Zollitsch: „Ermittlungen“ eingestellt

Es ist wohl reiner Zufall, dass die einzigen guten Nachrichten für Erzbischof Robert Zollitsch diese Woche von der Staatsanwaltschaft kommen, die gegen ihn ermittelt (hat): Als Am Montag die Sendung „Report Mainz“ mit neuen Vorwürfen angekündigt war, meldete der Südkurier, die Einstellung des Verfahrens gegen Zollitsch stünde wohl diese Woche bevor. Heute berichtete die Badische Zeitung ausführlich, dass Kirchenrechtler der Darstellung, mit der sich das Bistum gegen die Strafanzeige verteidigte, widersprechen – und die Staatsanwaltschaft meldet die Einstellung des Verfahrens.

Beim Lesen der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Konstanz muss man sich allerdings fragen, ob die „Ermittlungen“ überhaupt jemals aufgenommen wurden:

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen kam es zu Missbrauchsfällen durch den Pater anlässlich seines ersten Tätigkeitszeitraums in Birnau zwischen 1966 und 1968. Da diese Taten verjährt sind, kann es dahinstehen und blieb auch ungeprüft, ob zum damaligen Zeitpunkt Dr. Zollitsch eine Position inne hatte, die geeignet gewesen wäre, eine strafrechtlich relevante Mitverantwortung zu begründen, da insoweit ebenfalls Verjährung eingetreten wäre.

Das Opfer hat seiner Anzeige m.W. das Geständnis des Täters beigefügt, das sich auf Taten in den sechziger Jahren bezog. Es ist (für mich als Laien) nicht ersichtlich, was hier „ermittelt“ worden sein soll.

Während des zweiten Aufenthaltes des Paters in Birnau von 1987 bis 1992 sind keine konkreten Missbrauchstaten oder Namen von Geschädigten bekannt geworden, weshalb auch jegliche Grundlage für eine strafrechtliche Verantwortung von Dr. Zollitsch fehlt.

Das Warten darauf, dass sich Opfer melden, kann ja wohl auch schwerlich als „Ermitteln“ bezeichnet werden. „Dank“ der Medienkampagne des Erzbistums war sowieso nicht erkennbar, weshalb sich Opfer hätten melden sollen.

Aber jetzt kommt es:

Aus diesem Grunde ist es der Staatsanwaltschaft verwehrt, weitergehende Ermittlungen durchzuführen zu der Frage, wer die Personalverantwortung für den Pater trug, und ob bzw. wann Dr. Zollitsch Kenntnis von einem erneuten Tätigwerden des Paters erlangte.

Oh, es ist der Staatsanwaltschaft verwehrt? Die Staatsanwaltschaft war ja offenbar bereits ausgelastet damit, auf die Opfermeldungen zu warten… Ich wäre nicht so zynisch, hätte es nicht bei der Übernahme der Ermittlungen vor sechs Wochen geheißen:

[Dem Leitenden Oberstaatsanwalt] Röding zufolge wird nun die genaue Rollenverteilung zwischen Erzdiözese und der zuständigen Zisterzienserabtei Wettingen-Mehrerau ermittelt. Danach muss geklärt werden, welchen Wissensstand das Ordinariat zur fraglichen Zeit hatte oder hätte haben müssen. „Und dann bräuchten wir aus der Zeit von 1987 bis 1992 auch Taten, die noch nicht verjährt sind“, so Röding. [Hervorhebung von mir.]

Ursprünglich sollte also offenbar zunächst die Rollenverteilung geklärt werden – das machte auch Sinn, zumal ja das Bistum den Eindruck erweckte, dabei würde sich sofort herausstellen, dass Zollitsch gar nicht zuständig sei. Wieso ist diese Frage während der sechs Wochen nicht geklärt worden? Oder besser gesagt: Wieso wird so getan, als sei diese Frage nicht geklärt worden?

