Kirchliche „Transparenz“: Bistum Trier

Bistum Trier vs Realität

Das Bistum Trier spielt in seinem neuen Geschäftsbericht mit gezinkten Karten. Wem der Text zu lang ist, kann gleich ans Ende springen.

Im März hat das Bistum Trier seinen ersten Geschäftsbericht vorgestellt. Darin werden nicht nur – wie bisher im Haushalt – die Einnahmen und Ausgaben des jeweiligen Jahres dargestellt, sondern auch das Vermögen des Bistums und die Schulden. Möglich wird dies durch die Umstellung des Haushalts- und Rechnungswesens von der Kameralistik auf die Doppik, die sich an der kaufmännischen Buchführung orientiert. Diesen Wechsel hatte das Bistum Trier bereits 2009 vollzogen, es handelt sich also nicht um eine Reaktion auf den Limburger Finanzskandal um Tebartz-van Elst letztes Jahr.

Entscheidend für die Umstellung war laut Generalvikar Dr. Bätzing die Überzeugung, „dass eine transparente und aussagekräftige Rechnungslegung als Grundlage des Wirtschaftens im Bistum unentbehrlich ist“. Auch im Geschäftsbericht schreibt Dr. Bätzing gleich zu Beginn: „Transparenz und Rechenschaft sind uns in dieser Hinsicht wichtige Anliegen.“

Die Veröffentlichung des Geschäftsberichts soll nicht kleingeredet werden, und er ist auf jeden Fall besser als der „Geschäftsbericht“ des Erzbistums Hamburg, in dem die Bilanz leider fehlt (und der deshalb die Bezeichnung „Geschäftsbericht“ nicht wirklich verdient), und besser als der Geschäftsbericht des Bistums Hildesheim, das entgegen seiner Beteuerungen, nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) zu bilanzieren, seine Immobilien systematisch nicht bilanziert.

Ein echter Wille zur Transparenz ist allerdings im Geschäftsbericht des Bistums Trier nicht zu erkennen. Vielmehr werden die Vorschriften des HGB offenbar – wie auch in anderen Bistümern – dazu genutzt, sich unter Berufung auf ebendiese Vorschriften „arm“ zu rechnen. Die HGB-Vorschriften sind geprägt durch den Gläubigerschutz und das daraus folgende Vorsichtsprinzip, das verhindern soll, dass sich jemand „reicher rechnet“, als er ist. Das macht es umso leichter, sich „arm“ zu rechnen. Schon während der kirchlichen „Transparenzoffensive“ letztes Jahr zeigte sich, dass die Kirchen die HGB-Vorschriften offenbar gezielt dazu ausnutzen, sich „ärmer“ darzustellen, als sie sind. So werden gemäß dem HGB Finanzanlagen zu ihren Anschaffungskosten bilanziert, das heißt, Wertsteigerungen sind in der Bilanz nicht erkennbar. (Ich hatte bereits gezeigt, dass solche Anlagen mehr als das Zehnfache des bilanzierten Wertes betragen können. Der Bilanzwert allein der Finanzanlagen des Bistums Trier beträgt schon über eine halbe Milliarde Euro.) Das Bistum Trier hat zudem nur diejenigen beweglichen Vermögensgegenstände wertmäßig erfasst, für die die Anschaffungskosten bekannt waren, alles andere wurde nur mit einem Erinnerungswert von 1 Euro bewertet (Geschäftsbericht S. 23). Das dürfte bedeuten, dass alle beweglichen Kunst- und Wertgegenstände wie z.B. Kultgeräte, Bilder, Möbel usw., die nicht in den letzten Jahren oder Jahrzehnten angeschafft wurden, jeweils nur mit einem Euro in der Bilanz auftauchen – selbst, wenn es sich um wertvolle und verkäufliche Dinge handelt. Da vermutlich ein nicht unerheblicher Teil der beweglichen Vermögensgegenstände des Bistums älter ist – und die Anschaffungskosten daher unbekannt – können hier erhebliche (veräußerbare) Millionenwerte „schlummern“, deren Wert aus der Bilanz nicht ersichtlich ist.

Es ist natürlich nicht „falsch“, das in der Bilanz so darzustellen. Unredlich wird es aber dann, wenn in der anschließenden „Auswertung“ (Geschäftsbericht S. 28) so getan wird, als ob die zweifellos existierenden „stillen Reserven“ gar nicht existierten:

So wird zunächst gemäß dem oben beschriebenen modus operandi behauptet, bei der Bilanz handele es sich „durch die konsequente Anwendung allgemeiner Rechnungslegungsstandards“ um eine „realistische Darstellung“. Jeglicher Hinweis auf die stillen Reserven unterbleibt, stattdessen wird der „Risikopuffer“ Eigenkapital noch von 426,5 Millionen Euro auf die Hälfte heruntergerechnet:

Bereits die Bereinigung um zweckgebundene Rücklagen und Budgetrücklagen zum Haushalt – beides enthält bereits fest verplante und vergebene Mittel – korrigiert die Höhe des Puffers auf 368,9 Millionen Euro. Die darin enthaltene Neubewertungsrücklage ist im Wesentlichen durch die Bewertung von Gebäuden entstanden, ihr stehen keine liquiden Mittel gegenüber, die im Notfall zur Verfügung stünden. Die Gebäude, wie zum Beispiel die Schulen des Bistums, sind fast alle nicht marktgängig, im Bedarfsfall also auch kaum verkäuflich. Ein wirksamer Risikopuffer muss aber in relativ kurzer Zeit als Liquidität zur Verfügung stehen können.

