Bullshit: Polizei lässt Gebäude segnen

Logo der Polizeiseelsorge. Hintergrundinfos gibt es beim Klick auf das Bild.

Nicht nur beim Militär, auch bei der Polizei besteht eine bedenkliche Verflechtung von Staat und Kirche. Dabei macht man sich die relative Abgeschiedenheit dieser Bereiche zunutze und den Umstand, dass kaum ein karrierebewusster Soldat oder Polizist gegen (mögliche) Verstöße gegen die Religionsfreiheit protestieren wird, die von der Führung angeordnet wurden. Dabei müssten gerade die Staatsorgane Militär und Polizei Prüfsteine für die Trennung von Staat und Kirche sein.

In einer richtungsweisenden Entscheidung stellte das Bundesverfassungsgericht 1965 fest, dass das Grundgesetz „dem Staat als Heimstatt aller Staatsbürger ohne Ansehen der Person weltanschaulich-religiöse Neutralität“ auferlegt. „Es verwehrt die Einführung staatskirchlicher Rechtsformen und untersagt auch die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse.“

Das Grundgesetz besagt auch:

Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen … gezwungen werden. (Art. 136 (4) WRV i.V.m. Art. 140 GG)

Bei Militär und Polizei sieht man das allerdings „nicht so eng“, dort werden auch Gebäude von christlichen Geistlichen gesegnet. (Wieso eigentlich keine Waffen? Wenn man dem Segen schon irgendeine Bedeutung beimisst, müsste er doch für Waffen erst recht wichtig sein.)

Im Hinblick auf die Vorgaben des Grundgesetzes wirft dies allerdings folgende Fragen auf:

  1. Inwiefern wird gegen die Trennung von Staat und Kirche verstoßen, wenn der Staat öffentliche Gebäude von christlichen Geistlichen segnen lässt?
  2. Wenn solche Segnungen schon stattfinden, ist dann wenigstens die Freiwilligkeit der Teilnahme sichergestellt?

Als ich neulich von der Segnung eines neuen Polizei-Ausbildungsgebäudes in Brühl (NRW) las, habe ich deshalb bei den Verantwortlichen angefragt (s.u.).

Die Antwort, die ich erhielt (s.u.), zeigt mir, dass man sich dort der Problematik durchaus bewusst ist und meinen Einwendungen offenbar auch nichts entgegenzusetzen hat. Die Problematik wird aber ignoriert, anstatt von Gebäudesegnungen abzusehen. Dieses Verhalten ist typisch für die Zustände bei Militär und Polizei.

Weltanschauliche Neutralität

Zu 1.: Es besteht ein Unterschied, ob Polizeiseelsorger sich um Polizisten, also einzelne Individuen kümmern, oder ob die Polizei als solche eine Gebäudesegnung ansetzt – auch noch vor Journalisten, also öffentlich. Während individuelle Seelsorge bei Bedarf zuzulassen ist, macht sich der Staat bei einer Gebäudesegnung die jeweilige Religion (hier natürlich das Christentum) zu Eigen, jedenfalls privilegiert er sie gegenüber allen anderen Weltanschauungen. Damit verstößt er meiner Meinung nach gegen das Gebot der Neutralität (erst recht des Anstands gegenüber nichtchristlichen Polizisten), zumal nicht der geringste sachliche Grund für eine solche Segnung auszumachen ist.

Deshalb kann eine Gebäudesegnung auch nicht einfach als „im Kontext“ der (individuellen) Polizeiseelsorge abgetan werden, wie dies die Pressesprecherin des Landesamts für Aus- und Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) NRW in ihrer Antwort an mich tat. Auf meinen Einwand, dies verstoße gegen die weltanschauliche Neutralität des Staates, ging sie überhaupt nicht ein, und dieser Einwand wird auch nicht dadurch entkräftet, dass die Gebäudesegnung durch zwei Polizeiseelsorger durchführt wurde.

Stattdessen schreibt sie:

Die beiden Polizeiseelsorger, die die Segnung vorgenommen haben, … haben in dieser Segenshandlung betont, dass weder der Segen noch die Polizeiseelsorge anders Glaubende vereinnahmt.

