Rezension von Heinz-Werner Kubitzas neuem Buch „Der Glaubenswahn: Von den Anfängen des religiösen Extremismus im Alten Testament„.
»Die Bibel ist das am meisten überschätzte Buch der Weltliteratur.« – Zu diesem Ergebnis kommt Heinz-Werner Kubitza in „Der Glaubenswahn“. (Er schreibt selbst: „Der Gotteswahn“ wäre noch treffender gewesen – aber dieser Titel war ja schon vergeben; Anmerkung 2.) Und er belegt dies auf gut 300 Seiten nachdrücklich: Das Alte Testament ist historisch falsch, ethisch inakzeptabel, widersprüchlich, und noch dazu über weite Strecken sterbenslangweilig.
Kubitza zeigt dabei nicht nur, DASS das Alte Testament voll von religiösem Fanatismus und Gewaltfantasien ist, er erklärt auch, warum das so ist. Bücher wie dieses tendieren dazu, selbst etwas ungenießbar zu werden, weil ja nur durch entsprechend viele Zitate belegt werden kann, dass „sperrige“ (Theologendeutsch) Bibelstellen keine Ausnahmen sind, sondern die Regel. Kubitza meistert dieses Problem bravourös und in unterhaltsamer Weise. Dabei kommt ihm seine süffisante Schreibweise zugute, die bereits aus seinen früheren Büchern („Der Jesuswahn„, „Der Dogmenwahn„, „Verführte Jugend„) bekannt ist.
Besonders hilfreich fand ich das Kapitel über die nicht eingetroffenen Prophezeiungen. Angesichts zahlloser Internetseiten, die auf angeblich tausende erfüllte Prophezeiungen pochen, war eine zitierfähige Darstellung über die nicht eingetroffenen Prophezeiungen längst überfällig. Ein paar Tage, bevor dieses Buch erschien, predigte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm bei einer ökumenischen Bibeltagung über den Propheten Jeremia, »der in den geschichtlichen Turbulenzen Israels … immer richtig lag«. Ein kurzer Blick in „Der Glaubenswahn“ (S. 208ff) zeigt, dass Bedford-Strohm mit dieser Behauptung genauso falsch lag wie Jeremia, der z.B. sowohl die Wiedererweckung der David-Dynastie als auch ihr Ende vorhersagte, und eine Ewigkeitsgarantie für die Opfer im Tempel (im Jahr 70 zerstört) abgab. Das Kapitel über die Propheten ist zugleich eins der lustigsten. Wer es gelesen hat, wird Propheten künftig mit anderen Augen sehen.
Ein großer Verdienst scheint mir zu sein, dass der promovierte Theologe Kubitza nicht nur wie andere Autoren (z.B. Bart Ehrman) der Öffentlichkeit das verrät, was Theologen schon lange lernen, aber so gut wie nie predigen (z.B. dass die wesentlichen Geschichten des Alten Testaments nie stattgefunden haben, oder wann die Texte entstanden sind und zusammengestellt wurden), sondern er darüber hinaus auch die Konsequenzen zieht und deutlich sagt, dass das Alte Testament von religiösen Fanatikern – der „Jahwe allein“-Fraktion – verfasst wurden. Er vergleicht diese mit den Taliban, und wer das Alte Testament kennt, wundert sich nicht.
Bei aller Kritik ist Kubitza allerdings ehrlich genug, einzuräumen, dass es tatsächlich eine Prophezeiung gibt, die ohne göttliche Offenbarung kaum zu erklären ist (S. 223).
Kubitza hat sich hier selbst übertroffen und bringt Informationen, die m.W. bisher nirgendwo anders zu finden waren.
Hinweis: Ich hatte auf eigene Nachfrage hin ein Vorab-Exemplar dieses Buches für eine Besprechung im Ketzerpodcast erhalten.