Müllers manipulierter Predigttext

23. März 2010

Scheinheiliger geht’s nimmer!

Letzte Woche veröffentlichte Bischof Müller aus Regensburg ein Hirtenwort, in dem er sich zu der Behauptung verstieg, in den Medien werde mit „krimineller Energie“ eine „Hetze“ verursacht, um „die ganze katholische Kirche und ihre Einrichtungen in Misskredit zu bringen.“ Die Medien lieferten ein „Zerrbild jenseits aller Realität“.

Am Sonntag sagte Müller dann in einer Predigt (laut dem Bayerischen Rundfunk, der die Predigt aufgezeichnet hat):

Auch jetzt erleben wir wieder eine Kampagne gegen die Kirche. […]

Es geht darum heute, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu erschüttern. Das ist das Ziel dieser Kampagne gegen die Kirche. Die Leute, die vorm Fernsehen sitzen, die Zeitung aufschlagen, denen wird dann suggeriert, und sie werden manipuliert durch zurechtgestutzte und verkürzte Berichte […]

Ausgerechnet Müllers Predigt hat das Bistum auf seiner Website offenbar „manipuliert“ durch eine „zurechtgestutzte und verkürzte“ Fassung:

Nachdem Kritik daran laut geworden war, dass Müller in seiner Predigt die von ihm wahrgenommene „Medienkampagne“ in die Nähe antikirchlicher Nazipropaganda gerückt hatte, – unmittelbar vor dem obigen Predigtzitat hatte er nämlich über den Widerstand gegen den sog. „Kruzifix-Erlass“ der Nationalsozialisten von 1941 gesprochen, wenige Wochen zuvor hatte er anlässlich des SPIEGEL-Titels „Die Scheinheiligen“ bereits an die antikirchliche Kampagne der Nazis erinnert – da veröffentlichte das Bistum auf seiner Internetseite eine Fassung von Müllers Predigt ohne das Wörtchen „wieder“. (In der Mitschrift des Bayerischen Rundfunks ist es allerdings vorhanden.)

In der Bistumsfassung heißt es „Auch jetzt erleben wir eine Kampagne gegen die Kirche“ anstatt „Auch jetzt erleben wir wieder eine Kampagne gegen die Kirche.“

Außerdem soll Müllers Pressesprecher Clemens Neck der Süddeutschen Zeitung zufolge versucht haben,

die Berichterstattung über die Predigt zu verhindern: „Keine Freigabe der Bänder möglich. cn“, erhielt die BR-Reporterin eine sms. Jetzt nennt Neck die Berichterstattung des BR eine „fälschende Verzerrung“.

Wie gesagt: Der Pressesprecher des Bischofs, der Manipulation „durch zurechtgestutzte und verkürzte Berichte“ geißelt.

Zu Müllers Gebaren gibt es so viele Redensarten und Bibelsprüche, dass ich sie mir hier spare. Aber einen Frage habe ich doch:

Müller unterhält ja eine eigene Website: www.bischofmueller.de, bzw. www.bischofgerhardludwigmueller.de. Dort erfährt man, dass „Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Gerhard Ludwig Müller“ auch „Honorarprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München“ ist.

Meint die Ludwig-Maximilians-Universität eigentlich, dass „Prof. Müller“ weiterhin als Dozent tragbar ist? (Zumal er sich wiederholt durch Halbwissen hervorgetan hat.)


Nazi-Kampagne: Wovon spricht Bischof Müller eigentlich?

23. März 2010

Update: Einem Artikel der Süddeutschen Zeitung zufolge soll das Bistum Müllers Predigttext im Internet derart geändert haben, dass es dort nun heißt, wir erlebten heute „eine Kampagne gegen die Kirche“ – anstatt: „wieder eine Kampagne gegen die Kirche“. (S.u.)

Update: Die entsprechende Passage aus Müllers Predigt entsprechend der BR-Mitschrift.

Kirchenkampf 1941

Der Regensburger Bischof Müller (http://www.bischofmueller.de/) hat seiner Predigt am Samstag, 20.03.2010 im Dom zu Regensburg anlässlich der Hundertjahrfeier des Katholischen Deutschen Frauenbundes in der Diözese Regensburg zunächst auf die Rolle des Frauenbundes beim Widerstand gegen den „Kruzifix-Erlass“ der Nazionalsozialisten 1941 hingewiesen. Der Hintergrund ist folgender:

In einem Erlass des bayrischen Kultusministers Adolf  Wagner wird die Entfernung des Kreuzes aus den bayrischen Schulen angeordnet.

Wagner, seit 1923 Mitglied der NSDAP, schreibt in der Anordnung: „Gleichzeitig weise ich darauf hin, dass kirchlicher Bilderschmuck, auch wenn er künstlerischen Wert besitzen sollte, sowie Kruzifixe in der Schule am falschen Platze sind; ich ersuche daher Sorge dafür zu tragen, dass solcher Wandschmuck allmählich entfernt oder durch zeitgemäße Bilder ersetzt wird.“

Die bayrische Bevölkerung reagiert auf den Erlass mit Wut und Empörung, die sich in Unruhen, Boykotten und Demonstrationen entladen. Bauern verweigern die Milchlieferung, Eltern versperren Schuleingänge oder schicken ihre Kinder nicht mehr zum Unterricht. Die Entfernung der Kreuze kann so vielerorts verhindert werden.