Bei dem Segen geht es ja auch nicht um die Vereinnahmung von Menschen, sondern des Gebäudes. Und „christliche Vereinnahmung des Gebäudes“ scheint mir den Zweck eines solchen Segens sehr gut zu treffen, wie man leicht erkennen kann, wenn man sich anschaut, welche Bedeutung Gläubige diverser Religionen derlei Dingen beimessen.

Es erscheint auch völlig unangebracht, die Aussagen der durchführenden Geistlichen als Gegenargument zu bringen. Wer einen Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen! Wenn solche Aussagen während der Segnung gemacht werden, unterstreicht das doch lediglich, dass man sich über die Problematik durchaus im Klaren ist. Und in typischer Militär- und Polizeiseelsorgemanier erklären die Verantwortlichen und Geistlichen einvernehmlich, das Problem existiere nicht.

Würde die Polizei sich etwa damit abfinden, dass jemand, der einen anderen bewusstlos geschlagen hat, erklärt, es handele sich dabei nur um eine „kleine Meinungsverschiedenheit“?

Worauf ich hinaus will: Die Problematik ergibt sich aus der Tatsache, dass der Staat Gebäude segnen lässt, und an diesem Umstand können auch Erklärungsversuche der Verantwortlichen nichts ändern. Sie zeigen nur, dass man sich der Problematik durchaus bewusst ist, aber einfach irgendwelche Ausreden vorschiebt – weil man weiß, dass man damit durchkommt.

Das ist aber ein Armutszeugnis ausgerechnet für diejenigen Staatsorgane, die Recht und Freiheit notfalls auch mit Waffengewalt durchsetzen sollen.

Es gibt keinen sachlichen Grund für Gebäudesegnungen, und deshalb sollte der Staat auch keine durchführen, um nicht unnötig die Trennung von Staat und Kirche und die weltanschauliche Neutralität zu verletzen.

Freiwilligkeit der Teilnahme

Nun zur Freiwilligkeit der Teilnahme: Hier erfolgt genau das gleiche Spiel.

Die Pressesprecherin schreibt:

Die anwesenden Studierenden und die anderen Gäste waren allenfalls Zeugen einer christlichen Zeichenhandlung wurden aber nicht zum Mitbeten oder Mitsingen aufgefordert.

Die Wortwahl „christliche Zeichenhandlung“ soll offenbar vermeiden, dass man der Formulierung des Grundgesetzes, die den Zwang zu „religiösen Handlungen oder Feierlichkeiten“ verbietet, zu nahe kommt. Aber was soll die Segnung eines Gebäudes anderes darstellen als eine „religiöse Feierlichkeit“? Ich verstehe den Wortlaut des Grundgesetzes jedenfalls so, dass die Anwesenden (hier: bei der Gebäudeeinweihung) nicht einfach einer religiösen Feierlichkeit ausgesetzt werden können. Im Gegensatz zu den „Andachten, die gelegentlich am LAFP NRW stattfinden“, wird im Hinblick auf die Gebäudesegnung nicht von der Möglichkeit gesprochen, dass man sich ihr hätte entziehen können. Die Pressesprecherin hätte es aber gewiss erwähnt, wenn diese Möglichkeit bestanden hätte.

Es kann nicht angehen, dass die Verantwortlichen den Wortlaut des Grundgesetzes einfach eigenmächtig so auslegen, dass die Segenshandlung nunmehr verfassungsmäßig sein soll, weil die Anwesenden „nicht zum Mitbeten oder Mitsingen aufgefordert“ worden seien.

Sind Verfassungsverstöße nicht so schlimm?

Es werden jetzt sicher wieder einige einwenden, das sei doch nicht so schlimm. Ich finde aber, wenn es um das Grundgesetz geht, können Christen nicht einfach mal „fünfe gerade sein lassen“, zu Lasten der restlichen Bevölkerung.

