörden, erklärte der Erzbischof noch einmal eindeutig, dass die Kirche sich auch weiterhin nicht bei jedem Verdachtsfalle an die Staatsanwaltschaft wenden würde, da oftmals auch Unschuldige verdächtigt würden.
     
  7. Die Deutsche Bischofskonferenz hat die geforderte Einrichtung eines Runden Tisches abgelehnt.

Zusammenfassend ist zu sagen:

Wenn wir auch, wie eingangs erwähnt, durchaus die Bemühungen der katholischen Kirche um einen neuen Umgang mit der eigenen Vergangenheit sehen und anerkennen, muss doch gesagt werden, dass einige wichtige, der Öffentlichkeit nicht so bekannte Forderungen der Opfer völlig unbeachtet bleiben und somit wieder eine Chance vertan wird, wirklich auf die Opfer zuzugehen und sich nicht nur dem Druck zu beugen!

So muss sich das Eingeständnis des Versagens darauf erstrecken, dass am Runden Tisch Heimerziehung das Thema des Missbrauchs längst bekannt war und dort trotz Aufforderung durch Opfer nichts eingestanden wurde. Im Gegenteil, vor dem Kammergericht Berlin drohte die Kirche noch, die gesamte Aufarbeitung abzubrechen, falls die Opfer am Runden Tisch der Missbrauchsopfer eine gewichtige Stimme bekämen. Das war in 2009, als Wissenschaftler auch der Kirche den Umfang der Verfehlungen bereits kannten. Allerdings war zu der Zeit kein Druck durch die Öffentlichkeit zu befürchten.

Wir fordern, dass diese und andere aufgezeigte Lücken unverzüglich geschlossen werden. Und wir fordern Sie auf, diese Forderung ernster zu nehmen als die letzten Jahre, in denen wir immer wieder angeboten haben, ohne große Öffentlichkeit zu arbeiten. Nach dem Zwischenbericht des Runden Tisches Heimerziehung mussten wir handeln. Das Ergebnis spürten Sie seit Wochen.

Ferner kritisiert der VEH e.V. die Einsetzung eines Sonderermittlers bezüglich der genannten Vorkommnisse. Sowohl die Ablehnung eines Runden Tisches, als auch die Einsetzung eines Sonderermittlers lassen die Tendenz erkennen, Straftaten und Verfehlungen ohne Einbeziehung der Opfer und ihrer Interessen aufzuklären. Dies muss den Verdacht nähren, dass seitens der Kirche eine an den kirchlichen Interessen ausgerichtete Aufklärung erfolgen soll und keine ergebnisoffene.

Der VEH fordert daher die Einsetzung eines Sonderermittlers, der neben einer ergebnisoffenen Aufklärung zur Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden verpflichtet ist. Bei der Auswahl des Sonderermittlers ist die Opferseite zu beteiligen. Der Sonderermittler hat einem einzurichtenden Runden Tisch umfassend Bericht zu erstatten.

Darüber hinaus fordert der VEH vom Gesetzgeber, dass eine Pflicht zur Anzeige von Taten eingeführt wird – jedenfalls bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, wenn die Tat unter Ausnutzung eines Abhängigkeits- oder besonderen Gewaltverhältnisses (also z.B. auch bei Heimkindern, Strafgefangenen, Menschen mit Behinderungen) geschieht.

Wir hoffen trotz allem auf eine konstruktive Zusammenarbeit, so wie wir sie bereits seit 2006 anbieten.

Verein ehemaliger Heimkinder e.V.

Anmerkung: Leider ist der Pressemitteilung kein Datum zu entnehmen. Bei den Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg war der obige Text bereits am 2. März 2010 zu lesen. [Bzw. als Kommentar bereits am 1. März, siehe Nics Kommentar unten.]


Der Papst ist Organspender

3. Februar 2010

Neulich war in in der Paderborner Stadtbibliothek, um Nachforschungen über religiöse Kinderbücher anzustellen. Bei dieser Gelegenheit fand ich „Das Papstbuch für Kinder“ (ab 8 Jahren, wenn ihr es genau wissen wollt, Leseprobe hier):

In dem Buch erfahren die Kinder, dass der Papst seit fast 30 Jahren einen Organspenderausweis hat. Weiter heißt es: „Ärzte dürften deshalb nach seinem Tod Organe aus seinem Körper entnehmen. Damit können dann todkranke Menschen weiterleben, weil ein Verstorbener seine Organe gespendet hat.“

Beim Papst würde man aber wohl nicht von Organen sprechen, sondern von Reliquien.😉


Katholische Prioritäten

15. November 2009

Der Päpstliche Caritas-Rat „Cor Unum“ hat erklärt: „Die Hauptaufgabe der Mitarbeiter in der katholischen Armenfürsorge ist und bleibt es, Christus zu bezeugen“.  Laut Radio Vatikan warnt der Päpstliche Rat, bei ungenügender Ausbildung bestehe das Risiko (!), dass die Mitarbeiter sich die Prioritäten anderer, nichtkirchlicher Instanzen der Fürsorge zu Eigen machen.