Michael von Faulhaber, Kardinal von München und Freising, protestierte bei Wagner persönlich gegen dieses neue Vorgehen zur Vernichtung des Christentums im öffentlichen Leben. Am 28. August ordnet Wagner in einem Geheimerlass die Einstellung der gescheiterten Kruzifix-Aktion an. Er macht für den Fehlschlag teils die gut organisierte Gegenpropaganda der Geistlichkeit, teils die politisch falsche ­bzw. übereifrige Handlungsweise von Lehrkräften verantwortlich. [Angaben zur Quelle unten, Links im Text von mir.]

Darauf bezog sich Müller also, als er predigte:

In einer großen Krisensituation – 1941 – haben die Frauen unseres Frauenbundes in Regensburg und in Amberg gegen die damals triumfierende, nationalsozialistische Bewegung, diese neuheidnische Ideologie, christentumsfeindliche, menschenfeindliche Ideologie gewandt. Es war in unserem Bistum in Regensburg mit 1000 Personen, meist aber Frauen, und in Amberg mit 500 Teilnehmern – auch meistens Frauen -, waren es die größten, öffentlichen Demonstrationen gegen dieses nationalsozialistische Unrechtssystem. Denen mit ihrem titanischen Wollen, mit ihrem Aufbegehren gegen Gott, dem Nicht-Dienen-Wollen, Sein-Wollen wie Gott, sich selber an die Stelle Gottes setzen wollen in dieser Ideologie, war natürlich das Kreuz Jesu Christi. Jesus Christus, der für uns am Kreuz aus Liebe für und Menschen gestorben ist, ein Dorn im Auge. Darum der Erlass, alle Kreuze – Bildnisse Christi des gekreuzigten Herrn – müssen aus den öffentlichen Schulen heraus, aus allen öffentlichen Gebäuden heraus muss Christus verschwinden.

Eine große Krisensituation 1941 war für Müller also das Entfernen von Kreuzen – während der Zweite Weltkrieg tobte und die Judenverfolgung laut Wikipedia bereits folgendes Ausmaß angenommen hatte:

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E-Mail an Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck (Darwin und die Nazis)

5. Januar 2010

Sehr geehrter Herr Bischof,

ich beziehe mich auf Ihre Neujahrspredigt, wie sie auf katholisch.de zu lesen ist.

Dem Text zufolge haben Sie gesagt:

Im Jahr 2009 haben wir eines anderen Datums, das eng mit diesem Thema verbunden ist, gedacht, nämlich des Jahres 1859, in dem Charles Darwin in England sein folgenreiches Buch „Über die Entstehung der Arten“ publizierte. […] Die Wirkungsgeschichte dieser Theorie hat – bis in fatalste politische Entwicklungen hinein – eine gute wie eine ganz monströse Anwendung gefunden wie Wirkung entfaltet. So hat sie bekanntlich als Rechtfertigungsideologie nationalsozialistischer Rassenpolitik ebenso gedient, wie als Begründungskern moderner, sozialdarwinistischer Theorien. Aber auch jenseits davon hat sie das früheren Generationen völlig fremde Bewusstsein geweckt, schnell selbst machen zu wollen, wozu die Natur eine halbe Ewigkeit gebraucht hat.

Die Behauptung, die Nazis hätten Darwins Theorie zur Rechtfertigung benutzt, wurde in den vergangenen Jahren im englischsprachigen Raum zweimal ausführlich diskutiert: 2008 anlässlich des kreationistischen Propagandafilms „Expelled – No Intelligence Allowed“ und erst kürzlich, als der kreationistische Propagandist Ray Comfort eine Spezialausgabe von Darwins „The Origin of the Species“ kostenlos an Universitäten verteilte – mit einem 50-seitigen Vorwort von Comfort, in dem Darwin u.a. Rassismus vorgeworfen wird. Das US-amerikanische National Center for Science Education (NCSE) betreibt “Richtigstellungs-Webseiten” zu Expelled und Ray Comforts „Origin of Species“.

Mir ist nicht bekannt, dass es für die Behauptung, die Nazis hätten sich auf Darwin berufen, Belege gäbe. Rassismus gab es bekanntlich schon vor Darwin.

Mich wundert allerdings, dass sich ein deutscher Bischof ein Argument (oder besser: einen „Talking Point“) von Kreationisten zu eigen macht.

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Papst: Nazis wollten Gott verjagen

22. Dezember 2009

Der Vatikan bereitet die Selisprechung von Papst Pius XII. vor. Das ist der Papst, der – noch als Kardinalstaatssekretär Pacelli – das Reichskonkordat mit der Hitler-Regierung abschloss. Kritiker werfen ihm vor, im Hinblick auf die Nazi-Verbrechen zu untätig gewesen zu sein.

Als Schritt hin zur Seligsprechung hat Papst Benedikt XVI. seinem Vorgänger am Samstag den „heroischen Tugendgrad“ zuerkannt. Von jüdischer Seite kam es deshalb zu Kritik.

Daraufhin verurteilte Benedikt XVI. die Verbrechen der Nationalsozialisten mit dem Hinweis, diese hätten letztlich versucht, „Gott von der Erde zu verjagen, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Gott von Jesus Christus“. Außerdem weist der Vatikan darauf hin, dass Pius XII. vielen Juden das Leben gerettet habe, indem er ihnen in kirchlichen Institutionen Schutz gewähert habe.

„Gott mit uns“ auf dem Koppelschloss

Leider ging der Papst nicht auf den Umstand ein, dass die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) sich in ihrem Parteiprogramm ausdrücklich zu einem „positiven Christentum“ (ohne speziellen Konfessionsbezug) bekennt und die Wehrmachtssoldaten den Spruch „Gott mit uns“ auf dem Koppelschloss hatten. Dies mutet ja etwas seltsam an für Leute, die Gott von der Erde verjagen wollen.

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