Kirchensteuer auf Kapitalerträge: Neuer Ärger vorprogrammiert

Seit Wochen ist das Thema „Kirchensteuer auf Kapitalerträge“ in den Medien, und ein Ärgernis wurde bisher noch gar nicht beachtet: Die völlig unzureichende Bezahlung des absehbaren Zusatzaufwands für die Finanzämter. Hier stehen die Interessen der Allgemeinheit gegen die der Kirchen.

Bereits 375.000 Bürgerinnen und Bürger haben Widerspruch gegen die automatische Übermittlung ihrer Kirchenzugehörigkeit an die Banken eingelegt. Wer kirchensteuerpflichtig ist, muss in diesem Fall – soweit dies nicht ohnehin erfolgt – eine Steuererklärung abgeben und dort seine Kapitalerträge angeben. Das Bundesministerium der Finanzen beschreibt diesen Prozess so:

Das BZSt ist gesetzlich gehalten, bei eingelegtem Sperrvermerk des Kirchensteuerpflichtigen Namen und Anschrift der anfragenden Kreditinstitute, Versicherungen etc. an das zuständige Finanzamt des Steuerpflichtigen weiterzureichen. Der Sperrvermerk führt also dazu, dass der Kirchensteuerpflichtige beim Finanzamt eine Erklärung zu der auf seine Kapitalerträge abgeführten Kapitalertragsteuer abgeben muss (vergleiche Abbildung 1).

b02-kirchensteuer-2-verfahren

[Monatsbericht Februar 2014 des BMF. S. 26]

Es soll also so sein, dass jedes Kirchenmitglied, das Widerspruch gegen die Übermittlung seines Kirchensteuerabzugsmerkmals (KISTAM) eingelegt hat, jedes Jahr eine Steuererklärung abgeben muss – auch, wenn das sonst nicht nötig wäre. (Z.B. ältere Kirchenmitglieder, die kein Erwerbseinkommen mehr haben, aber Kapitalerträge. Die staatlichen Steuern darauf werden ja durch die Bank automatisch einbehalten, also ist allein deshalb keine Steuererklärung notwendig.)

Diese durch das neue Verfahren verursachten Steuererklärungen verursachen natürlich bei den Finanzämtern zusätzlichen Aufwand.

Wie wird dieser Aufwand von den Kirchen abgegolten? Durch die Kirchensteuer-Hebegebühr: In den meisten Bundesländern behält der Staat 3% der Kirchensteuer als Gebühr für seine Dienstleistung (die tatsächlich allerdings im Wesentlichen unentgeltlich durch die Unternehmen erfolgt) ein.

Nehmen wir einmal an, der Aufwand für so eine Steuererklärung – von der die öffentliche Hand nichts hat, sondern die einzig den Kirchen zugute kommt – betrage 30 Euro. Das entspricht der Gebühr, die die öffentliche Verwaltung vielerorts für einen Kirchenaustritt verlangt.

Um diesen Aufwand durch die Kirchensteuerhebegebühr (von 3%) zu decken, müssten durch die Steuererklärung also 1.000 Euro Kirchensteuer eingenommen werden. Die Kirchensteuer beträgt in den meisten Bundesländern 9% der Einkommensteuer. Der Betreffende müsste also in diesem Beispiel über 11.000 Euro Kapitalertragssteuer zahlen, damit das Finanzamt nicht auf seinem Aufwand sitzen bleibt. Die Kapitalertragssteuer beträgt bei Kirchensteuerzahlern 24,5% der Kapitalerträge. (Die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kirchensteuer führt dazu, dass es weniger als die eigentlichen 25% sind.)

Der Betreffende müsste also über 45.000 Euro Kapitalerträge pro Jahr erzielen, damit das Finanzamt seinen Aufwand (hier angenommen: 30 Euro) abgegolten bekäme. (In Bayern, wo die Kirchensteuer nur 8% beträgt und die Hebegebühr nur 2%, müssten die Kapitalerträge über 76.500 Euro betragen.)

Das dürfte nur in den seltensten Fällen der Fall sein. Die Kirchen weisen ja selbst darauf hin, dass die Kirchensteuer auf Kapitalerträge oft nur einige oder einige zig Euro beträgt.

