Der NDR thematisiert das „besondere Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe“ („Heidensteuer“) und weist darauf hin, dass man sich dem entziehen kann, indem der keiner steuerberechtigten Kirche angehörige Ehepartner Mitglied beim HVD oder bfg wird.
Ich habe natürlich nichts dagegen, wenn die „Heidensteuer“ die „Heiden“ dazu bringt, sich zu organisieren. Ich will aber noch einmal auf die Verfassungswidrigkeit des besonderen Kirchgelds hinweisen, weil mein Kritikpunkt bisher noch nie vor dem Bundesverfassungsgericht thematisiert wurde:
Das besondere Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe gent zurück auf ein „obiter dictum“ des Bundesverfassungsgerichts, nachdem es 1965 den damals üblichen „Halbteilungsgrundsatz“ (demzufolge bei zusammen veranlagten Paaren, bei denen nur ein Ehepartner Mitglied einer steuererhebenden Kirche war, die halbe Kirchensteuer zu zahlen war) als verfassungswidrige Besteuerung von Nichtmitgliedern für nichtig erklärt hatte (BVerfGE 19, 268 – Kirchenlohnsteuer II, Hervorhebungen von mir):
Es könnte unbillig erscheinen, wenn ein einer steuerberechtigten Kirche angehörender Ehegatte, dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sich durch die Ehe erhöht hat, weil sein — der Kirche nicht angehörender — Ehegatte ein hohes Einkommen bezieht, mangels eigenen Einkommens im Sinne des Einkommensteuergesetzes kirchensteuerfrei bliebe. Wenn diesen Bedenken Rechnung getragen werden soll, müßten, da die Kirche nur den ihr angehörenden Ehegatten besteuern darf, Besteuerungsmerkmale gewählt werden, die in dessen Person gegeben sind. Gegenstand der Besteuerung dürfte dann nicht das Einkommen (im Sinne des Einkommensteuerrechts) des anderen Ehegatten, sondern könnte etwa der“Lebensführungsaufwand” des kirchenangehörigen Ehegatten sein. Die Kirchensteuer müßte dann aber ihrer Höhe nach in angemessenem Verhältnis zu dem tatsächlichen Lebenszuschnitt des steuerpflichtigen Ehegatten stehen; sie dürfte nicht schematisch jeder Veränderung des Einkommens des anderen Ehegatten unbegrenzt folgen, weil jeder normale Lebensaufwand bestimmte Grenzen nicht überschreitet.
So stellt des in dem obigen NDR-Beitrag auch Propst Stefan Block dar:
„Diese finanzielle Leistungsfähigkeit des Kirchenmitglieds speist sich eben nicht nur aus dem eigenen Einkommen und damit auch der Lohnsteuer, sondern auch aus dem, was dem Kirchenmitglied anteilig auch aus dem Einkommen ihres nichtkirchlichen Partners oder Partnerin zusteht.“ (ab Minute 2:24)
Das könnte verfassungsmäßig sein, wenn alle Kirchenmitglieder, die keine – oder nur wenig – Kirchensteuer zahlen, zum besonderen Kirchgeld herangezogen würden.
Tatsächlich werden allerdings nur diejenigen zum besonderen Kirchgeld herangezogen, deren Ehepartner keiner steuerberechtigten Kirche angehört.
Die (Nicht-)Mitgliedschaft in einer steuererhebenden Kirche ist aber ein Besteuerungsmerkmal, das eben nicht in der Person des Kirchenmitglieds gegeben ist, sondern – hier per Definition – in der Person des Nichtmitglieds.
Und wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht festgestellt hat, darf die Kirche für ihre Besteuerung nur Besteuerungsmerkmale wählen, die in der Person des Kirchenmitglieds gegeben sind.
Das besondere Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe ist somit verfassungswidrig – eigentlich hat das Bundesverfassungsgericht das in seiner Entscheidung 1965 (s.o.) bereits festgestellt. Um es verfassungskonform zu machen, müsste das besondere Kirchgeld von allen Kirchenmitgliedern erhoben werden, die keine oder zu wenig Kirchensteuer zahlen – unabhängig von der Religionszugehörigkeit des Partners.
Ausführliche Informationen zum besonderen Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe gibt es auf Kirchgeld-Klage.info.
Siehe hierzu auch meine älteren und ausführlicheren Artikel:
Bundesverfassungsgericht übersieht Verfassungswidrigkeit des besonderen Kirchgelds
Meines Wissens kann man dem entgehen, indem man Mitglied in einer Weltanschauuungsgemeinschaft, KdöR, wird, z.B. dem Bund für Geistesfreiheit, der ja auch säkulare Ziele seit mehr als hundert Jahren verfolgt. Dann ist das nur noch eine konfessionsverschiedene Ehe und es wird akzeptiert, dass man ja schon für den eigenen Verein bezahlt – da muss man nicht nochmal. Und der BfG nimmt nur geringe Jahresbeiträge, die für einen säkularen, (also guten 😉 ) Zweck genutzt werden.
