Gestern hatte ich ja etwas über Prof. Kröber geschrieben – den Kriminalpsychiater, der die Argumentation in die Welt gesetzt hatte, nichtzölibatär lebende Männer würden mit einer 36mal höheren Wahrscheinlichkeit zu Missbrauchstätern als katholische Priester.
Wenn ich Personen hier kritisiere, maile ich sie in der Regel an, um meine Kritik auch noch einmal direkt anzubringen – aber auch, um ihnen die Gelegenheit für eine Stellungnahme oder Richtigstellungen zu geben.
Bei dem gestrigen Artikel ging es mir weniger um Prof. Kröber als um die Berichterstattung, deshalb hatte ich ihn nicht kontaktiert. Nachdem mir allerdings in einem Kommentar jemand vorwarf, ich hätte selektiv zitiert (was ich nach wie vor nicht finde), dachte ich, ich maile Prof. Kröber an, ob er etwas beizusteuern hat.
Er hat mir auch umgehend und sehr freundlich geantwortet. Und nicht nur das – er hat mir erlaubt, seine Mail hier zu veröffentlichen. (Im Vergleich zu den Leuten, mit denen er beruflich zu tun hat, erscheine ich ihm vermutlich noch nett. ;-))
Ich muss mich ja hier im Blog auf bestimmte Kritikpunkte konzentrieren. Dadurch besteht die Gefahr, dass Sachverhalte, aber auch Personen, im Zuge meiner Artikel auf eben jede Kritikpunkte reduziert werden, was letztlich zu einem Gut-Böse-Schema oder Schwarz-Weiß-Denken führen könnte.
Deshalb freue ich mich über die Möglichkeit, Prof. Kröber selbst zu Wort kommen zu lassen. Er schrieb mir heute, am 26.2.2010, per E-Mail:
Lieber Herr Krause,
offenbar gehört es zu Ihren Glaubenssätzen, dass sich alle Menschen kaufen lassen und zwar von jedem, der ihnen jemals für irgendeine Dienstleistung Geld gegeben hat. Selbstverständlich bin ich von der kathol. Kirche unabhängig, ich bin nicht katholisch und stehe in keinem Dienstverhältnis mit ihr. Die Reise in den Vatican 2003, von der die ZEIT durchaus berichtet hat, war nicht gegen Honorar, sondern reine Flugkostenerstattung plus kostenlose Unterbringung, und die ZEIT schreibt auch, dass Verdachtsfälle von einer kleinen Gruppe renommierter Gutachter begutachtet werden. Zu der gehöre natürlich auch ich, ich habe in 6 Jahren 3 Fälle begutachtet, also 0,5 Fall pro Jahr, und dafür die übliche Vergütung anhand Zeitaufwand kassiert. Im gleichen Zeitraum habe ich zu den gleichen, gesetzlich (ZVEG) vorgegeben Vergütungssätzen ein Vielfaches von Gutachten für Staatsanwaltschaft und Gerichte gefertigt, ohne dass ich deswegen von einer Staatsanwaltschaft oder einem Gericht abhängig geworden wäre. Ich habe Sachbuch-Rezensionen für die FAZ geschrieben, ohne dass ich von der FAZ abhängig wäre.
Ich habe übrigens den scheinheiligen Spiegel* nicht gelesen und habe auch schon aus Zeitgründen nicht die Absicht, Blogs zu lesen. Ich habe volles Verständnis, dass jetzt alle Kirchen- und Religionsfeinde auf den Beinen sind und begeistert losschlagen, teils mit minimalem geistigen Aufwand, das berührt mich nicht; die antireligiösen Argumente sind seit Jahrhunderten bekannt und interessieren mich nicht, ich bin Atheist. Mich interessiert, dass die Debatte ablenkt von den wirklichen Pädophilen und den wirklichen gegenwärtigen Gefahren für Kinder, ich kenne viele hundert Täter (die ich gegen Vergütung, nicht gegen Gotteslohn, für staatliche Stellen begutachtet habe), und ich weiß, dass die Gefahr nicht von verstorbenen und dementen Ordensleuten ausgeht. Wenn von den 150 Fällen, die Frau Raue gesammelt hat, nur 1 nicht verjährt und verfolgbar ist (bei immerhin Verfolgbarkeit bis zum Alter von 28 Jahren des Opfers, 18 .Geburtstag plus 10 Jahre), wie sie gesagt haben soll – ein Junge wurde nackt photographiert – dann sagt das viel über vergangene verklemmte Zeiten, denen durch die sexuelle Normalisierung in den 60er/70er Jahren ein heftiger Änderungsdruck folgte; interessant wäre die gegenwärtige Situation, und das werden wir Fall für Fall klären und gegen Jahresende berichten. Nur dann wird sich keiner mehr dafür interessieren, weil dann gerade eine andere Kampagne laufen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Kröber
Anmerkung:
* Wenn Prof. Kröber vom „scheinheiligen Spiegel“ schreibt, dann spielt er vermutlich auf den Titel „Die Scheinheiligen“ der betreffenden Ausgabe an. Ich glaube nicht, dass er dem Spiegel Scheinheiligkeit unterstellen will.