Leitlinien: Schwächen und Kirchensprech

21. Juni 2010

Anlässlich der gegenwärtigen Beratungen der Deutschen Bischofskonferenz und womöglich der Präsentation der überarbeiteten Leitlinien möchte ich auf ein Paar Blog-Artikel von mir hinweisen, in denen ich Schwächen der bisherigen Leitlinien und Wissenswertes zum „Kirchensprech“ aufzeige:

Außerdem sei noch einmal auf den ausführlichen und fachkundigen Artikel von Peter Jamin in der Mitgliederzeitschrift der Gewerkschaft der Polizei hingewiesen: Die Leid-Linien der katholischen Kirche (Pressemitteilung der GDP hier).

Um die Erklärungen der Deutschen Bischofskonferenz bei der Vorstellung der überarbeiteten Leitlinien angemessen würdigen zu können, empfiehlt sich übrigens, mal die Nachrichten von September 2002 zu recherchieren, als die Bischöfe die Leitlinien vorgestellt haben. Z.B. schrieb der SPIEGEL darüber:

Regensburg – Gerade war die Debatte um den sexuellen Missbrauch durch Priester über die katholische Kirche hinweggefegt, da gaben sich Deutschlands Bischöfe zerknirscht und reumütig. Fortan gelte „die Fürsorge der Kirche zuerst dem Opfer“ schrieben sie in Leitlinien zum Umgang mit der Sünde. Den Betroffenen werde „menschliche, therapeutische und pastorale Hilfe“ angeboten. Den Opfern solle bei der „Überwindung von Irritationen, Sprachlosigkeit und Trauer“ von „kompetenten Ombudsmännern“ (Kardinal Karl Lehmann) geholfen werden.

Für die überarbeiteten Leitlinien ist bereits angekündigt: Die Opfer sollen mehr im Focus stehen…


Ketzerpodcast: Neue Ausschnitte bei YouTube

30. März 2010

Es sind jetzt wieder Ausschnitte der neuesten Folge auf dem YouTube-Kanal des Ketzerpodcasts, und zwar zu folgenden Themen:

  • Vertuschung und Meldepflicht (1:28)
    Bischof Ackermann gesteht ein, dass vertuscht worden ist. Die bayerischen Bischöfe fordern eine Meldepflicht bei sexuellem Missbrauch.
  • Falsche Tatsachenbehauptungen (1:45)
    Wer stellt falsche Tatsachenbehauptungen auf – die Bundesjustizministerin oder die katholische Kirche?
  • Leid-Linien 1: Gewerkschaft der Polizei kritisiert die Leitlinien der Kirche (9:45)
    Leid-Linien 2 – Die Kirche spielt auf Zeit (2:37)
    Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert das Vorgehen der katholischen Kirche bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch. In ihrer Mitgliederzeitschrift findet sich im April ein vierseitiger Artikel mit dem Titel „Die Leid-Linien der katholischen Kirche“, in dem der Verfasser, Peter Jamin, der Kirche vorwarf, die Strafverfolgungsbehörden zu behindern und auf Zeit zu spielen.
  • Zollitsch unter Beschuss 1 (9:44)
    Report Mainz und die Badische Zeitung berichtete, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, habe in den 90er Jahren als Personalreferent des Bistums Freiburg einen der Pädophilie verdächtigten Priester in den Ruhestand versetzt, ohne die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. Das Bistum reagierte mit einem Dementi, das exakt den gleichen Sachverhalt wiedergab. Außerdem wurde – offenbar wurde kurzfristig eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung von Fällen von sexuellem Missbrauch – auch die Vergangenheit betreffend – eingesetzt
  • Zollitsch unter Beschuss 2: Der Knackpunkt (1:19)
    Matthias erläutert, weshalb Zollitschs damaliges Verhalten Fragen aufwirft.
  • Keine Kontrollinstanz (1:47)
    Die katholische Kirche verfügt zwar über Leitlinien zum Vorgehen bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch – die Einhaltung dieser Regeln wird allerdings nicht kontrolliert.
    Trotzdem gut, dass Gott nicht strafend eingreift.
  • Hirtenbrief: belangloses Geschwätz (3:18)
    Der Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. zum Missbrauchsskandal in Irland.
    Peinlich und schwer zu ertragen.
  • Hirtenbrief: Bezug zur deutschen Kirche (2:15)
    Angeblich soll der Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. zum Missbrauchsskandal in Irland ja auch für Deutschland gelten.
    Ausgerechnet da, wo der Papst zur Überprüfung der kirchlichen Richtlinien aufruft, wendet er sich allerdings ausdrücklich an die Kirche in Irland.
  • Hirtenbrief: Deutliche Worte? (2:12)
    Es war zu hören, der Papst habe in seinem Hirtenbrief zum Missbrauchsskandal in Irland „deutliche Worte“ gebraucht.
    Matthias zeigt anhand Ratzingers Äußerungen zu Homosexualität, wie es klingt, wenn der Papst wirklich deutliche Worte findet.
  • Atheisten ohne moralische Maßstäbe? (0:30)
    Nach Monaten erklärte das Oberhaupt der Katholiken den Gläubigen in seinem Hirtenbrief, dass sexueller Missbrauch eindeutig als Verbrechen zu verurteilen ist.
    Da wären die Podcast-Ketzer nie drauf gekommen.
  • Kirchenaustritte und schwindendes Vertrauen in die Kirche (4:09)
    In Österreich haben die Kirchenaustritte in Folge des Missbrauchsskandals deutlich zugenommen. Wie ist die Entwicklung in Deutschland einzuschätzen?
    Einer Umfrage zufolge sollen nur 10% der Bevölkerung meinen, die Kirche täte genug zur Aufklärung der sexuellen Missbrauchsfälle. Wenn das so bleibt – wer soll dann noch seine Kinder in katholische Einrichtungen schicken?
  • Kindergärtnerinnen werden entlassen, Priester versetzt (1:51)
    Die katholische Kirche hat eigentümliche Maßstäbe: Einer Kindergärtnerin, die unehelich mit ihrem Partner zusammenlebt, droht die Kündigung, während pädosexuelle Priester lediglich versetzt werden.
  • Sammelklagen wegen sexuellen Missbrauchs gegen die Kirche (3:19)
    In Österreich und den USA sollen Sammelklagen gegen einzelne Bischöfe bzw. die katholische Kirche wegen Vertuschung von sexuellen Missbrauchsfällen vorbereitet werden.
  • SPIEGEL-Statistik: Die Liste des Schreckens (2:02)
    DER SPIEGEL veröffentlichte eine „Liste des Schreckens“ – eine Auflistung von Missbrauchsfällen in Deutschland.
    Der offene Brief eines Opfers zeigt, wie diese Statistik von der Kirchenseite geschönt wird.