Ich hatte nämlich der Staatsanwaltschaft– auf Anregung von Oberstaatsanwalt Dr. Hettenbach, mit dem ich telefoniert hatte – zunächst meine Rechercheergebnisse geschickt, aus denen hervorging, dass das Erzbistum Freiburg – und damit auch Zollitsch – offenbar tatsächlich zuständig für Birnau sind. Nachdem ich den Eindruck hatte, dass sich kein deutscher Kirchenrechtler dazu öffentlich äußern würde, kontaktierte ich den US-Experten Thomas P. Doyle, der mir bestätigte, dass Birnau offenbar zu Freiburg gehört – und nicht zum Territorium der Abtei Wettingen-Mehrerau (Österreich).

Gestern meldete schließlich die Badische Zeitung, dass der Kirchenrechtsprofessor Dr. Georg Bier – aus Freiburg! – der zunächst erklärt hatte, Zollitsch sei niemals zuständig gewesen, seine Meinung geändert hat und zu dem Schluss kam:

Die Wallfahrtskirche liege im Gebiet der Erzdiözese Freiburg. Die Pfarrkuratie beziehungsweise Seelsorgeeinheit gehöre zur Erzdiözese. Und zuständiger Oberhirte für die Gläubigen sei der Erzbischof.

Und heute – einen Tag später! – meldet die Staatsanwaltschaft, es sei ihr verwehrt gewesen, die Frage zu klären, wer für Birnau verantwortlich war? Was war denn da überhaupt noch zu klären?

Nachdem spätestens heute – die Badische Zeitung hatte ja noch mal ordentlich nachgelegt – der Staatsanwaltschaft klar sein musste, dass das Ordinariat Freiburg die Öffentlichkeit wochenlang gezielt getäuscht hatte, – da erklärt sie die Einstellung des Verfahrens? Hallo?

Auch der Umstand, dass der Beschuldigte seit Monaten untergetaucht ist, war offensichtlich nicht Grund genug, dass die Staatsanwaltschaft es für nötig gehalten hätte, in ihrer Pressemitteilung außer Warten auch noch irgendein erkennbares aktives Interesse an der Aufklärung zu erwähnen.

Ich hatte neulich der Vorsitzenden der Anti-Missbrauch-Stiftung Hänsel und Gretel, der ehemaligen Ministerin Barbara Schäfer-Wiegand (die auch Mitglied der Missbrauchskommission des Erzbistums Freiburg ist) meine Überlegung mitgeteilt, dass kleine Gemeinden wie Nußdorf und Deisendorf in der Pfarrei Birnau, oder auch Schübelbach in der Schweiz (alles Orte, wo der beschuldigte Pater eingesetzt war), wenn sie Missbrauchsfälle unter den Teppich kehren oder sich sogar noch mit einem pädokriminellen Pater solidarisieren, geradezu darum bitten, dass sie einen neuen pädophilen Pfarrer erhalten. (Denn selbst der wohlmeinendste Bischof oder Abt wird seine „Problem-Priester“ wohl am ehesten in Gemeinden einsetzen, die bereits unter Beweis gestellt haben, dass sie eventuelle Übergriffe nicht öffentlich machen.)

Wenn dann natürlich noch eine Staatsanwaltschaft dazu kommt, die man offensichtlich zum Jagen tragen muss – ja, dann sind alle Voraussetzungen für einen schönen Pädophilen-Abschiebeposten vorhanden.

5 Responses to Zollitsch: „Ermittlungen“ eingestellt

  1. Schwabe sagt:

    Auf die kritische Würdigung der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft durch den Herausgeber dieser Seite bin ich sehr gespannt.

    Selbst wenn ich mich bemühe, neutral zu urteilen, kann ich keinen Vorsatz erkennen. Die dem Erzbischof vorgeworfene Tat kann nur vorsätzlich begangen werden. Vorsatz heißt Wissen und Wollen der Tatbestandsmäßigkeit. Vorsatz liegt bereits, aber auch erst dann vor, wenn der Täter die Tatbegehung (hier durch einen Dritten) für möglich hält und die Tat des Dritten billigend in Kauf nimmt.

