Von der Unmöglichkeit, ein verfassungskonformes Gesetz zu erlassen, das die religiöse Beschneidung unmündiger Knaben erlaubt

Eine Gruppe von 53 Bundestagsabgeordneten – darunter Marlene Rupprecht, Rolf Schwanitz, Ute Vogt, Memet Kilic, Ulla Jepke, Raju Sharma und Halina Wawzyniak – haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Beschneidung von Jungen ab 14 Jahren erlauben soll, sofern diese einwilligen.

Dieser Gesetzentwurf ist nicht akzeptabel!

Die Abgeordneten schlagen vor, ins Bürgerliche Gesetzbuch folgenden Paragrafen einzufügen:

§ 1631d

Beschneidung des männlichen Kindes

Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des männlichen Kindes einzuwilligen, wenn es das 14. Lebensjahr vollendet hat, einsichts- und urteilsfähig ist, der Beschneidung zugestimmt hat und diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst von einer Ärztin oder einem Arzt mit der Befähigung zum Facharzt für Kinderchirurgie oder Urologie durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

Meines Erachtens muss das Alter zur Einwilligung dem entsprechen, das auch bei Piercings oder Tätowierungen greift, und das ist in Deutschland die Volljährigkeit, also 18 Jahre. (16 mit Einwilligung der Eltern.) Wieso sollen Tätowierungen und Piercings mit Einwilligung der Eltern erst ab 16 erlaubt sein, die Amputation der Vorhaut aber schon mit 14?

In Anbetracht der weitaus schlimmeren Alternative, die von der Regierung vorgeschlagen wurde, könnte ich womöglich mit der Altersgrenze 14 leben. Ich halte den Gesetzentwurf allerdings aus einem anderen Grund für inakzeptabel:

Er soll nämlich nur die Beschneidung von Jungen erlauben, die Beschneidung von Mädchen (wir können auch gerne in beiden Fällen von „Genitalverstümmelung“ sprechen) aber weiterhin verboten lassen. In dem Gesetzentwurf heißt es ausdrücklich:

IV. Abgrenzungen von der Verstümmelung weiblicher Genitalien

Das Gesetz erstreckt sich nur auf die Beschneidung des männlichen Kindes. Die geltenden gesetzlichen Regelungen, die bei der Verstümmelung weiblicher Genitalien zur Anwendung kommen, bleiben davon unberührt.

Die Frage ist nur: Mit welcher Begründung? Wieso sollen 14-jährige Jungen einwilligen können, ihre Genitalien beschneiden zu lassen, 14-jährige Mädchen aber nicht?

Zumal auch dieser Gesetzentwurf JEDE Beschneidung erlauben soll, nicht nur religiös begründete. (Aus Scham, religiöse Ausnahmen für Körperverletzungen zu erlauben – um nichts anderes handelt es sich bei beiden Gesetzentwürfen! – lässt man die religiöse Begründung weg und öffnet damit das Tor auch für Beschneidungen von Minderjährigen aus traditionellen oder ästhetischen Gründen!) Auch darauf weisen die Abgeordneten ausdrücklich hin:

2. Allgemeine Regelung ohne Religionsbezug

Den Eltern wird im Rahmen ihrer primären Erziehungsverantwortung ein Vertrauensvorschuss entgegengebracht, solange die Grenze der Kindeswohlgefährdung nicht erreicht ist (vgl. § 1666 BGB). Eltern können die nicht medizinisch indizierte Beschneidung ihres männlichen Kindes, die weltweit stark verbreitet ist, aus unterschiedlichen Gründen für kindeswohldienlich halten.

Häufig ist die Vornahme der Beschneidung Ausdruck einer religiösen Überzeugung. […]

Die Beschneidung männlicher Kinder kann jedoch auch anderen Zwecken dienen. Beispielsweise hat die Alevitische Gemeinde darauf hingewiesen, dass die von ihren Mitgliedern praktizierte Knabenbeschneidung nicht in erster Linie Ausdruck einer religiösen Pflicht, sondern ein auf langer Tradition beruhender kultureller Ritus sei.

