Gestern hatte ich in einem Artikel zu Kreuzen in Gerichtssälen bereits aus Gerhard Czermaks Buch „Religion und Weltanschauung in Gesellschaft und Recht“ zitiert.
Heute habe ich ein Interview mit Dr. Czermak zu dem Thema durchgeführt und er hat mir freundlicherweise gestattet, hier den kompletten Eintrag zum „Kreuz in Amtsräumen“ zu veröffentlichen:
Kreuz in Amtsräumen
I. Grundwiderspruch. Das christliche Hauptsymbol als Ausstattungsgegenstand in staatlichen und anderen, insbesondere kommunalen, Amtsräumen der öffentlichen Hand wie Ratssälen, Gerichtssälen und Gefängnissen ist in weiten Teilen der Bundesrepublik, oft flächendeckend, verbreitet. Das kommt auch in zahllosen Zeitungs- und Fernsehberichten sowie Filmen, auch Gerichtsreportagen, zum Ausdruck, in denen das Kreuzsymbol gern auffällig oder zwangsläufig ins Bild gesetzt wird. Dieser nur selten problematisierte Tatbestand ist nicht einfach folkloristisch, sondern deswegen erstaunlich, weil er in unauflösbarem Widerspruch zur rechtlichen Verfasstheit der Bundesrepublik Deutschland steht. Die Bundesrepublik ist unbestritten ein Staat, der sich nicht religiös definiert, dessen Staatszweck rein weltlich ist und in dem (theoretisch) alle Bürger unabhängig von ihrer religiös-weltanschaulichen Einstellung gleiche Rechte haben. Der Staat muss insoweit neutral, d. h. unparteilich sein. Er muss zu allen derartigen Richtungen gleiche Distanz wahren bzw. sie ggf. nach gleichen Kriterien fördern. Das alles ist an sich selbstverständlich und wird nie generell bestritten. Das Neutralitätsgebot ergibt sich eindeutig aus dem gesamten Komplex der religionsrechtlichen Regelungen des GG (s. unter Neutralität) und gilt ausnahmslos in allen Bundesländern mit Vorrang gegenüber ggf. anderslautenden bzw. missverständlichen landesrechtlichen Regelungen (vgl. Art. 31 GG).