Gewerkschaft der Polizei: „Ermittler in Priesterrobe“ ersetzen nicht die Polizei

18. März 2010

Passend zur vorigen Meldung hier eine Pressemitteilung der Gewerkschaft der Polizei (GdP):

Berlin, 17. März 2010

Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche:

GdP: „Ermittler in Priesterrobe“ ersetzen nicht die Polizei

Berlin. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die katholische Kirche aufgefordert, die Ermittlungen bei Missbrauchsfällen in kirchlichen Einrichtungen nicht auf eigene Faust durchzuführen, sondern den staatlichen Verfolgungsbehörden zu überlassen. GdP-Vorsitzender Konrad Freiberg: „Die Aufklärung von Straftaten ist Sache derer, die gesetzlich legitimiert sind, dafür ausgebildet wurden und über große Fachkenntnis durch Hunderttausende von Ermittlungs- und Gerichtsverfahren verfügen: Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte. Bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester oder kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen muss unverzüglich Anzeige bei der Polizei erstattet werden.“

In der April-Ausgabe ihres Fachorgans DEUTSCHE POLIZEI setzt sich die GdP kritisch mit den für die innerkirchlichen Ermittlungen maßgeblichen „Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der deutschen Bischofskonferenz“ auseinander, die im Jahre 2002 nach einer Welle von Mißbrauchsfällen in den USA von der Bischofskonferenz erlassen wurden.

Autor Peter Jamin: „Geradezu als Herrscher über Recht und Gesetz positionieren sich die Bischöfe, wenn sie in ihrem Papier bestimmen, wann ein Fall als erwiesen gilt, dem Verdächtigen zu Selbstanzeige geraten und gegebenenfalls das Gespräch mit der Staatsanwaltschaft gesucht wird.“ GdP-Vorsitzender Freiberg: „Hier ersetzt Kirchen-Justiz die des Staates.“

Nach Auffassung der GdP wird durch die Vorgehensweise der Kirche der Opferschutz missachtet. Freiberg: „Bei Opferhelfern, Polizei und Justiz besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass vor allem minderjährige Opfer-Zeugen mit größtmöglicher Behutsamkeit, nicht mehrmals und auf keinen Fall von Laien zum Geschehen befragt werden dürfen. Davon ist in den Leitlinien keine Rede.“

Die Leitlinien der deutschen Bischofskonferenz, so Freiberg, bergen die Gefahr der Vertuschung und Verschleierung. Freiberg: „Die katholische Kirche täte gut daran sich durch ein sofortiges Einschalten der Strafverfolgungsbehörden in solchen Fällen nicht dieses Verdachtes auszusetzen.“


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