Mit welcher Begründung soll also die Tradition der Mädchenbeschneidung – es gibt hier ja durchaus Varianten, die mit der Amputation der männlichen Vorhaut vergleichbar oder sogar weniger gravierend sind – verboten bleiben, wenn das Mädchen einwilligt und mindestens 14 Jahre alt ist?

Natürlich geht es mir nicht darum, die Genitalverstümmelung von Mädchen zu legalisieren. Man kann aber bei der körperlichen Unversehrtheit nicht für Mädchen und Jungen unterschiedliche Gesetze machen!

Ich hege große Sympathie für die 53 Abgeordneten und erkenne an, dass sie Schlimmeres vermeiden wollen. Dass aber selbst dieser sehr entgegenkommende Gesetzentwurf völlig inakzeptabel ist, belegt einmal mehr, dass es praktisch unmöglich sein dürfte, ein verfassungskonformes Gesetz zu verabschieden, das die Knabenbeschneidung erlaubt.

16 Responses to Von der Unmöglichkeit, ein verfassungskonformes Gesetz zu erlassen, das die religiöse Beschneidung unmündiger Knaben erlaubt

  1. Muriel sagt:

    Sehe ich auch so. Ich fürchte zwar, dass das BVerfG das anders sehen wird, aber vor Gericht und auf hoher See und so weiter.
    Ich frage mich gerade, ob „Beschneidung“ wirklich ein so klarer Begriff ist, dass er für eine solche Regelung ohne Legaldefinition ausreicht.
    Ich sehe nicht, wie der Wortlaut dieser Vorschrift das Abschneiden kleiner Stücke von anderen Körperteilen nicht umfassen sollte. Wäre natürlich nur konsequent, wenn man auch Teile von Ohr, Finger oder Zeh abtrennen dürfte.
    Wie man unnötig völlig gesunde Teile von einem Menschen abschneidet, ohne sein Wohl zu gefährden, bleibt mutmaßlich auch das Geheimnis des Verfassers dieses Entwurfs. Oder handelt es sich um einen Versuch, die Beschneidung unter dem Deckmantel einer Erlaubnis doch explizit zu untersagen?

    • Skydaddy sagt:

      Ich glaube, auf Letzteres soll es hinaus laufen. Wird es aber nicht: Offensichtlich geht es einem großen Teil der Parlamentarier darum, dieses leidige Thema endlich vom Tisch zu bekommen. Mit dem obigen Gesetz würden die Religionsfunktionäre weiter „nerven“. Die Kinder selbst können sich ja nicht zu Wort melden. Bleibt zu hoffen, dass die Beschneidungsgegner ebenfalls weiter Druck machen. Bin gespannt, wie von wie vielen schief gegangenen Beschneidungen man in Zukunft lesen wird – jetzt, nachdem die Sensibilität für das Thema da ist.

  2. Ulf Dunkel sagt:

    Mein Alternativer Gesetzesvorschlag liegt seit geraumer Zeit ebenfalls allen MdBs vor und geht genau in die Richtung dieses Blog-Beitrags:

    Alternativer Gesetzesänderung-Entwurf § 1631 BGB

  3. Ich sehe das genauso wie du .. im Prinzip ist der alternative Gesetzentwurf nur das kleinere Übel. Aber realistisch gesehen ist es leider die – kurzfristig – einzige Lösung, die eine Chance auf Erfolg haben könnte. So oder so wird die Debatte weitergehen, und ich denke, irgendwann wirds auch zu einer ab-18-Lösung kommen. Bis dahin müssen wir uns mit halbgaren Zwischenschritten wohl oder übel abfinden.

  4. trbln sagt:

    Das dargestellte „Dilemma“ liegt doch in der Natur unseres selbstwidersprüchlichen Grundgesetzes. Die Religionsfreiheit gestattet es, unprüfbare und falsche Aussagen sogar wider besseres Wissen unkorrigierbar für wahr zu halten. Das ist nichts anderes als das Recht auf (mutwillige) Ignoranz, Lüge und Wahnsinn. Wie will man Menschen, die dieses Recht für sich beanspruchen, mit demokratischen oder gar ethischen Argumenten beikommen?