Bei Militär und Polizei kommt ja hinzu, dass den Kirchen hier immense „Rechte“ eingeräumt werden, die die Grenzen des Zulässigen meines Erachtens nicht nur maximal ausreizen, sondern immer wieder auch systematisch überschreiten.

Dies bleibt der Öffentlichkeit allerdings weitgehend verborgen. Eine Gebäudesegnung mag unerheblich erscheinen, sie ist aber symptomatisch für diese exzessive Privilegierung der christlichen Kirchen und die Verfilzung von Staat und Kirche. In Bereichen, wo dies erst recht nicht der Fall sein sollte.

Hier die Mail, die ich am 27. Mai an das LAFP geschickt hatte:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Verwunderung las ich heute von der Segnung eines neuen Polizeigebäudes durch gleich zwei Geistliche: einen katholischen und einen evangelischen (hier, hier).

Die Gebäudesegnung wurde sowohl in der Einladung an die Medien angekündigt als auch in einer offiziellen Pressemitteilung erwähnt.

Als atheistischer Blogger frage ich mich, weshalb Polizeigebäude gesegnet werden. Ich kann dafür beim besten Willen keinen sachlichen Grund erkennen.

Allerdings spricht meiner Meinung nach ein schwerwiegender Grund dagegen: In Deutschland besteht keine Staatskirche. Der Staat hat sich weltanschaulich neutral zu verhalten.

Gegen Seelsorge für die Polizisten ist meines Erachtens im Prinzip nichts einzuwenden. Etwas anderes ist aber die Segnung von Gebäuden. Damit macht sich der Staat eine bestimmte Religion, hier das Christentum, zu eigen. Auch die Zahl der Christen kann nicht als „Argument“ angeführt werden: Das Verbot der Staatskirche und des Gebot der weltanschaulichen Neutralität richtet sich de facto ja gerade gegen die Bevorzugung der Mehrheitsreligion.

Gerade bei der Polizei, die täglich mit der Bevölkerung interagiert – nicht selten auch in angespannten oder aggressiven Situationen – und zwar mit Angehörigen aller Weltanschauungen! – wäre es meines Erachtens besonders wichtig, dass sich die Polizei weltanschaulich so neutral wie möglich gibt. Glauben Sie z.B., die Auseinandersetzung mit den Salafisten wird entspannter verlaufen, wenn die lesen, dass die Polizei ihre Gebäude von christlichen Geistlichen segnen lässt? Denken Sie, Demonstranten gegen das „Tanzverbot“ an „stillen Feiertagen“ vertrauen stärker in die Neutralität und Sachgerechtigkeit eines Polizeieinsatzes, wenn die betreffenden Polizisten in gesegneten Gebäuden ausgebildet wurden? Wenn offenbar die Verantwortlichen bei der Polizei nichts dabei finden, in einem derart unnötigen Fall gegen die weltanschauliche Neutralität zu verstoßen, wie soll man dann erwarten, dass die Polizei „weltanschaulich aufgeladenen“ Situationen wie den vorgenannten sachgerecht vorgeht?

Meine Bedenken beziehen sich aber nicht allein auf den Eindruck, den die nordrhein-westfälische Polizei damit auf die Bevölkerung macht. Ich frage mich auch, ob für die teilnehmenden Polizisten das Recht auf Nichtteilnahme an der Segnung gewährleistet war. („Niemand darf zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit oder zur Teilnahme an religiösen Übungen … gezwungen werden.“, Art. 136 (4) WRV i.V.m. Art. 140 GG. „Zwang“ ist dabei meines Wissens so auszulegen, dass die Betreffenden die Teilnahme an der religiösen Handlung nicht als das „kleinere Übel“ auffassen.)

Deshalb würde mich interessieren, wie viele Polizistinnen und Polizisten an der Einweihungsfeier teilgenommen haben und wie viele an der Gebäudesegnung. Vielleicht können Sie noch erläutern, auf welche Weise bei solchen Veranstaltungen generell die Freiwilligkeit sichergestellt wird.

Ich werde diese E-Mail auch auf meinem Blog veröffentlichen. Ihre Antwort werde ich selbstverständlich hinzufügen.

