Missbrauchsopfer: „Die tun nichts, die wollen nur reden“

J. P. Morgan (1837-1913), der einflussreichste Banker seiner Zeit, soll einmal gesagt haben:

„Ein Mensch hat immer zwei Gründe dafür, warum er irgendetwas tut: Einen edlen Grund und den wahren Grund.“

Dieses Zitat kommt einem unweigerlich in den Sinn, wenn man sich anschaut, zu welchen „Erkenntnissen“ die deutschen Bischöfe bisher im Hinblick auf ihre Leitlinien und den Umgang mit sexuellem Missbrauch in katholischen Einrichtungen gekommen sind:

Keine Meldepflicht

Eine Meldepflicht für Fälle von sexuellem Missbrauch wird unter Hinweis auf die Opferbelange abgelehnt: Dadurch könnten Opfer von einer Meldung abgehalten werden, weil diese eine polizeiliche Ermittlung nach sich ziehen würde:

„Denn es muss vor allem darum gehen, bei allem Respekt vor den berechtigten Interessen des Staates, den Schutz und die Bedürfnisse der Opfer vorrangig zu sehen und zu respektieren.“ (DBK, Hervorhebung von mir.)

Zu der logischen Konsequenz, nämlich einer grundsätzlichen Meldepflicht mit Vetorecht des Opfers, scheinen sich die deutschen Bischöfe allerdings noch nicht haben durchringen können. (Die bayerischen Bischöfe sind hier ausgenommen: Sie haben sich für eine Meldepflicht ausgesprochen.)

Keine finanzielle Entschädigung

Zahlungen an die Opfer werden vehement abgelehnt: Die bisherigen Leitlinien sehen „menschliche, therapeutische und pastorale Hilfen“ vor – also keine finanziellen. Finanzielle Unterstützung therapeutischer Maßnahmen ist im Einzelfall möglich, Entschädigungen oder Wiedergutmachungszahlungen sind nicht vorgesehen. Der Sonderbeauftragte der deutschen Bischofskonferenz, Bischof Ackermann, glaubt zu wissen, dass die Opfer gar keine Entschädigung wollen:

Der Beauftragte für Fälle sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, Stephan Ackermann, geht nicht davon aus, dass die Missbrauchsopfer finanzielle Entschädigung verlangen. „Sie wollen über ihr Schicksal sprechen“, sagte der Trierer Bischof in einem epd-Gespräch in Trier. Den Opfern sei vor allem wichtig sicherzustellen, dass „die Kirche“ ihre Geschichte erfahre. Die katholische Kirche werde aber für die Kosten möglicher therapeutischer Hilfe aufkommen, versprach Ackermann. Alle Einzelfälle würden geprüft. [epd]

Während bei der Meldepflicht die Opfer davor geschützt werden sollen, ihre traumatischen Erfahrungen im Zuge einer polizeilichen Ermittlung noch einmal durchleben zu müssen, ist die Kirche bei der „Einzelfallprüfung“ (ob Therapiekosten übernommen werden) offenbar bereit, dies hinzunehmen.

Allerdings scheint Ackermanns Auffassung „Die tun nichts, die wollen nur reden“ nicht von allen Bischöfen geteilt zu werden. Der Mainzer Bischof Lehmann hält die Forderung nach finanzieller Entschädigung für „verräterisch“: „Hier ist auch die Begehrlichkeit nach Geld nicht zu übersehen, wie übrigens der Runde Tisch um die Heimkinder, aber auch ein Blick in die Situation der USA und Irlands zeigt.“ (Rhein-Zeitung) Da sexueller Missbrauch schwerste Schäden anrichten könne, sei die Forderung „Ich will endlich Geld sehen, viel Geld“ eine Verkennung „des ethischen Schwergewichts einer solchen Verfehlung und auch der Formen möglicher Wiedergutmachung“. (SWR, Hervorhebung von mir.). Es könne keine pauschalen Zahlungen geben, „die die Vergehen wie auf einer Preisliste aufzählt“. (Rhein-Zeitung)

Die Bischöfe wollen nicht zahlen – aber angeblich nicht, weil sie nicht zahlen wollen, sondern weil die Opfer lieber „über ihr Schicksal sprechen“ wollen (Ackermann) oder weil Forderungen nach Geld eine Verkennung „des ethischen Schwergewichts einer solchen Verfehlung“ seien. Liebe Missbrauchsopfer, über eure Bedürfnisse befindet die Kirche. J. P. Morgan lässt grüßen!

Keine öffentliche Entschuldigung

Über die ablehnende Haltung der Bischöfe gegenüber der Meldepflicht und Zahlungen an die Opfer hatte ich ja neulich schon gebloggt; nun hat gestern Bischof Ackermann einen eine weitere „Erkenntnis“ bekannt gegeben, dieses Mal in Bezug auf die Möglichkeit einer öffentlichen Entschuldigung: Ackermann hält es für „problematisch“, sich „für die Taten vergangener Generationen zu entschuldigen“. (Haben die deutschen Bischöfe deshalb einen ihrer jüngsten zum Missbrauchsbeauftragten gemacht?)