    • Skydaddy sagt:

      Darin sehe ich kein Dilemma. Man kann die Leute ja nicht zwingen etwa zu glauben bzw. nicht zu glauben.

      Wichtig wäre aber, dass sich die Gläubigen im Rahmen der für alle geltenden Gesetze zu verhalten haben.

  5. trbln sagt:

    „Darin sehe ich kein Dilemma. Man kann die Leute ja nicht zwingen etwa zu glauben bzw. nicht zu glauben.“

    Man kann (und sollte) sie nicht „zwingen“, aber durch spezifische Bildung dazu anleiten, auf irrationale Überzeugungen zu verzichten. Wo es dafür zu spät ist, muß man ihnen Widerstand entgegensetzen und in aller Klarheit vermitteln, daß fahrlässige oder gar mutwillige Irrtümer, Lügen und Wahnsinn nicht einfach hingenommen werden können. Sie sind gefährlich, weil sie falsches Handeln programmieren.

    „Wichtig wäre aber, dass sich die Gläubigen im Rahmen der für alle geltenden Gesetze zu verhalten haben.“

    Wie sollte das möglich sein? Menschen verhalten sich ihrem Denken entsprechend. Religiöse handeln also gemäß ihren religiösen Überzeugungen, und die sind nun mal unabhängig von Demokratie und Ethik. Ein Religiöser muß tun, was er (willkürlicherweise) für religiös geboten hält, und das fällt nur so lange nicht unangenehm auf, wie es (zufällig) in Einklang mit geltenden Gesetzen steht. Im Prinzip aber ist es IMMER anti-demokratisch und anti-ethisch. Die Religionen sind eine ständige Gefahr für die Demokratie, und wo sie das Verhalten der Menschen bestimmen, kann es auch keine Ethik geben. Wir müssen uns also nicht wundern, wenn Religiöse so auftreten, wie es etliche von ihnen in der Beschneidungsdebatte tun.

  6. mikerol sagt:

    Wenn die Beschneidung von 8 Tage alten Knaben identitaetsstiftenD für Juden und Muslime ist – ja sehr viele Muslime beschneiden ja auch noch die jungen Maedchen, ihr „schwarzer Tag!“

    Warum wird jemand wie Professor Michael Wolffsohn nicht ueber andere Juedischen Ansichten befragt?,
    http://analytic-comments.blogspot.com/2012/10/michael-wolffsohns-foreskin-of-heart.html
    http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article108847257/Die-Vorhaut-des-Herzens.html
    http://www.tagesspieg
    Wenn die Beschneidung von 8 Tage alten Knaben identitaetsstiften fuer Juden und Muslime ist – ja sehr vel.de/meinung/andere-meinung/gastkommentar-zur-beschneidungsdebatte-danke-deutschland/7160872.html

    Die Skepsis der Pädiater
    Unausgegoren, katastrophal – die Kritik der Pädiater am Gesetzentwurf zur Beschneidung ist eindeutig. Sie sehen die UN-Kinderrechtskonvention verletzt – und das Gesetz quasi schon zur Verhandlung in Karlsruhe. Aber die Kinderärzte haben einen Kompromissvorschlag.Von Raimund Schmid,,,

    http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gp_specials/beschneidung/article/824592/beschneidung-skepsis-paediater.html

    Die Tabuisierung jeglichen Vergleichs von männlicher mit weiblicher Genitalverstümmelung ist der große Skandal der Debatte. In beiden Fällen wird der empfindsamste und erogenste Teil des menschlichen Körpers amputiert oder schwer beschädigt. In beiden Fällen geht es in erster Linie um die Beschneidung menschlicher Sexualität.

    http://evidentist.wordpress.com/2012/09/11/beschneidung-ignoranz-und-sexismus/

    Und hie das Archiv für die ganze Debatte, auch jetzt in der USA,
    http://analytic-comments.blogspot.com/2012/08/the-circumcision-debate-links-and.html
    ========================