Welche anderen Prioritäten sollten das sein – vielleicht Armenfürsorge? Diese Meldung fügt sich nahtlos zu den Berichten, denen zufolge die katholische Kirche in Washington, D.C. angekündigt hat, ihre sozialen Einrichtungen schließen zu müssen, falls sie gleichgeschlechtliche Paare nicht mehr diskriminieren darf.

Aber schön, dass die katholische Kirche das so deutlich sagt. Ich hoffe, die Politiker in den USA, Deutschland und anderswo nehmen das zur Kenntnis und finanzieren künftig nur noch Einrichtungen, für deren Betreiber die Fürsorge oberste Priorität hat. Alles andere wäre Verschwendung von Steuergeldern.


Der Rheinische Merkur interviewte einen Papst-Berater, und alles was sie kriegten war dieses lausige Argument

14. November 2009

Der Rheinische Merkur bringt diese Woche ein Interview mit dem Philosophen und Papst-Berater Robert Spaemann. Dabei geht es auch um das Buch „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins.

RM: Der Glaube an einen Schöpfergott ist also durchaus vereinbar mit der Evolutionstheorie?

Spaemann: Ein Gottesargument ist die Evolutionstheorie selbst. Wir glauben zu wissen, wie der Mensch im Laufe der Jahrmillionen entstanden ist. Dann taucht die Frage auf, wie es kommt, dass ein vollkommen bedingtes materielles Wesen in sich den Gedanken von Unbedingtheit, von Wahrheit und von dem in sich Guten hat. Ich denke an Maximilian Kolbe, der im KZ sein Leben opfert für einen Familienvater, der am Leben bleibt, weil Kolbe stellvertretend für ihn in den Tod geht. […] Die Evolutionsbiologen haben dafür keine Erklärung. Das ist ein Sprung. Eine plausible Erklärung gibt es nur dann dafür, wenn man einen Schöpfergott annimmt, der die ganze Evolution in Gang gesetzt hat.

Man fragt sich, ob Spaemann Dawkins tatsächlich gelesen hat. In „Der Gotteswahn“ geht Dawkins in den Kapiteln „Die Wurzeln der Religion“ und „Die Wurzeln der Moral: Warum sind wir gut?“ auf 90 Seiten darauf ein, wie Evolution, wie „das egoistische Gen“ – ein Begriff, den Dawkins selbst geprägt hat – altruistisches Verhalten hervorbringen kann.
 
Ich versuche es kürzer zu machen: Als hätter er Spaemanns Kolbe-Beispiel vorhergesehen, zeigt Dawkins zunächst anhand des „Selbstmords“ von Motten, die in offene Flammen fliegen, dass offensichtlich unvorteilhaftes Verhalten eine „Nebenwirkung“ ursprünglich nützlicher „Faustregeln“ sein kann. (Bei den Motten ist dies die Regel, immer im gleichen Winkel zu einer Lichtquelle zu fliegen. Über Jahrmillionen gab es nur den Mond und Sterne als Lichtquellen – die sind so weit weg, dass die Motte bei Anwendung dieser Regel geradeaus fliegt. Das Aufkommen von künstlichen Lichtquellen in „jüngerer“ Zeit führt dazu, dass die Motte bei Anwendung dieser Regel spiralförmig in die Lichtquelle fliegt.)
 
Als nächstes weist Dawkins darauf hin, dass das „egoistische“ Gen seinen Träger durchaus zu altruistischem, also uneigennützigem Verhalten programmieren kann. Er nennt das Beispiel, dass Eltern für ihre Kinder sorgen oder Verwandten einen Gefallen zu tun. Diese sind ja mit hoher wahrscheinlichkeit Träger derselben Gene.
 
Außer diesem „genetischen“ Grund für Altruismus nennt Dawkins noch vier weitere Gründe für selbstloses Verhalten. Es reicht hier aber, sich zu vergegenwärtigen, dass Menschen über zigtausende von Jahren in relativ kleinen Gruppen zusammengelebt haben, und dass altruistisches Verhalten dabei aus genetischen oder sozialen Gründen vorteilhaft war. Der Umstand, dass Menschen heute in Städten leben, „wo sie nicht ihre Verwandten um sich haben und jeden Tag mit Personen zusammentreffen, die sie nie wieder sehen“, ist aus Sicht der Evolution erst vor so kurzer Zeitaufgetreten, dass die unbewussten „Faustregeln“ – sei gegenüber Deinen Mitmenschen selbstlos – immer noch wirken. So wie bei der Motte.
 
Es stimmt also nicht, wenn Spaemann behauptet, Evolutionsbiologen hätten keine Erklärung für Verhalten wie das von Pater Kolbe. Einmal mehr wird Richard Dawkins mit einem „Argument“ kritisiert, das er in „Der Gotteswahn“ bereits widerlegt hat.
 
Übrigens: Selbst, wenn es wahr wäre, dass es (noch) keine wissenschaftliche Erklärung für, nun ja, irgend etwas gäbe, so lässt sich daraus doch nie und nimmer der Schluss ziehen, Gott müsse dahinter stecken. Und selbst wenn – welcher Gott sollte das sein? Wotan? Zeus? – Spaemann präsentiert hier das Argument des „Lückenbüßer-Gottes“ („god of the gaps“) – viel Spaß damit! Rückzugsgefechte aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse sind vorprogrammiert.

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