Internationaler Gebetsraum-Check mit Skydaddy

Flughafen Hannover: Flughafenkapelle

In Hannover kam ich schon an der Flughafenkapelle vorbei, noch bevor ich nach Hinweisschildern Ausschau halten konnte. Deshalb weiß ich nicht, wie die Piktogramme dort aussehen.

Die Kapelle – es handelt sich dabei nur um einen einzigen Raum – ist offenbar so gestaltet, wie die Kirchen das auch in Berlin Brandenburg gerne hätten: Ein Kreuz an der Wand und ein Altar mit dicker Bibel. Noch bevor ich das Kreuz umdrehen, einen Hinweiszettel „Vorsicht! Die Lektüre dieses Buches gefährdet ihre geistige Gesundheit!“ in die Bibel schmuggeln oder wenigstens ein Exemplar von „Der Gotteswahn“ zwischen der Propaganda unterbringen konnte, kam allerdings ein Sicherheitsmensch, der offenbar die Blitze beim Fotografieren gesehen hatte, und fragte, was ich da treiben würde. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich nach der kürzlichen Diskussion um den „Raum der Stille“ im Berliner Flughafen für mein Blog recherchiere, wie das international gehandhabt wird. Ich habe ihn dann auch gleich mit Fragen gelöchert, z.B. was denn bitteschön Muslime tun sollen, wenn sie beten wollen? Er sagte mir, die hätten ihren eigenen Gebetsraum.

Flughafen Hannover: Islamischer Gebetsraum

Der muslimische Gebetsraum befindet sich praktischerweise schräg gegenüber vom Büro der Flughafenpolizei. Während die christliche Flughafenkapelle mit „Zwischenlandung für die Seele“ wirbt, muss man hier wohl eher von einer Notlandung sprechen:

Im Vorraum musste ich erstmal das Licht anschalten, aber selbst dann gab es nur flackerndes Neonlicht, das mehr aus als an war. Der Fußwaschraum war offenbar eine leicht modifizierte Toilette. Technisch kann man sich da sicher waschen, allerdings kein Vergleich mit den Anlagen in Singapur.

Apropos Vergleich: Der ganze Gebetsraum strahlte der Charme eines Luftschutzbunkers aus. Linker Hand war der Durchgang zu dem eigentlichen, winzigen Gebetsraum, und dieser war noch durch eine hölzerne Abtrennung in Bereiche für Frauen und Männer aufgeteilt. Ich habe an Flughäfen schon islamische Familien gesehen, für die dieser Gebetsraum vermutlich zu klein wäre.

Muslime habe ich keine gesehen, allerdings kam jemand rein – vermutlich ein Flughafenangestellter – der offenbar in dem Fußwaschraum seine Kaffeekanne oder etwas ähnliches auswaschen wollte.

Hannover hat also einen explizit christlichen und einen explizit islamischen Gebetsraum. Die meditierende Gruppe aus Amsterdam hätte hier schlechte Karten gehabt.

Die Moral von der Geschicht‘

Wozu man überhaupt an Flughäfen Gebetsräume benötigt ist mir immer noch nicht klar. Selbst wenn es Leute gibt, die am Flughafen das dringende Bedürfnis zu Beten verspüren: Mit der gleichen Begründung könnte man wohl auch Kopulations- bzw. Masturbationsräume einrichten.

Wenn man aber Räumlichkeiten zum Gebet bereitstellen will, so kann m.E. nur „gleiches Recht für alle“ gelten. D.h. ein Gebetsraum, den sich die Angehörigen aller Religionen teilen müssen. Das würde wenigstens einen pädagogische Zweck erfüllen: Die Religiösen müssten lernen, sich zivilisiert zu arrangieren. Jedenfalls kann es nicht sein, dass es religiöse Räume für Christen und Muslime gibt und z.B. Juden oder Hindus keine Räumlichkeiten haben. Mir behagt auch die Kennzeichnung des Andachtsraums in Amsterdam nicht, weil dort ohne Not die Symbole von 7 Weltanschauungen gezeigt werden, was wiederum in „gezeigte“ und „ungezeigte“ Weltanschauungen unterteilt. Jedis oder Mitglieder der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters müssen sich hier wie Gläubige zweiter Klasse vorkommen.

