Rheinischer Merkur: Bischöfe leisten Sterbehilfe

Jahrzehnte währte das Siechtum (FAZ) des Patienten. Währenddessen hing er am Finanztropf der deutschen Bischöfe. Und der Militär- und Gefängnisseelsorge, die (wenigstens zeitweise) jeweils 12.000 Exemplare der Wochenzeitung für eine „gehobene und gebildete Leserschaft“ abnahmen und damit die Auflage stützten. Seinem Zwillingsbruder, dem Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt, hatte die EKD schon vor zehn Jahren die lebenserhaltenden Maßnahmen abgestellt, und dessen untoter Wiedergänger Chrismon geistert seitdem als „absenderfinanzierte“ Beilage in Zeitungen wie der ZEIT, FAZ oder der Süddeutschen herum.

Bei der katholischen Kirche dauert alles immer etwas länger, aber jetzt steht das Schicksal als ZEIT-Beilage auch den sterblichen Überresten unseres Patienten bevor, denn im September entschieden die Bischöfe, dem Rheinischen Merkur, der „Wochenzeitung für Deutschland“ den Stecker raus zu ziehen. Offenbar stieß der schon flehentliche Untertitel der Zeitung „Weil Ihnen das Wesentliche wichtig ist“ dort auf taube Ohren.

Der Vorsitzende der deutschen Bischöfe, Robert Zollitsch, schreibt in seinem Nachruf:

Es ist angebracht, zum Ende des Rheinischen Merkur als selbstständiger Zeitung Dank zu sagen. 64 Jahre – und davon die meiste Zeit in kirchlicher Trägerschaft – hat diese Zeitung auf höchstem journalistischem Niveau das Zeitgeschehen begleitet und darauf hingewirkt, dass in Deutschland die Lebensprinzipien des Christentums Eingang finden in die politischen Entscheidungen, dass unser Land sich also seiner christlichen Wurzeln bewusst bleibt. Beim Lebensschutz, in der Sozialpolitik, der Familienpolitik, der Bioforschung – das sind nur einige der großen Themen, in denen die Stimme des Rheinischen Merkur zu vernehmen war.

Freilich galt auch hier: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Die „Stimme des Rheinischen Merkur“, von der Zollitsch spricht, war stets die Stimme der Kirche – nur eben nicht sofort als solche erkennbar. Das haben sich die Bischöfe Jahr für Jahr einige Millionen kosten lassen. Dass Zollitsch angesichts der nicht selten manipulativen Darstellung staatskirchlicher Verhältnisse im Merkur und angesichts der offensichtlichen finanziellen Abhängigkeit des Blattes von der Kirche von „höchstem journalistischen Niveau“ spricht, sagt mehr über Zollitschs Vorstellungen von Journalismus als über den Merkur.

Hier nur einige Beispiele aus den letzten zwölf Monaten:

  • Hans Michael Heinig, Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland, hält im Merkur das Kruzifix-Urteil des EGMR für ein Fehlurteil.
  • Der Merkur veröffentlich Unsinn von Robert Spaemann zu Richard Dawkins‘ Buch „Der Gotteswahn“.
  • Merkur-Redakteur Wolfgang Thielmann schreibt von einer „Faustformel“, derzufolge sich jeder Kirchensteuer-Euro [für den Staat] verdreifache, reagiert aber nicht auf Anfrage, was damit gemeint sein soll oder wie er zu dieser Auffassung kommt.
  • Merkur-Redakteur Wolfgang Thielmann lobt im Merkur-Blog den „Mut“ seiner Geldgeber in der Mixa-Affäre.

Am Freitag erschien die letzte Ausgabe des Merkur. Sein Verschwinden wird vermutlich kaum jemandem auffallen. Und zu Gefängnisaufständen wird es wohl auch nicht kommen.

2 Responses to Rheinischer Merkur: Bischöfe leisten Sterbehilfe

  1. Sospetto sagt:

    Jeztt muss ich doch auf Bibel oder Koran umstellen. Ich kann ohne Märchen nicht leben.

  2. […] 9 Monate nach dem oben verlinkten Artikel von Wolfgang Thielmann wurde der Rheinische Merkur eingestellt, der Link funktioniert nicht mehr. Ich habe den Artikel natürlich gesichert. Dem Online-Artikel […]

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