Mit freundlichen Grüßen,

Matthias Krause

Hier die Antwort der Pressestelle des LAFP:

Sehr geehrter Herr Krause,

am 25.05.2012 fand im Bildungszentrum Brühl des LAFP NRW der internationale Tag der Polizeiausbildung statt. Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde ein neues Multifunktionsgebäude zur Aus- und Fortbildung eingeweiht.

Im Anschluss an die Schlüsselübergabe wurde das Gebäude durch die Polizeiseelsorger eingesegnet.

Die Polizeiseelsorge basiert in Nordrhein-Westfalen auf Verträgen zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen einerseits und den beiden großen Kirchen andererseits. Die Polizeiseelsorge ist eine wichtige Unterstützung, die für alle Bediensteten der Polizei unabhängig von ihrer religiösen Bindung zur Verfügung steht. Wir sind es gewohnt, dass die Polizeiseelsorger entsprechend sensibel auf die Polizistinnen und Polizisten zugehen und keineswegs missionarisch auftreten.

Die Segnung des neuen Gebäudes ist in diesen Kontext einzuordnen.

Die beiden Polizeiseelsorger, die die Segnung vorgenommen haben, sind von den beiden Konfessionen für das Bildungszentrum Brühl zuständig. Sie haben in dieser Segenshandlung betont, dass weder der Segen noch die Polizeiseelsorge anders Glaubende vereinnahmt. Die anwesenden Studierenden und die anderen Gäste waren allenfalls Zeugen einer christlichen Zeichenhandlung wurden aber nicht zum Mitbeten oder Mitsingen aufgefordert.

Grundsätzlich gibt es bei Andachten, die gelegentlich am LAFP NRW stattfinden, eine Unterbrechung mit der Möglichkeit, den Raum zu verlassen. Davon wird immer von einem Teil der Anwesenden Gebrauch gemacht. Das zeigt, dass die Freiwilligkeit eine wirkliche Wahlfreiheit ist.

Mit freundlichen Grüßen

2 Responses to Bullshit: Polizei lässt Gebäude segnen

  1. Omnibus56 sagt:

    Mir stellt sich aufgrund der Antwortstelle „Die beiden Polizeiseelsorger, die die Segnung vorgenommen haben, sind von den beiden Konfessionen für das Bildungszentrum Brühl zuständig.“ die Frage, wer für die Seelsorge der m. W. in der Polizei z. B. ebenfalls diensttuenden Muslime zuständig ist. Und es stellt sich die Frage, ob diese Person/Personen (es gibt m. W. auch unterschiedliche Richtungen im Islam mit eigenen Schwerpunkten) zu der Einsegnung in ihrem (muslimischen) Glauben eingeladen waren.

    Sollten unter den Mitarbeitern der NRW-Polizei auch andere Religionen vertreten sein (wovon ich ausgehe), wäre es dann nicht angebracht gewesen, auch deren Vertreter zu einer Mitsegnung einzuladen?

    Die Antwort ist geradezu ein Musterbeispiel der gelebten weltanschaulichen Nicht-Neutralität und unangemessenen Überrepräsentation der christlichen Religion in D.

    Beste Grüße
    Omnibus56

    • Skydaddy sagt:

      Es wäre mir neu, wenn es islamische Polizeiseelsorger gäbe. Ich habe neulich noch auf den Polizeiseelsorge-Webseiten geschaut, und natürlich ist es so, dass die christlichen Polizeiseelsorger auch für alle anderen (d.h. nichtchristlichen) Polizisten „da sind“.

      Es ist natürlich absurd, für Christen jeweils konfessionsspezifische Seelsorger (evangelisch und katholisch) vorzuhalten, und dann von nichtchristlichen Polizisten zu erwarten, dass die sich an die Geistlichen einer anderen Religion wenden.

      Bei den Muslimen könnte man ja vielleicht noch mit der geringen Zahl argumentieren, aber es müsste mindestens so viele konfessionslose Polizisten geben wie Katholiken oder Protestanten.

      Du hast das sehr schön ausgedrückt, Omnibus 56.

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