Damit eignet sich als Risikopuffer und Reserve nur die allgemeine Rücklage in Höhe von 205,2 Millionen Euro.

Es ist schlichtweg unredlich – gewiss aber nicht transparent – in einer solchen Diskussion ausschließlich diejenigen Aspekte zu nennen, die den Risikopuffer schmälern, ohne aber die stillen Reserven zu erwähnen, die den finanziellen Spielraum wieder vergrößern. Angenommen, die Finanzanlagen des Bistums seien doppelt so viel wert wie in der Bilanz angesetzt. In Anbetracht anderer Beispiele (Faktor 10+) scheint das nicht nur möglich, sondern geradezu konservativ geschätzt. (Das Bistum kann die Marktwerte seiner Finanzanlagen zweifellos gut abschätzen und könnte somit – auch im Sinne der Transparenz – Spekulationen darüber beenden.) Dann wäre deren Wert nicht 543 Millionen sondern über eine Milliarde Euro – und der „Risikopuffer“, den das Bistum gerade noch auf 205 Millionen runtergerechnet hat, würde sich auf knapp 750 Millionen mehr als verdreifachen. Gut möglich, dass der wahre Risikopuffer noch viel größer ist.

Und diese Mittel stünden auch zweifellos „in relativ kurzer Zeit als Liquidität zur Verfügung“, denn es handelt sich dabei ganz überwiegend um Finanzanlagen, die den Pensionsrückstellungen zugeordnet sind (Geschäftsbericht S. 25) und somit liquidierbar sind (keine unverkäuflichen Kirchen oder dergleichen). Die Pensionen würden durch den Verkauf auch nicht infrage gestellt, denn wenn sich die hierfür vorgesehenen Finanzanlagen, in der Bilanz mit 312,5 Mio. Euro angesetzt (S. 25), für 600 Mio. Euro verkaufen ließen, dann würden stille Reserven von knapp 300 Mio. Euro freigesetzt, und die 312,5 Mio. für die Pensionen wären nach wie vor vorhanden.

Man braucht das nicht alles zu verstehen, aber eins sollte klar geworden sein: Transparenz und Offenheit sehen anders aus. Wenn das Bistum Trier seinen Katholiken und der Öffentlichkeit seinen „Risikopuffer“ erläutern will, müssen die Marktwerte der Finanzanlagen genannt werden, nicht die Anschaffungswerte. Der Grund dafür, dass über den tatsächlichen Wert dieser Finanzanlagen nur spekuliert werden kann, liegt daran, dass das Bistum eben nicht so transparent ist, wie es für eine ehrliche Diskussion nötig wäre.

Das lässt sich allerdings auch viel einfacher zeigen:

Auf den Seiten 28 und 29 seines Geschäftsberichts wird folgende Auswertung präsentiert:

Bistum Trier Auswertung

 

Links, auf S. 28, finden sich die oben zitierten Ausführungen zum Risikopuffer. Im Anschluss heißt es [Hervorhebung nicht im Original]:

Tatsächlich hat die äußerst erfreuliche und so nicht erwartete Entwicklung des Kirchensteueraufkommens die Entnahmen aus der allgemeinen Rücklage weitgehend abfedern können. […] Allerdings bleibt die Frage nach der angemessenen Höhe des Risikopuffers. Die abzufedernden Risiken sind unvermindert komplex, sehr groß und mit hohen Eintrittswahrscheinlichkeiten behaftet. Das Kirchensteueraufkommen ist wie die wirtschaftliche Entwicklung absehbar großen Schwankungen ausgesetzt. …

Daneben findet sich auf S. 29 folgende Darstellung zum Kirchensteueraufkommen:

Kirchensteuer Bistum Trier GB

 

Die Auswertung endet mit den Worten:

Wenn dann in den unvermeidlich anstehenden schwierigen Zeiten nicht die Not für das Bistum entscheiden soll, kann die Lösung nur in einer konsequent strategiegeleiteten Kostendisziplin gerade auch in scheinbar guten Zeiten und in einer gut dotierten allgemeinen Rücklage liegen. Sie sollte den Umfang von mindestens einem Jahreshaushalt des Bistums haben und in den aktuell einkommensstärkeren Jahren behutsam dorthin aufgestockt werden.