    Wenn ich als Personalchef einen Mitarbeiter einstelle, von dem ich weiß, dass er in den letzten Jahren gestohlen hatte, mache ich mich doch nicht der Beihilfe zum Diebstahl schuldig, wenn er erneut stiehlt. Wenn ich bei kik oder Aldi Ware aus Asien einkaufe, begehe ich keine vorsätzliche Beihilfe zum Verbot der Kinderarbeit, obwohl es möglich ist, dass die Ware durch verbotene Kinderarbeit hergestellt worden ist und ich davon schon gehört habe.

    Sicher werden wir vom Herausgeber dieser Seite eine neue Definition des Vorsatzes hören, die die Strafrechtsdogmatik in Zukunft markant verändern wird und zwar die eines kirchenspezifischen Vorsatzes.

    Vorsatz wird nach der neuen Definition vermutet bei Personen, die ein kirchliches Amt bekleiden oder die Amtsträger unterstützen. Solche Personen wollen immer Unrecht und handeln daher automatisch vorsätzlich!

    Der den Erzbischof anzeigende Rechtsanwalt wusste von vornherein, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt werden würde. Aber Hauptsache viel Getöse gemacht und in der Presse gestanden – das verhilft zu Folgemandaten!

    Eine neben der strafrechtlichen Seite ganz andere Frage ist, ob sich das Erzbistum in der Öffentlichkeit besonders clever verhalten hatte. Der Bischof benötigt einen besseren, modernen Medienberater. Der sollte die Bloggerseiten genauer analysieren und bei denen die Luft raus lassen.

  2. dramaticmoments sagt:

    Es ist für einen Normalsterblichen (in diesem Falle rechne ich Zollitsch auch zu dieser Kategorie, selbst wenn ihm das nicht gefallen sollte) vollkommen unmöglich und bedürfte übermenschlicher Fähigkeiten, auch nur auf die Idee zu kommen, dass ein Mann, der über mehr als zwei Jahrzehnte mehr als zwanzig Knaben missbraucht hat, dieses Verbrechen an einem anderen Ort nun wieder begehen könnte. Niemand, aber auch gar niemand wäre imstande, so etwas vorherzusehen und es folglich dann auch billigend in Kauf zu nehmen, wenn man ihn wieder auf die passende Sorte Kind loslässt. O ja, der Täterschutz in diesem Land funktioniert perfekt.

  3. Schwabe sagt:

    Was stand damals in den Personalakten? Leider kann ein Erzbischof das Auge Gottes nicht ausleihen. Der Erzbischof steht zwar in der apostolischen Sukzession, ist aber auch nur ein Mensch. Den uneingeschränkten Durchblick hat kraft Namens nur Skydaddy.

    Man muss sich in die damalige Situation hinein denken. Was wusste der Erzbischof an „belastbaren Fakten“? Hier gilt: Wissen ist nicht glauben. Wenn er seine dienstrechtlichen Pflichten verletzt und einen Mitarbeiter nur auf Grund von Gerüchten zu Unrecht beschuldigt hätte, wäre das Geschrei groß gewesen.

  4. dramaticmoments sagt:

    Was soll ich einem diensteifrigen, bedingungslos loyalen Täterverteidiger nun antworten? Vielleicht zur Abwechslung einmal dieses: Die apostolische Sukzession ist ein Mythos. Es gibt sie nicht. Herr Erzbischof Zollitsch ist ein ganz normaler Mensch? Yep! Das sehe ich auch so. Ein stinknormaler Mann, der sich im Hinblick auf die Normalität in nichts von allen anderen rund vierzig Millionen Männern in diesem Lande unterscheidet. Wobei ich allerdings hoffe, dass zumindest ein Teil dieser anderen Männer es mit Anstand, Moral, Ethik und Menschlichkeit etwas genauer nimmt als der Herr Bischof – und wenigstens einige von ihnen es sich zur Aufgabe gemacht haben, Schwächere zu beschützen und ihnen beizustehen, wenn sie in Not sind, anstatt sich feige und ängstlich unter den brokatglänzenden Mäntelchen der Supermächtigen zu verkriechen. Ja, das hoffe ich wirklich.

  5. […] Die Veranstaltung fand nämlich exakt an dem Tag statt, als Zeitungen die Einstellung der „Ermittlungen“ gegen Erzbischof Zollitsch meldeten. Schnauf! Gerade noch mal Glück […]

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