    Glauben auch Sie wahrhaft dass das Abschneiden der Vorhaut, des sexuell empfindlichsten männlichen Teil, welches außer,dem Klitoris dem weiblichen entspricht und noch dazu 8 Tage nach der Geburt, zu rechtfertigen ist, nur weil sich die Abrahamistischen Relgionen,es als Ritual als identitätstiftend halten? Dem Gesetzentwurf,nach könnte ich ja jetzt meinen Sohn kastrieren lassen solang das man „ärztlicher Kunst“ geschieht, ditto weibliche Beschneidung.
    Einen fauleren Kompromiss als diesen Entwurf habe ich wohl seit,langem nicht zu sehen bekommen.Sowie ich es sehe, haben sich inzwischen alle Christlichen Obrikeiten, von den Haredim Orthodoxen unterstützt, und auch Sie scheinen nicht,nur keine blasse Ahnung von Physiognomie noch von unterschiedlichen Jüdischen.

    Sollte es zu einer Volksabstimmung kommen, wuerde sich das Volk 75 %zentig gegen das neue Gesetz stimmen.

  7. Cees van der Duin sagt:

    Dank sei dem Blog skydaddy, das ist ganz ausgezeichnet argumentiert! Ich denke, ein Minderjähriger ist nicht einsichtsfähig, da er aus eigenem Erleben den Zustand der erwachsenen Unbeschnittenheit nicht kennt und dem Gruppenzwang des ethnoreligiösen Kollektivs bzw. der werbenden Eltern noch nicht ausweichen kann.

    Keine medizinisch unbegründete Beschneidung unter achtzehn Jahren! Jeder Bundestagsabgeordnete kennt diese Petition eines engagierten Sozialpädagogen, der auch auf die drohende religiöse bzw. anders elterlich erwünschte Mädchenbeschneidung eingeht:

    ========

    Edward von Roy
    Mönchengladbach

    An den
    Deutschen Bundestag
    Petitionsausschuss
    Berlin

    20. Juli 2012

    Pet 4-17-07-451-040847

    Text der Petition

    Der Deutsche Bundestag möge beschließen, Personensorgeberechtigten jede rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines Jungen (Zirkumzision) oder eines Mädchens (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) im Hinblick auf die Verwirklichung der körperlichen Unversehrtheit des Kindes oder Jugendlichen bis zu dessen Volljährigkeit zu untersagen. Um dem Individuum die Option auf ein Leben mit unversehrten Genitalien und mit der Option auf eine selbstgeschriebene Biographie zu ermöglichen, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung, ob eine lebenslange Sexualität mit oder ohne Präputium (Junge) oder Klitorisvorhaut (Mädchen) verwirklicht wird, möge der Bundestag beschließen, in das Bürgerliche Gesetzbuch Buch 4 Familienrecht Abschnitt 2 Verwandtschaft Titel 5 Elterliche Fürsorge § 1631 Inhalt und Grenzen der Personensorge einzufügen:

    § 1631d

    Verbot der rituellen Genitalmutilation

    Die Eltern können nicht in eine rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung ihres Sohnes (Zirkumzision) oder ihrer Tochter (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) einwilligen. Auch das Kind selbst kann nicht in die Beschneidung einwilligen. § 1909 findet keine Anwendung.

    Begründung

    Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR, Paris 10.12.1948) und das auf ihr beruhende Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (23.05.1949) richten sich zuallererst an den Menschen als Individuum und nicht, wie in der von Stammesreligion, Rechtspluralismus und Initiationsriten geprägten kulturellen Vormoderne, an den Menschen als Angehörigen eines ethnoreligiösen Kollektivs, (…)

    297. Petition gegen die Beschneidung des männlichen oder weiblichen Kindes

  8. Gute Überlegungen und ich gebe dir in weiten Teilen Recht.

    Aus pragmatischer Sicht und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Holm Putzke es als recht schwierig betrachtet, diese Angelegenheit vor den BGH zu bringen, würde ich es aber schon als riesigen Erfolg betrachten, wenn es wenigstens zu diesem Ergebnis kommen würde.