Das Bistum übertreibt in der Grafik allerdings in unredlicher Weise die Schwankungen, denen die Kirchensteuer unterliegt. Ohne, dass es irgendwie erkennbar wäre, sind die Balken „unten abgeschnitten“, beginnen also nicht bei Null, sondern irgendwo anders. Stellt man die Balken „korrekt“ dar, so dass ihre Höhe proportional zum zugehörigen Zahlenwert sind, sieht das Ganze viel unspektakulärer aus (eigene Darstellung):

Kirchensteuer Bistum Trier SD

Das sollte selbst wohlwollenden Lesern deutlich machen, dass Bischof Ackermann und Generalvikar Bätzing den Geschäftsbericht nicht als Instrument für Transparenz, Offenheit und sachgerechte Information betrachten, sondern als Vehikel dafür, ihren Sparkurs durchzusetzen und das vorhandene Vermögen (im drei- oder vierstelligen Millionenbereich) bloß nicht anzutasten.

Wobei man ja fragen muss: Die katholische Kirche in Deutschland befindet sich derzeit in einer einmaligen Implosionsphase: Jahrzehntelang gingen den Kirchen langsam, aber stetig die Mitglieder von der Fahne. Jahrzehntelang ließ sich das ignorieren. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo die innere Aushöhlung auch äußerlich sichtbar wird. Als Daumenregel gilt, dass jede dritte Kirche geschlossen werden muss. Gemeinden werden zusammengelegt, Infrastruktur und Leistungen werden infrage gestellt. Eine solche Implosion wird die Kirche auch nie wieder durchmachen, weil sie ihren Status als Volkskirche nur einmal verlieren kann.

Wenn jetzt nicht die Vermögensreserven der Kirche genutzt werden, um diese einmalige Situation abzupuffern – wann soll es dann jemals genutzt werden?

6 Responses to Kirchliche „Transparenz“: Bistum Trier

  1. Heinz sagt:

    > Wenn jetzt nicht die Vermögensreserven der Kirche genutzt werden, um diese einmalige Situation abzupuffern – wann soll es dann jemals genutzt werden?

    Gar nicht, außer natürlich für die Taschen der Bischöfe.
    Aber keine Sorge es gibt noch genug verblendete, die der Kirche Treu sind: „Halt du sie dumm ich halt sie arm“.

  2. datko sagt:

    Vorab: Es gibt keinen Gott, es gibt keine Götter!

    Religionen sind in der Regel Abzocksysteme, die die Bevölkerung ausbeuten.

    Ab 2015 müssen die Banken Kirchensteuer auf Kapitalerträge, z.B. auf Zinsen, an die überquellenden Geldsäcke der Kirchensteuerkirchen überweisen. Bei uns in Regensburg sind die Kirchenaustrittszahlen in den ersten Monaten des Jahres sprunghaft gestiegen. So sind im Januar über 1,6 Promille der Mitglieder, mit Haupt- oder Nebenwohnsitz in R, ausgetreten, ein Januarrekord.

    Je früher Mitglieder aussteigen, desto geringer ist der Kirchensteuer-Schaden. Die meisten „Christen“ sind durch die Kleinkindtaufe, gegen ihr Selbstbestimmungsrecht, krichensteuerpflichtig geworden.

    Ich bin gerne bereit, zum „teuflischen“ Taufritus (abrenuntiatio diaboli), ausführlich Stellung zu nehmen.

    Joachim Datko – Physiker, Philosoph
    Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
    http://www.monopole.de

  3. […] neulich berichtet, rechnen sich die Kirchen gerne ärmer, als sie sind. Nachdem die jüngste Steuerschätzung […]

  4. Peter sagt:

    Moin

    Ich mal mal ne ganz naive Frage: Wenn die Kirche sich ärmer darstellen möchte, als sie ist, wieso stellt sie dann die Entwicklung der Kirchensteuer so dar, als ob das Einkommen dadurch deutlich steigt? Wäre da nicht deine (skydaddy) Darstellung im Sinne der Kirche besser?

    Oder soll damit eher gezeigt werden, wie toll und in die Kirche ist?

    • Skydaddy sagt:

      Hi Peter!

      Glaub mir, die Kirchen rechnen sich arm.

      Ich habe Deine Frage allerdings aufgegriffen und den obigen Artikel um das Layout und die Formulierungen der „Auswertung“ ergänzt, in denen das Bistum sich auf die Schwankungen der Kirchensteuer bezieht.

      Ich hoffe, damit wird es noch deutlicher.

  5. datko sagt:

    Zitat: „Eine solche Implosion wird die Kirche auch nie wieder durchmachen, weil sie ihren Status als Volkskirche nur einmal verlieren kann.“

    Die Menschen waren versklavt, sie wurden von Geburt auf den Repressionen der christlichen Religion unterworfen.

    Selbst Herr Joseph Ratzinger, wurde noch am Tage der Geburt getauft und von klein auf katholisch indoktriniert. Herr Ratzinger hat nicht als Erwachsener zum Glauben gefunden, sondern ist selbst Opfer der r.-k. Kirche.

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