Und wieder müssen die Opferbelange dafür herhalten:

„Fachleute aus der Opferarbeit haben mir gesagt: Verantwortlich sind die Täter. Die individuelle Schuld könnte durch eine Entschuldigung der Institution Kirche vernebelt werden.“ [FOCUS ONLINE]

Eine interessante Auffassung für eine Institution, die lehrt, dass noch heute alle Menschen schuldig sind, weil vor 6.000 Jahren mal jemand in einen Apfel gebissen haben soll. Eine Institution, die Wikipedia zufolge erst 1965 von der Auffassung abgerückt ist, die Juden seien ein Volk von Gottesmördern; kein anderer als Dietrich Bonhoeffer stellte noch 1933 fest:

„Niemals ist in der Kirche Christi der Gedanke verloren gegangen, daß das ‚auserwählte Volk‘, das den Erlöser der Welt ans Kreuz schlug, in langer Leidensgeschichte den Fluch seines Leidens tragen muss.“ [Wikipedia]

Freilich waren es hier wieder andere, die den Fluch ihrer (angeblichen) Tat über Jahrhunderte tragen mussten – nicht die Katholische Kirche, die z.B. noch heute die Privilegien aus dem Reichskonkordat mit der Hitler-Regierung (ebenfalls aus dem Jahre 1933) ohne Scham genießt. Und was die von Ackermann beschworene „Vernebelungsgefahr“ angeht: Wenn es ihren eigenen Interessen dient, sind Bischöfe Meister im Vernebeln: hier und hier.

In dem gleichen Interview meint Ackermann: „Glaubwürdigkeit und Transparenz sind in der jetzigen Situation das oberste Gebot.“

Was die Transparenz angeht: Das Verweisen der Bischöfe auf die vermeintlichen Opferbelange ist schon durchsichtig genug. – Danke, davon brauchen wir nicht noch mehr. Was ihre Glaubwürdigkeit angeht, so könnten die Bischöfe diese erhöhen, wenn sie die Opferbelange an anderer Stelle auch einmal tatsächlich berücksichtigen würden – und nicht immer nur davon sprechen würden, wenn es darum geht, Forderungen abzublocken.

7 Responses to Missbrauchsopfer: „Die tun nichts, die wollen nur reden“

  1. Andreas P sagt:

    Ich muss hier dem Rat an Ackermann („Was ihre Glaubwürdigkeit angeht, so könnten die Bischöfe diese erhöhen, wenn sie…“) doch in Frage stellen: Glaubwürdigkeit und katholisches Bischofsamt gehen in etwa so zusammen wie Keuschheit und Straßenprostitution.

    Ackermann sieht es völlig richtig: Selbst wenn die Kirche von ihrer Beute etwas an ihre Opfer abgeben würde – handelte es sich um angemessene Beträge, wäre danach keine Kirche mehr übrig, um deren Glaubwürdigkeit man sich sorgen machen müsste. Und das übriggebliebene katholische Fußvolk glaubt überwiegend sowieso alles und bleibt auch ohne einen Pfennig Zahlungen bei der Stange.

    Ein bisschen Reue heucheln, um der kirchenhörigen Kanzlerin die Stichwörter und Begründungen fürs weitere Nichtstun vorzulegen, aber ansonsten Augen & Geldbeutel zu und durch – das ist aus Kirchensicht die sinnvollste Strategie.

  2. Schwabe sagt:

    Eilmeldung: Keine Ermittlungen gegen Mixa wegen sexuellen Missbrauchs. Vorwürfe waren Quatsch.

    Die aktiven Mitglieder des Zeitgeist-movements sind enttäuscht darüber, dass die Nonne von Mixa nicht missbraucht wurde und sie nicht weitere unbedarfte Mitläufer für den Kirchensturm aktivieren können. Die anderen antiklerikalen Themen sind so abgegriffen!

  3. emporda sagt:

    Glaubwürdigkeit und katholisches Bischofsamt gehen in etwa so zusammen wie Keuschheit und Straßenprostitution.
    ——————–
    Es geht diesen Menschen nicht ein, dass ihr absolutes Positiv-Geschwurbel jedwede Lösung der Krise verhindert. Bei großen Projekten, von denen ich einige geleitet habe, gibt es mindestens jede Woche eine Katastrophe. Dann setzen sich die Betroffenen zusammen, alle Fakten kommen ungeschminkt auf den Tisch und man berät ohne Tabus bis eine Lösung gefunden ist. Seelchen, die schnell in Tränen ausbrechen oder sich diskriminiert fühlen, sind für ein hartes Geschäftsleben unbrauchbar – sie verwechseln permanent Kritik an der Sache mit Kritik an ihrer Person.