    Die Chancen dafür sind gering, die Chancen das Alter auf 18 zu setzen, gleich Null.

    Ich selbst werde deshalb nicht die geringen Chancen für den Vorschlag ab 14 freizugeben noch mehr verringern, sondern alles dafür tun, dass es wenigsten bis dahin reicht.

  9. richard sagt:

    Es wird sich in Zukunft schon offenbaren, wie es weitergeht. Schon aus dem einfachen Grund, dass es weiterhin auch zu Todesfällen durch die Beschneidung kommen wird. Bisher war das anscheinend kein Problem, aber bei schwerwiegenden Mißbildungen oder gar Todesfällen wird es sicher zukünftig nicht mehr immer gelingen, die Ursachen zu verschleiern. Ein egal welches Gesetz wird die Ärzte in die Haltung bei falschem Verhalten nehmen.

  10. Mike Roloff sagt:

    Was in dem ganzen Palaver über die Beschneidung fehlt
    [Hier das Archiv für die ganze Debatte, auch jetzt in der USA,
    http://analytic-comments.blogspot.com/2012/08/the-circumcision-debate-links-and.html ]
    ist die archäologische Dimension. Woher stammt der Brauch der dem der Weiblichen
    Beschneidung/ Verstümmlung gleicht in dem er die selben Nerven durchschneidet? Weder der Ritus noch der Brauch sind nur in Abrahmistischen Religionen vorzufinden, nur eben das identitätsstiftenden, aus Trotz einer alter Macht gegenuber.

    http://www.facebook.com/mike.roloff1?ref=name
    Wenn die Beschneidung von 8 Tage alten Knaben identitätsstiftend für Juden und Muslime ist – ja sehr viele Muslime beschneiden ja auch noch die jungen Mädchen, ihr „schwarzer Tag!“

    Warum wird jemand wie Professor Michael Wolffsohn nicht ueber andere Juedischen Ansichten befragt?,
    http://analytic-comments.blogspot.com/2012/10/michael-wolffsohns-foreskin-of-heart.html
    http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article108847257/Die-Vorhaut-des-Herzens.html
    http://www.tagesspiegel.de/meinung/andere-meinung/gastkommentar-zur-beschneidungsdebatte-danke-deutschland/7160872.html

    Die Skepsis der Pädiater
    Unausgegoren, katastrophal – die Kritik der Pädiater am Gesetzentwurf zur Beschneidung ist eindeutig. Sie sehen die UN-Kinderrechtskonvention verletzt – und das Gesetz quasi schon zur Verhandlung in Karlsruhe. Aber die Kinderärzte haben einen Kompromissvorschlag.Von Raimund Schmid

    http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gp_specials/beschneidung/article/824592/beschneidung-skepsis-paediater.html

    Die Tabuisierung jeglichen Vergleichs von männlicher mit weiblicher Genitalverstümmelung ist der große Skandal der Debatte. In beiden Fällen wird der empfindsamste und erogenste Teil des menschlichen Körpers amputiert oder schwer beschädigt. In beiden Fällen geht es in erster Linie um die Beschneidung menschlicher Sexualität.

    http://evidentist.wordpress.com/2012/09/11/beschneidung-ignoranz-und-sexismus/

    Und hie das Archiv für die ganze Debatte, auch jetzt in der USA,
    http://analytic-comments.blogspot.com/2012/08/the-circumcision-debate-links-and.html

  11. Oliver sagt:

    Augenlidbeschneidung legalisieren?

  12. Cees van der Duin sagt:

    Trotz momentaner Nichbeschneidung aus sechs Gründen gar kein gutes Urteil vom Oberlandesgericht Hamm:

    1. nur die prekäre Zugehörigkeit zum “Neo-Stamm” der Evangelischen schützt ein bisschen vor der Jungenbeschneidung, 2. wenn die Mutter beim Vorhautamputieren zuguckt ist alles eher in bester Ordnung, 3. ein bisschen Plappern mit dem Kind legalisiert die MGM und 4. die Spezies der Muslime oder Juden dürfte sowieso beschneiden.

