Wurde Zollitsch überhaupt vernommen?

Heute (23.07.2010, 07:23 Uhr MESZ) schickte ich folgende E-Mail an die Staatsanwaltschaft Konstanz:

Sehr […] geehrte Damen und Herren,

ich möchte noch einmal um die Beantwortung meiner gestrigen Fragen bitten, denen ich noch folgende Frage hinzufüge:

Wurde Erzbischof Dr. Zollitsch dazu befragt,

  • ob er nicht nur von Vorwürfen aus den 60er Jahren, sondern auch nichts von Vorwürfen aus späteren Jahren gewusst hat, und
  • ob er von der Pädophilie (oder auch Ephebophilie – um Spitzfindigkeiten vorzubeugen) des Beschuldigten gewusst hat (Pädophilie muss ja nicht zwangsläufig als „Vorwurf“ aufgefasst werden, solange der Betreffende sich beherrscht. Und da der Täter während seines vorangegangenen Aufenthaltes im Bistum Basel sich offenbar einer Therapie unterzogen hatte und Medikamente nehmen musste, könnte dieser Umstand Dr. Zollitsch bekannt gewesen sein, ohne dass ihm dazu konkrete Vorwürfe hätten bekannt sein müssen.)

Hintergrund:

In meiner Zusammenstellung, die ich am 06.07.2010 auf Anregung von Oberstaatsanwalt Dr. [H.] an die Staatsanwaltschaft gemailt hatte, hatte ich bereits auf der ersten Seite erwähnt, dass Dr. Zollitsch die Kenntnis von der Pädophilie des Beschuldigten oder von Vorwürfen nach den 60er Jahren m.W. nie dementiert hat. Später schrieb ich unter einer eigenen Überschrift:

Wusste Dr. Zollitsch von der Pädophilie des Paters?

Zu der Frage, ob Dr. Zollitsch damals von der Pädophilie des Paters wusste, fällt mir auf, dass das Bistum dies bisher nur sehr ein­ge­schränkt dementiert hat: Das Bistum sagt, vom konkreten Fall des Anzeige­erstatters habe es erst Ende 2006 Kenntnis erlangt – aber was war mit anderen Fällen oder Vorwürfen allgemein? Dr. Zollitsch soll von „Vorwürfen aus den 60er Jahren“ nichts gewusst haben – aber was ist mit Vorwürfen aus späteren Jahren? In Anbetracht der Anstrengungen, die das Bistum unternimmt, um Erzbischof Zollitsch zu entlasten, fällt auf, dass es nicht klipp und klar erklärt, vor 2006 nichts von den Vorwürfen bzw. der Pädophilie von Pater Gregor Müller gewusst zu haben. Das Bistum Chur hat. m.W. hier eine ganz eindeutige Stellungnahme zu abgegeben, die jeden Zweifel ausräumt.

Auch in der Presseerklärung des Bistums anlässlich der Einstellung der Ermittlungen hieß es erneut wieder nur (Hervorhebung von mir):

Die Erzdiözese Freiburg hatte stets deutlich gemacht, dass der damalige Personalreferent weder von den Vorwürfen aus den 60er Jahren noch von einem erneuten Einsatz dieses Paters im Kloster Birnau gewusst und einen solchen Einsatz dieses Ordensmannes schon gar nicht veranlasst hatte

Dass das Ordinariat Freiburg wiederholt immer nur von „Vorwürfen aus den 60er Jahren“ spricht, könnte m.E. darauf hinweisen, dass Dr. Zollitsch tatsächlich Kenntnis von späteren Vorfällen hatte. Es wäre dann das Naheliegendste, dass es sich dann dabei um Fälle aus Müllers Zeit in Birnau von 1987 bis 1992 handelte, als Dr. Zollitsch ja als Leiter der Abteilung „Seelsorge – Personal“ aufgrund seiner Zuständigkeit Ansprechpartner für solche Vorwürfe war.

Die Staatsanwaltschaft schrieb in ihrer Pressemitteilung:

Während des zweiten Aufenthaltes des Paters in Birnau von 1987 bis 1992 sind keine konkreten Missbrauchstaten oder Namen von Geschädigten bekannt geworden, weshalb auch jegliche Grundlage für eine strafrechtliche Verantwortung von Dr. Zollitsch fehlt.

Daher meine Frage: Wurde Erzbischof Zollitsch hierzu befragt? Abgesehen davon, dass die oben dargelegten Umstände eine solche Befragung m.E. nahelegen, wäre er ja auch aufgrund seiner damaligen Zuständigkeit wohl derjenige gewesen, der über Vorwürfe gegen den Beschuldigten während der fraglichen Zeit von 1987 bis 1992 informiert worden wäre: In dem Missbrauchsfall in Oberharmersbach war Zollitsch m.W. seit 1991 über die Vorwürfe gegen den dortigen Pfarrer informiert und traf, wie spätestens seit der Sendung „Report Mainz“ vom vergangenen Montag bekannt ist, dort auch Entscheidungen darüber, wie in der Angelegenheit verfahren werden sollte. Auch in einem anderen Fall, wo sich ein Pfarrer offenbar einen jungen Mann als Geliebten hielt und ihn zeitweise auch bei sich im Pfarrhaus wohnen ließ, ist das Opfer davon überzeugt, dass der damalige Personalreferent Robert Zollitsch von der Angelegenheit Kenntnis hatte.

Um Kenntnis von konkreten Taten zu erhalten, wäre es von daher wohl nicht völlig abwegig gewesen, den damals dafür Zuständigen, Dr. Robert Zollitsch, dazu zu befragen.

Soweit ich weiß, braucht sich ja niemand selbst zu belasten. Fragen ist der Staatsanwaltschaft aber wohl nicht verwehrt?