Völlig vom Andachtsraum zu trennen ist m.E. die Flughafenseelsorge. Wenn es Flughafenseelsorger gibt, sollen sie meinetwegen ihr Büro haben. Der Andachtsraum muss trotzdem neutral bleiben. In Amsterdam wurde deutlich, dass das Meditationszentrum zur Verbreitung christlichen – und nur christlichen – Schrifttums genutzt wird. Man kann sich leicht vorstellen, was Angehörige der Großkirchen sagen würden, wenn sie in ein als „multireligiös“ gekennzeichnetes Meditationszentrum kämen wo scheinbar Literatur zu „persönlichen und spirituellen Themen“ ausliegt – und dann würde sich herausstellen, dass es sich um Schriften der Zeugen Jehovas, der Mormonen oder von Scientology handelt! Sie würden sich wohl zu Recht beschweren, dass die angebliche „Offenheit für alle“ für die Missionierung bzw. religiöse Werbung genutzt würde, und hätten wahrscheinlich schwere Bedenken, wenn der Flughafenseelsorger ein Zeuge Jehovas, ein Mormone oder Scientologe wäre.

Aber wieso soll ich eigentlich mit meinen Flughafengebühren christliche Geistliche, die durch ihre Arbeit „Zeugnis für Jesus“ ablegen wollen, unterstützen? Es mag ja sinnvoll sein, dass es „Seelsorger“ an Flughäfen gibt – aber dann doch bitte weltanschaulich neutral, möglichst mit psychologischer Ausbildung. Wenn die Christen ihre „Nächstenliebe“ nur praktizieren wollen, solange sie mit dem Etikett „christlich“ versehen ist, dann sollen sie es lieber gleich bleiben lassen! Dann geht es nämlich in Wirklichkeit gar nicht um Nächstenliebe, sondern um Werbung für den eigenen Glauben. Kleiner Hinweis: Man kann seinen Mitmenschen auch Gutes tun, ohne sie mit seiner Weltanschauung zu belästigen!

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5 Responses to Internationaler Gebetsraum-Check mit Skydaddy

  1. […] vermutlich als „atheistischen Gebetsraum“ bezeichnen.) Im Gegensatz zu dem multireligiösen Gebetsraum am Flughafen Amsterdam fand sich hier auch kein Hinweis, wo Muslime ihre rituelle Reinigung hätten vornehmen können. (In […]

  2. […] Gebetsraumcheck am Flughafen Berlin Neulich war ich in Berlin, um Carsten Frerk und Philipp Möller vom hpd einen Besuch abzustatten. Dabei war ich auch am Flughafen Tegel – es war also Zeit für eine weitere Gebetsraum-Recherche. […]

  3. Leserin sagt:

    „Der muslimische Gebetsraum befindet sich praktischerweise schräg gegenüber vom Büro der Flughafenpolizei.“ Genial formuliert 😀
    Ansonsten ist dieser Artikel echt schön. Man merkt, dass da viel Mühe hintersteckt.
    Für mich ist er besonders interessant, weil ich noch nie geflogen bin (bin auch noch nicht soo alt) und mir deshalb sowas noch nie selber anschauen konnte.
    Weiter so 🙂

  4. skydaddy sagt:

    Liebe Leserin, vielen Dank!

    Ich möchte betonen, dass mein Hinweis auf die Nähe des islamischen Gebetsraums zur Polizei – am Flughafen Frankfurt ist das übrigens genauso – nicht die Muslime unter Generalverdacht stellen, sondern sich gerade darüber lustig machen soll, dass manche Leute Muslime unter Generalverdacht stellen.

    Auf den deutschen Flughäfen, die ich bisher gebetsraum-mäßig ausgekundschaftet habe, waren übrigens immer auch öffentlich zugängliche Gebetsräume. Falls Du Dein Interesse für Flughafen-Gebetsräume also nicht weiter zügeln kannst, könntest Du Dir so einen Raum auch ohne Flugticket mal anschauen – sofern Du in der Nähe eines internationalen Flughafens bist… In Hamburg z.B. konnte ich anhand des Gästebuchs sehen, dass es offenbar Menschen gibt, die die Flughafenkapelle auch nutzen, ohne zu verreisen. Warum, weiß der Himmel…

    Es wäre natürlich toll, wenn meine Leserinnen und Leser mir Impressionen von anderen Flughäfen mailen würden. In Deutschland stehen z.B. noch aus: München, Stuttgart, Leipzig-Halle, Dresden und Münster-Osnabrück.

  5. Leserin sagt:

    Ich hab das mit den Muslimen schon so verstanden, wie du das meintest, und sehe das ähnlich.
    Dass ich das auch ohne Flugticket besichtigen kann, wusst ich nicht, da muss ich mal schauen, ob sich irgendwann eine Gelegenheit bietet.

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