    5. Auch ein häufiger Besuch in Kenia wäre vielleicht eine nordrhein-westfälische Beschneidungserlaubnis.

    6. “Medizinische Risiken” und “Schmerzen” sind im Namen des Volkes gefälligst zu akzeptieren: “weil diese Umstände mit jeder nicht medizinisch indizierten Beschneidung verbunden seien”.

    7. Ganz schlimm: das örtliche Jugendamt wird durch das gestrige Gerichtsurteil zur beschneidungsbilligenden Instanz geadelt!

    Ein erneuter schwarzer Tag für das Kindeswohl!
    Cees van der Duin
    ::
    Q u e l l e n
    OLG untersagt Mutter, Sohn beschneiden zu lassen

    … Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat die 2012 neu geschaffene Beschneidungsvorschrift aus religiösen oder kulturellen Motiven im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erstmals konkretisiert. In einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil vom 30. August hat das OLG einer Mutter untersagt, ihren sechsjährigen Sohn beschneiden zu lassen (Az.: 3 UF 133/13). Die Richter bestätigten damit eine Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund, das die Beschneidung ohne medizinische Indikatoren nicht zugelassen hatte.

    Der 3. Familiensenat bemängelte, dass die Mutter das Kindswohl ihres Sohnes nicht berücksichtigt habe. Die Entscheidung zu einer Beschneidung sei ohne Einbeziehung des Jungen gefallen. …

    Die geschiedenen Eltern aus Dortmund hatten sich gestritten, ob die aus Kenia stammende Mutter den Sohn beschneiden lassen darf. Zur Begründung führte sie die kulturellen Riten ihres Heimatlandes an. Ihr Sohn sollte bei Besuchen in Kenia als vollwertiger Mann angesehen und geachtet werden.

    Das Gericht aber sah darin keine Rechtfertigung. Der Lebensmittelpunkt der Familie sei in Deutschland, Besuche in Kenia seien selten möglich und das Kind evangelisch getauft. Die Intimhygiene des Kindes sah das Gericht ohne Beschneidung nicht gefährdet. Dafür aber das psychische Wohl des Jungen.

    Die Richter merkten kritisch an, dass die Mutter es abgelehnt hatte, ihr Kind zu dem Eingriff zu begleiten. …

    dpa/bar
    DIE WELT 25.09.2013

    http://www.welt.de/regionales/duesseldorf/article120379818/OLG-untersagt-Mutter-Sohn-beschneiden-zu-lassen.html

    ::
    ::

    Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 30.08.2013
    – 3 UF 133/13 –
    Gefährdung des Kindswohls – Kindsmutter darf Sohn nicht beschneiden lassen
    Oberlandesgericht Hamm konkretisiert die neue Beschneidungs­vorschrift (§ 1631 d BGB)

    … Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass die Kindesmutter ihren Sohn zurzeit nicht beschneiden lassen darf und die Entscheidungsbefugnis über diese Frage dem zuständigen Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen bleibt. …

    Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einwilligung der sorgeberechtigten Mutter in eine Beschneidung lägen allerdings nicht vor. Auch wenn ein Sechsjähriger noch nicht in der Lage sei, über seine Beschneidung selbst zu entscheiden, verpflichte die gesetzliche Vorschrift die sorgeberechtigten Eltern und – im Falle eines mehr als sechs Monate alten Kindes – auch den Arzt, die Beschneidung mit dem Kind in einer seinem Alter und Entwicklungsstand entsprechenden Art und Weise zu besprechen und die Wünsche des Kindes bei der elterlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Eine diesen Anforderungen entsprechende Beteiligung des Kindes habe im vorliegenden Fall noch nicht stattgefunden.

    Die von den sorgeberechtigten Eltern bzw. dem allein sorgeberechtigten Elternteil erteilte Einwilligung zur Beschneidung sei zudem nur dann wirksam, wenn diese über den Eingriff zuvor ordnungsgemäß und umfassend aufgeklärt worden seien. Eine dementsprechende Aufklärung der Kindesmutter sei bislang ebenfalls nicht dargelegt worden.

