Neulich protestierten die beiden Großkirchen dagegen, dass der neue Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ einen „Raum der Stille“ erhalten soll, der Angehörigen aller Religionsgemeinschaften für Gebet und Meditation offen stehen soll. Stattdessen fordern die Kirchen einen christlich gestalteten Andachtsraum mit Kreuz und Altar sowie zwei christlich gestaltete Büro- bzw. Gesprächsräume für die beiden Flughafenseelsorger (je einer katholisch und evangelisch), die sie freundlicherweise „bereitstellen“ wollen. Für Muslime soll ggf. ein gesonderter Bereich abgetrennt werden.
Dies warf natürlich die Frage auf, wie dies international gehandhabt wird. Da ich diese Woche von Singapur über Amsterdam nach Deutschland geflogen bin, habe ich die Andachtsräume der betreffenden Flughäfen gleich mal unter die Lupe genommen.
Gut – man könnte fragen, ob ein Atheist qualifiziert ist, über Gebetsräume zu schreiben. Aber solange zur Ehelosigkeit Verpflichtete sich zu Ehe, Homosexualität und Kondomen äußern, brauche ich, glaube ich, keine unnötige Zurückhaltung zu üben.
Eins gleich vorweg: Die Räumlichkeiten in Singapur und Amsterdam waren echt gut – ich wäre beinahe gläubig geworden…
Flughafen Singapur (Changi)
Der internationale Flughafen von Singapur (Changi) hat drei Terminals, und jedes verfügt über einen Gebetsraum. Aus Zeitgründen habe ich nur die Räume in Terminal 1 (dem ältesten) und Terminal 3 (dem neuesten) aufgesucht.
Singapur (Changi) Terminal 1
Im Atheist Media Blog hatten wir vor zwei Wochen diskutiert, wie das Piktogramm (Symbol) für einen „Raum der Stille“ aussehen könnte. In Singapur wird der entsprechende Raum als Gebetsraum (Prayer Room) bezeichnet, und als Piktogramm werden betende Hände verwendet (s.o., Albrecht Dürer lässt grüßen).
In Terminal 1 befindet sich der Gebetsraum ziemlich abgelegen (aber gut ausgeschildert) im Untergeschoss.
Der Gebetsraum ist als „multi-religiös“ gekennzeichnet. Ein Hinweisschild erklärt, dass der Raum zum Beten und Meditieren gedacht ist. Die Würde des Raums soll gewahrt und andere Beter nicht gestört werden. Vor dem Betreten des Raumes sind die Schuhe auszuziehen.
Da ich nicht den heiligen Zorn etwaiger Beter auf mich ziehen wollte, spähte ich zunächst vorsichtig durch die Scheibe. Zu meiner Überraschung sah ich gar keinen Gebetsraum, sondern einen Vorraum, der mich an eine Herrentoilette erinnerte – und zwar die Sorte, wo man nicht in ein Becken pinkelt, sondern gegen eine gekachelte Wand.
Dieser Eindruck war aber nur meiner eigenen Unkenntnis geschuldet. Als guter Atheist hatte ich natürlich nie zuvor einen Gebetsraum aufgesucht. Der Vorraum ist für die rituelle Waschung, die den islamischen Gebeten vorangeht. (Ich erinnerte mich, im Zusammenhang mit dem Berliner „Gebetsraum-Urteil“ darüber gelesen hatte.)
Der eigentliche Gebetsraum befindet sich nebenan. Ein Vorhang trennt den Frauenbereich ab. Der Frauenbereich hat auch einen eigenen Eingang, offenbar müssen die Frauen sich nicht rituell reinigen.
An der Decke hängt ein Pfeil, der die Gebetsrichtung nach Mekka (Qiblat) anzeigt. Im Eingangsbereich, wo auch ein Regal für die Schuhe ist, hängt zudem ein islamischer Gebetskalender mit den Gebetszeiten für Singapur. Obwohl gerade keine Gebetszeit war, kam tatsächlich ein Mann mit einer Gebetskette, der sich auch die Füße gewaschen hat. Außerdem sah ich eine Frau mit Kopftuch, die vermutlich den Frauenbereich genutzt hat.
Abgesehen von dem Pfeil mit der Gebetsrichtung und dem Gebetskalender konnte ich keine religiösen Markierungen entdecken. Es fand sich auch kein Hinweis auf ein „Seelsorgerbüro“ oder überhaupt irgendeine Art der Flughafenseelsorge.
[…] vermutlich als „atheistischen Gebetsraum“ bezeichnen.) Im Gegensatz zu dem multireligiösen Gebetsraum am Flughafen Amsterdam fand sich hier auch kein Hinweis, wo Muslime ihre rituelle Reinigung hätten vornehmen können. (In […]
[…] Gebetsraumcheck am Flughafen Berlin Neulich war ich in Berlin, um Carsten Frerk und Philipp Möller vom hpd einen Besuch abzustatten. Dabei war ich auch am Flughafen Tegel – es war also Zeit für eine weitere Gebetsraum-Recherche. […]
„Der muslimische Gebetsraum befindet sich praktischerweise schräg gegenüber vom Büro der Flughafenpolizei.“ Genial formuliert 😀
Ansonsten ist dieser Artikel echt schön. Man merkt, dass da viel Mühe hintersteckt.
Für mich ist er besonders interessant, weil ich noch nie geflogen bin (bin auch noch nicht soo alt) und mir deshalb sowas noch nie selber anschauen konnte.
Weiter so 🙂
Liebe Leserin, vielen Dank!
Ich möchte betonen, dass mein Hinweis auf die Nähe des islamischen Gebetsraums zur Polizei – am Flughafen Frankfurt ist das übrigens genauso – nicht die Muslime unter Generalverdacht stellen, sondern sich gerade darüber lustig machen soll, dass manche Leute Muslime unter Generalverdacht stellen.
Auf den deutschen Flughäfen, die ich bisher gebetsraum-mäßig ausgekundschaftet habe, waren übrigens immer auch öffentlich zugängliche Gebetsräume. Falls Du Dein Interesse für Flughafen-Gebetsräume also nicht weiter zügeln kannst, könntest Du Dir so einen Raum auch ohne Flugticket mal anschauen – sofern Du in der Nähe eines internationalen Flughafens bist… In Hamburg z.B. konnte ich anhand des Gästebuchs sehen, dass es offenbar Menschen gibt, die die Flughafenkapelle auch nutzen, ohne zu verreisen. Warum, weiß der Himmel…
Es wäre natürlich toll, wenn meine Leserinnen und Leser mir Impressionen von anderen Flughäfen mailen würden. In Deutschland stehen z.B. noch aus: München, Stuttgart, Leipzig-Halle, Dresden und Münster-Osnabrück.
Ich hab das mit den Muslimen schon so verstanden, wie du das meintest, und sehe das ähnlich.
Dass ich das auch ohne Flugticket besichtigen kann, wusst ich nicht, da muss ich mal schauen, ob sich irgendwann eine Gelegenheit bietet.