Hi Skydaddy, so sehr ich Deine Argumentation auch nachvollziehen kann, gewinne ich dem besonderen Kirchgeld trotzdem auch etwas Positives ab. Nach unserer Hochzeit war es der Auslöser für meine Frau, aus der Kirche auszutreten, da sie mir das nicht zumuten wollte und ihr die Mitgliedschaft eh nicht mehr Viel bedeutete. Zumal wir bereits tolle Diskriminierungserfahrungen in Kindergarten + Schule gemacht hatten, weil unserer Kinder nicht getauft sind.
Dass der Probst irgendwas behauptet, ist normal. Alle Darstellungen der Kirchen zum besonderen Kirchgeld sind ungenau bis falsch. – Ich halte es dennoch nicht für korrekt, einfach zu behaupten, das besondere Kirchgeld sei verfassungswidrig, da schickt man Leute auf eine falsche Fährte. Eine solche Behauptung sollte schon gut begründet sein, da diverse diesbezügliche Verfassungsbeschwerden gescheitert sind. „Gut“ heißt: in Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Rechtsprechung. – Die Nicht-Kirchenmitgliedschaft ist nach der Rechtsprechung kein Besteuerungsmerkmal beim besonderen Kirchgeld. Diese Behauptung dürfte keiner gerichtlichen Überprüfung standhalten.
Besteuert wird nach Lesart der Gerichte das Kirchenmitglied. Dieses bestreitet seine kirchlichen Beiträge aus dem Taschengeldanspruch, den es gegen seinen verdienenden Ehepartner hat (BFH 2005). Gegen diese Konstruktion ist schwer zu anzugehen. Da sollten die Argumente deutlich substantiierter sein. – Derzeit am interessantesten erscheint mir das Urteil des BFH vom 8.10.2013 – I B 109/12. Dort heißt es, das besondere Kirchgeld orientiere sich „nur für diese Fallkonstellation“ „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ am Besteuerungsmerkmal Lebensführungsaufwand. Genau dies ist die übliche Grundlage des besonderen Kirchgeldes gem. den Obiter dictum von 1965. Insoweit erscheint es mir möglich, zumindest in den Fällen eigenen Einkommens des Kirchenangehörigen das besondere Kirchgeld anzugreifen – wohlgemerkt, nicht grundsätzlich. Letzteres mag zwar von starken Überzeugungen getragen sein, dürfte aber ein Kampf gegen Windmühlenflügel sein.
Kleine Ergänzung zu meinem vorigen Kommentar:
Der BFH hat in seinem o.a. Urteil die Rechtslage zum besonderen Kirchgeld als „eindeutig“ bezeichnet, und sodann die o.a. Feststellung getroffen. Dies kann man sicher nutzen. – Nicht ganz so klar ist allerdings die Formulierung des BVerfG und somit auch des BFH: Was bedeutet „mangels eigenen Einkommens kirchensteuerfrei“ genau? Heißt „mangels“ „Null Euro“? Oder nur unterhalb der Schwelle der Grundtabelle zur Einkommensteuer (derzeit m.W. 8.000.- €)? Das wurde m.W. bisher nicht ausgelotet.
@Volker: Ich finde deinen Ansatz gut, aber ich schätze der Einwand wird sein, dass das nicht wörtlich gemeint ist, sondern im Sinne von „weniger als der andere“. Und ein Urteil, das das besondere Kirchgeld kassiert hat weil der Kirchenangehörige ein Einkommen bezieht, gibt es nicht, oder?
Du sagst: „Die Nicht-Kirchenmitgliedschaft ist nach der Rechtsprechung kein Besteuerungsmerkmal beim besonderen Kirchgeld.“ Welches Urteil belegt das? Hat jemand überhaupt das Argument schon einmal vorgetragen?
Dass nur das Kirchenmitglied besteuert wird, ist klar. Aber als „Besteuerungsmaßstab“ oder „Besteuerungsmerkmal“ des „besonderen Kirchgelds in glaubensverschiedener Ehe“ wird das Merkmal der Kirchenangehörigkeit des *anderen* Ehegatten gewählt. Der Teil „in glaubensverschiedener Ehe“ lässt keinen anderen Schluss zu. Wenn man nur an Merkmale anknüpfen will, die in der Person des Kirchenmitglieds gegeben sind, muss man dessen Ehegatten als Black Box betrachten. Ob er/sie katholisch, muslimisch, schwarz, weiß, BVB- oder Bayern-Fan ist, darf keine Rolle spielen.
Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu argumentierien, finde ich außerdem ziemlich substantiiert.