    Im vorliegenden Fall sei es außerdem gerechtfertigt, der Kindesmutter die Befugnis zur Einwilligung in eine Beschneidung ihres Kindes vorläufig zu entziehen. Zurzeit spreche eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Gefährdung des Kindeswohls, wenn eine Beschneidung vollzogen werde. …

    Die Motive der Kindesmutter für eine Beschneidung könnten zwar grundsätzlich eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung rechtfertigen. Im vorliegenden Fall hätten sie allerdings ein geringeres Gewicht, weil die Familie der Kindesmutter ihren ständigen Lebensmittelpunkt in Deutschland habe, Besuche in Kenia selten möglich seien und der Junge auch evangelisch getauft sei. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Intimhygiene des Kindes ohne die Beschneidung gefährdet sei. Gegen eine Beschneidung spreche nicht, dass diese medizinische Risiken habe und Schmerzen verursachen könne, weil diese Umstände mit jeder nicht medizinisch indizierten Beschneidung verbunden seien. Im vorliegenden Fall gebe es aber gewichtige Gründe dafür, dass eine zum jetzigen Zeitpunkt durch die Kindesmutter veranlasste Beschneidung das psychische Wohl des Sechsjährigen beeinträchtige, insbesondere weil sich die Kindesmutter nach eigenen Angaben außerstande sehe, ihren Sohn bei dem Eingriff – auch wenn er ihn ablehnen sollte – zu begleiten.

    http://www.kostenlose-urteile.de/OLG-Hamm_3-UF-13313_Gefaehrdung-des-Kindswohls-Kindsmutter-darf-Sohn-nicht-beschneiden-lassen.news16867.htm

    ::

  13. Yasmin Tabatabai sagt:

    26. Januar 2017, die Genitalverstümmelung an männlichen Kindern ist lautloses Thema im Deutschen Bundestag. Petitionen per Sammelübersicht, Abstimmung ohne Aussprache, die Worte § 1631d BGB oder Beschneidung fallen nicht

    [ Plenarprotokoll; Film von 8:35 min ]

    Plenarprotokoll
    128. Sitzung am Donnerstag, dem 26. Januar 2017, 11:30 Uhr – öffentlich

    f)–j)
    Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 400, 401, 402, 403 und 404 zu Petitionen
    Drucksachen 18/10885, 18/10886, 18/10887, 18/10888, 18/10889

    […]

    Sammelübersicht 400 zu Petitionen
    Drucksache 18/10885
    Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Alle dafür. Angenommen.

    Klicke, um auf 18215.pdf zuzugreifen

    Sammelübersicht 400 [ im Film, s. u., Minute 6:20 bis 6:31 ]

    Beschluss
    Sammelübersicht 400 auf 18/10885 angenommen

    http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw04-de-beratungen-ohne-aussprache/489186

    Drucksache 18/10885
    Beschlussempfehlung

    Klicke, um auf 1810885.pdf zuzugreifen

    Abschließende Beratungen ohne Aussprache

    Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 26. Januar 2017, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt, darunter über die Sammelübersichten 400 bis 404 zu Petitionen, die der Petitionsausschuss abschließend beraten hat (18/10885, 18/10886, 18/10887, 18/10888, 18/10889).

    [ Filmdauer: 8:35 min – Petitionen ab Minute 6:07 bis 7:37 ]

    Reden zu diesem Tagesordnungspunkt
    Prof. Dr. Norbert Lammert
    Bundestagspräsident

    http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw04-de-beratungen-ohne-aussprache/489186

    Dass die Petition vom 30.10.2016 nicht nur von Jungen, sondern Jungen und Mädchen handelt, verschwand in der vorgegebenen Wortlosigkeit ebenso wie die Forderung nach der durch den Staat, ggf. auch gegen einen Kindeswunsch auf Beschnittenwerden, zu garantierenden genitalen Intaktheit jedes Minderjährigen (bis zu dessen erreichter Volljährigkeit, 18 Jahre alt).

    30.10.2016
    Familienrecht

    Pet 4-18-07-403-032760

    Ihr Schreiben vom 26. Oktober 2016
    Petition
    [Anrede],

    wir danken für Ihr Schreiben und antworten mit dieser Eingabe.