    Teilnehmer solcher Beratungen, die nur positiven Schleim absondern, sind vollkommen kontraproduktiv. Nicht nur dass sie den Betroffenen die Zeit stehlen, ihr voraus eilender Kadavergehorsam bezeugt eine interlektuelle Unfähigkeit klar Stellung zu beziehen, eine Postition gegen Kritik konsequent zu vertreten und dazu auch kritisch zu denken.

    Eine Organisatioon wie die RKK, die dogamtisch abgesichert die ewige Wahrheit gepachtet hat und auf absoluten Gehorsam pocht, produziert und akzeptiert nur Schleimer, Kriecher und Arschlecker. Wer das nicht kann, der fliegt und wird nach 8 Jahren Theologiestudium Parkplatzwächter. Das ertragen nur Menschen mit einem Charakter wie ein Wackelpudding oder Schleimpilz.

  4. Schwabe sagt:

    Wirklich primitiv, was du schreibst und unnötig abgehoben. Wer bist Du eigentlich? Eine ganz normale Nummer, wie jeder Durchschnittsmensch. Du bist geschäftlich erfolgreich? Oder bist Du einer dieser besonders wichtigen Meeting-Fritzen? Führst Du ein eigenes Unternehmen und hast Verantwortung für andere, wie Personen, die hier mit schreiben? Personen, die sich unnötig hervor heben, sind abstoßend.

    Genauso von kräftiger Unkenntnis strotzend ist deine Beschreibung der „RKK“. Wer solchen Stuss schreibt, gehört einem Parkplatzwächter unterstellt.

    Nichts für ungut, aber was wahr ist, ist wahr. Wenn Du sachlich schreiben kannst, kannst Du auch eine sachliche Reaktion erhalten.

  5. emporda sagt:

    Schwabe sagt:
    2. Juni 2010 um 6:28 pm

    Deine Stellungnahme ist interassant, spiegelt sie doch den geistigen Horizont und Hintergrund. Es geht nicht um „Meeting-Fritzen“ wie du sagst, sondern um Verantwortliche in industriellen Großprojekten – das sind z.B. Geschäftsführer, Prokuristen von Firmen, die Hunderte und Tausende Arbeitnehmer haben.

    Die Verhaltensmuster der Menschen sind sehr unterschiedlich. Gläubige (Christen) haben nach vielfachen soziologischen Studien ein IQ<95 und sind eher infantil, einfältig bis saudumm. Darunter agieren nur noch Chaoten, Glatzköpfe mit Springerstiefeln und NPD-Anhänger mit einem IQ<65.

    Solchen Menschen sind Zwänge aus der Geschäftswelt suspekt, sie verstehen sie nicht aber kritisieren sie.
    Das geht dann nach der Devise – ich habe zwar absolut keine Ahnung, es hört sich aber toll an.

  6. Schwabe sagt:

    Wäre sehr dankbar, eine Quelle der „vielfältigen soziologischen Studien“ zu erhalten, wonach Christen unter 95 IQ-Punkte besitzen.

    Weiß nur, dass Christen länger und gesünder leben, sich weniger scheiden lassen, mehr Verantwortung in der Gesellschaft tragen und mehr für die Allgemeinheit beitragen – darüber gibt es „vielfältige soziologische Studien“.

    Im übrigen kann ich Dich, tut mir furchtbar leid, nicht ernst nehmen. Manche Theologieprofessoren, die wir an der Uni gehabt hatten, waren die angesehensten Dozenten. Die Hörer kamen aus allen Fakultäten, die Hörsäle waren rappelvoll.

    Deine doch recht einfältige Einschätzung der Angehörigen der „RKK“ lässt den Rückschluss zu, dass Du selbst in einer Deiner erwähnten soziologischen Studien als Christ getestet worden sein und zu dem schlechten Gesamtergebnis beitragen haben musst.

    Du hast keine Ahnung, was in der Kirche los ist! Die Kirchenmitarbeiter sind keine Schleimer und Kriecher. Es gibt in der Kirche unterschiedliche Personen, wie überall, von Überfliegern und Managern bis zu esoterischen Geistern. Keineswegs ist es in der Kirche mit dem Gehorsam so bestellt wie bei den Teilnehmern in Deinen meetings, die von dir fertig gemacht werden. Besuche einfach ein Jahr lang kirchliche Organisationen und dann sprechen wir uns wieder.

    Die NPD-Anhänger unterschreiben mehrheitlich Eure Thesen.

  7. […] stammt zwar von Zollitschs Kollegen Lehmann (der es dreisterweise quasi Missbrauchsopfern in den Mund legte, die die Frage nach finanzieller Entschädigung anzusprechen wagen), es passt aber auch gut zum […]

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