Mit freundlichen Grüßen,

Matthias Krause

PS: Auch diese Frage werde ich weider auf meinem Blog veröffentlichen.

6 Responses to Wurde Zollitsch überhaupt vernommen?

  1. W.Müller sagt:

    Guten Tag Herr Bischof Zollitsch
    Nach Lektüre der Artikels (der Süddeutschen Zeit. sei Dank) und bisherigen Veröffentlichungen,gibt es keinerlei Zweifel mehr darüber, dass es für Sie nur noch Eines gibt, sofern Sie noch einen Funken Anstand besitzen: ” Treten sie sofort zurück”, auch wenn es schwer fällt, sonst begeben sie sich auf das gleiche Niveau wie Ihr Kollege Bischof Mixa aus Augsburg, den man praktisch gewaltsam aus seinem Amt in Augsburg entfernen musste. (Der konnte wenigstens seinen Alkoholismus geltend machen)
    Wem Gott gab ein Amt, dem gab er auch Verstand, (heißt ein altes Sprichwort), gebrauchen sie diesen und treten ganz schnell zurück.
    Eine große Anzahl von Menschen erwartet dies von Ihnen. Ihr Gestammle macht die peinliche Angelegenheit nur noch schlimmer.
    freundlichst
    W.Müller

    • skydaddy sagt:

      Lieber Herr Müller,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Da ich offensichtlich der falsche Adressat bin, hatte ich überlegt, ob ich Ihre Zeilen an Zollitschs Pressesprecher, Herrn Robert Eberle, weiterleite.

      Der hat mir aber eben auch so schon eine E-Mail geschickt, der eine gewisse Unzufriedenheit zu entnehmen war… Wenn ich ihm Ihren Kommentar maile, denkt Herr Eberle am Ende, ich würde ihn nicht ernst nehmen oder wollte mich über ihn lustig machen…

      Deshalb meine Anregung: Schicken Sie ihm Ihre Anmerkungen doch selbst! Herr Eberle freut sich bestimmt zu sehen, dass er mit seiner Kommunikationsstrategie dazu beigetragen hat, dass es immer noch Leute gibt, die bei Erzbischof Zollitsch einen „Funken Anstand“ vermuten und gar das Wort „Verstand“ in einem Atemzug mit dem Erzbischof nennen.

      Zudem erleichtern Sie dadurch dem Ordinariat die Arbeit. Ich nehme an, dass die Rücktrittsforderungen dort gesammelt werden und Erzbischof Zollitsch in gesammelter Form präsentiert werden, wenn er nächste Woche aus seinem Urlaub zurückkommt.

      Herrn Eberles E-Mail-Adresse finden Sie hier.

  2. W.Müller sagt:

    Vielen Dank für die mutigen Statements. Leider ist es in unserem Staat fast unmöglich hohe Kirchenfunktionäre zu verurteilen, da die Macht der katholischen Kirche heute noch zu groß ist.
    In Amerika wurde vor kurzem durch höchste Gerichte entschieden, dass der Vatikan direkt für die Missbrauchshandlungen seiner Diener Gottes verklagt werden kann.
    In Deutschland ist dies absolut unmöglich. Kein Gericht in der Bundesrepublik wird es wagen ein derartiges Urteil zu fällen. Inwieweit die Kirche durch die mit dem gläubigen Katholiken Adolf Hitler geschlossenen Gesetze davor geschützt ist, müsste man prüfen lassen. Nur keine Partei wird es wagen, dies zu versuchen, da sogar die PDP in Freiburg jetzt schon versucht, die CDU im Zukreuzekriechen vor dere Kirche zu überholen.
    Denken sie nur an die Schwierigkeiten innerhalb und außerhalb ihrer Partei, die unsere Bundeskanzlerin hatte, als sie den Papst wegen seiner Untätigkeit in der Holocaustverleugnung der Piusbrüder zu Recht kritisierte.
    Statt diese Sektenmitglieder und deren Initiatoren zu exkommunizieren und aus der Kirche zu entfernen, lässt der Papst bis heute zu, dass sie in Niederbayern weiterhin und bis vor wenigen Tagen, Priester und Bischöfe weihen. Dies ist für mich das Zeichen, dass diese rückwärtsgewandte aggressive Sekte seine eigentliche geistige Heimat ist, in die er die katholische Kirche am liebsten zurückführen möchte.
    Missbrauch von Kindern ist Unzucht mit Abhängigen und strafbar ebenso die Beihilfe der obersten Kirchenspitze. Wo sind die Verurteilungen der überführten Diener Gottes und deren Vertuscher und Helfer.
    Nicht nachlassen

    W.Müller

    • skydaddy sagt:

      Lieber Herr Müller, ich denke, der Artikel im aktuellen SPIEGEL (bisher nur Print-Ausgabe und e-Paper), „Jagd auf die Kirchenmäuse“ wird Ihnen gefallen…

      • W.Müller sagt:

        Hallo Skydady
        Vielen Dank für ihre Info, der Spiegel wird mir am Land erst nachmittags zugestellt.
        Nachtrag: Der Begriff Missbrauch von Kindern ist falsch, es ist Unzucht mit Abhängigen und müsste den Paragrahen gemäß schwer bestraft werden.
        Ich finde es toll, dass es solche Seiten wie skydady gibt, die Feuer unter den Roben entfachen.
        Weiter so, früher hätte man uns auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

        Gruss W.Müller

  3. […] gehe davon aus, dass das Ordinariat (erst recht natürlich die Staatsanwaltschaft Konstanz) die Strafanzeige gegen Erzbischof Zollitsch vorliegen hat. Tatsächlich heißt es darin zunächst, […]

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