    Der Deutsche Bundestag möge beschließen

    Erstens

    § 1631d BGB Beschneidung des männlichen Kindes ist nicht geschlechtsneutral neu zu formulieren, insbesondere ist keine Änderung des § 1631d BGB vorzunehmen, der „auch die Beschneidung der weiblichen Vorhaut aufnimmt, indem geschlechtsneutral von einer medizinisch nicht erforderlichen Vorhautbeschneidung des einwilligungsunfähigen Kindes gesprochen wird“, wie es seit 2014 Prof. Dr. Karl-Peter Ringel und Ass. jur. Kathrin Meyer fordern (§ 226a StGB – Sonderstraftatbestand der Frauenbeschneidung & verfassungswidrige Ungleichbehandlung / Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, Interdisziplinäres Zentrum Medizin-Ethik-Recht (MER) Schriftenreihe Medizin – Ethik – Recht ; 51; erschienen: Halle (Saale) : MER, 2014).

    Zweitens

    § 1631d BGB Beschneidung des männlichen Kindes ist abzuändern, denn völlig altersgemäß kann der männliche Jugendliche (14 bis 17 Jahre alt) die lebenslangen – nachteiligen – Beschneidungsfolgen für seine Gesundheit, Sexualität und Partnerschaften nicht einschätzen und ist damit schlicht nicht einwilligungsfähig. Der Junge hat vielmehr den Anspruch, bis zum Alter von 18 Jahren (Volljährigkeit) ein unversehrtes Geschlechtsorgan zu besitzen (keine Beschneidung unter achtzehn), der Staat seiner Schutzpflicht nachzukommen, die sich aus GG Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 („Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“) in Verbindung mit GG Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 („Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“) ergibt, vgl. BVerfGE 53,30 (57) – die Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat verpflichten den Staat zunächst v. a. zum Unterlassen rechtswidriger Eingriffe in den Schutzbereich der Grundrechte. Darüber hinaus verlangen sie nach der Rspr. des BVerfG auch die vorbeugende Verhinderung drohender Grundrechtsverletzungen durch Dritte oder durch den Staat: Aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Grundrechts folge „die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor die genannten Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren“.

    Beschneidung schadet dem Kindeswohl – bei Jungen und Mädchen

    Ob Mädchen oder Junge: keine Beschneidung unter achtzehn.

    [ Nun zur Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ]
    [ Begründung ]

    Anl. 2 z. Prot. 18/75
    [Seiten 149 bis 151]
    Pet 4-18-07-403 [ online als Petition 65714 Familienrecht – Abschaffung oder Änderung des § 1631d BGB vom 14.05.2016 ]

    Beschlussempfehlung

    Das Petitionsverfahren abzuschließen.

    Mit der Petition wird gefordert, das Beschneidungsgesetz (§ 1631d BGB) abzuschaffen oder zu ändern.

    […] Die Eingabe wurde als öffentliche Petition auf der Internetseite des Deutschen Bundestages […] von 126 Mitzeichnern unterstützt und es gingen 38 Diskussionsbeiträge ein.

    Zu diesem Thema liegen dem Petitionsausschuss mehrere Eingaben mit verwandter Zielsetzung vor. […]

    […] kommt der Petitionsausschuss zu folgendem Ergebnis:

    […] mit Beschluss vom 19. Juli 2012 […]

    […] Dezember 2012 […] nach den Regeln der äztlichen Kunst […] angemessene Schmerzbehandlung […] umfassende vorherige Aufklärung. Wenn ausnahmsweise das Kindeswohl gefährdet ist, scheidet eine Einwilligung aus.

    § 1631d BGB stellt somit eine ausgewogene Regelung dar, die die Interessen aller Beteiligten in einen angemessenen Ausgleich bringt.

    Der Ausschuss hält die geltende Rechtslage für sachgerecht und vermag sich nicht für eine Gesetzesänderung im Sinne der Petition auszusprechen.

    Der Petitionsausschuss empfiehlt daher, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.

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