Das ist aber noch nicht das größte Problem: Da die Finanzämter chronisch unterbesetzt sind, entzieht der Aufwand für die zusätzlichen Steuererklärungen den Finanzämtern Arbeitskraft für andere Steuererklärungen und -prüfungen, mit denen die Ämter sicher mehr Erträge erzielen könnten als mit der Gebühr, die sie für die zusätzlich anfallenden Steuererklärungen wegen der Kirchenkapitalertragssteuer erhalten. Ein Konflikt ist also vorprogrammiert:

Entweder, die Finanzämter ignorieren die eigentlich vorgesehenen zusätzlichen Steuererklärungen – ja, sie wären gut beraten, die Betreffenden aktiv davon abzuhalten, Steuererklärungen abzugeben. In diesem Fall entginge den Kirchen die ihnen eigentlich zustehende Kirchensteuer auf Kapitalerträge.

Oder die Finanzämter müssen sich tatsächlich mit den zusätzlich abgegebenen Steuererklärungen befassen. In diesem Fall werden der öffentlichen Hand Einnahmeausfälle verursacht, die durch die Hebegebühr für die Kirchensteuer mit Sicherheit nicht gedeckt werden.

Freilich könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass der Zusatzaufwand für die Finanzämter durch die Hebegebühr für die übrige Kirchensteuer auf Kapitalerträge abgegolten sei, wo der Aufwand wesentlich geringer ist, da dort die Banken die Kirchensteuer einbehalten. Dies ändert aber nichts an dem Anreiz für die Finanzämter, den Aufwand für die zusätzlichen Steuererklärungen möglichst gering zu halten.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der zusätzliche Aufwand, den das neue Einzugsverfahren beim Staat und bei den Banken (und Versicherungen und Kapitalgesellschaften) verursacht, überhaupt durch die Hebegebühr gedeckt wird:  Denn so, wie es derzeit aussieht, könnte es durchaus sein, dass aufgrund der vermehrten Kirchenaustritte das Kirchensteueraufkommen gar nicht steigt. Der Staat (und die Unternehmen) hätten dann einen erheblichen Zusatzaufwand, dem überhaupt keine Mehreinnahmen aus der Hebegebühr für die Kirchensteuer gegenüber stünden.

6 Responses to Kirchensteuer auf Kapitalerträge: Neuer Ärger vorprogrammiert

  1. Vimar sagt:

    Ist nun die Frage, wie lange das die Poli†ik mitmacht. Der Druck müsste sicher noch wachsen, damit Konsequenzen gezogen werden, oder?

    • Skydaddy sagt:

      Die Frage ist, wie viele zusätzliche Steuererklärungen anfallen. Wenn es pro Finanzamt nur ein paar sind, kann man die mit machen. Wenn das aber nennenswerten Aufwand verursacht, wird den Finanzämtern das Hemd näher sein als der Rock. Am einfachsten wäre es für die Kommunen, wenn möglichst viele aus der Kirche austräten. Vielleicht entscheiden sich einige Kommunen ja, die Kirchenaustrittsgebühr wieder abzuschaffen. (Wobei ich nicht weiß, ob die auf kommunaler Ebene oder vom Land festgelegt wird.)

      • Gerry sagt:

        in BaWü wird die Gebühr wohl von der Kommune festgesetzt.

        http://www.kirchenaustritt.de/bw/tabelle.htm

        In anderen Ländern scheint es landeseinheitlich geregelt zu sein.

        Und für die Kommunen wäre es durchaus finanziell vorteilhaft, möglichst viele Austreter zu haben.
        Einerseits wegen der Gebühren die ja über dem tatsächlichen Arbeitsaufwand liegen. Andererseits weil durch die dann wegfallende Steuerersparnis durch die Kirchensteuer das Einkommensteueraufkommen in der Gemeinde steigt und damit auch die Zuweisungen aus der Einkommensteuerverteilung auf die Gemeinden (1).

        Leider ist dieser Zusammenhang vielen nicht bekannt.

        (1)
        hier am Beispiel BaWü beschrieben:

        Klicke, um auf Broschuere_Gemeinden_Einnahmen_2012.pdf zuzugreifen

      • Skydaddy sagt:

        Hi Gerry,

        das ist sehr interessant! Vielen Dank!

  2. klafuenf sagt:

    Im 2 Absatz ist der Satz widersprüchlich. Wer die Sperrvermerkerklärung abgegeben hat (aus Prinzip, wie ich) und nicht krischenteuerpflichtig ist, braucht deswegen nicht eine Steuererklärung zu machen. Nur wer Bankabnutzungsgebühr bezahlt, aber den Sperrvermerk erklärt hat, muss eine Steuererklärung machen.

    • Skydaddy sagt:

      Mir ist nicht klar, was Du mit „Bankabnutzungsgebühr“ meinst. (Kirchenbank-Abnutzungsgebühr?) Du hast allerdings Recht: Nur wer kirchensteuerpflichtig ist, muss die Steuererklärung abgeben. Ich werde das gleich anpassen. Danke für den Hinweis.

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