Krisenmanagement: Kathpress korrigiert Meldung

Nachdem die Abtei Wettingen-Mehrerau und das Erzbistum Freiburg jahrelang untätig waren, so dass das Missbrauchsopfer sich schließlich genötigt sah, selbst das vorgeschriebene kirchenrechtliche Verfahren zu beantragen, muss das Opfer sich jetzt auch noch gegen Falschdarstellungen zur Wehr setzen.

Update: Aus Mehrerau wurde mir mitgeteilt, dass in der Meldung „Aussagen von Abt Anselm missverständlich oder falsch wiedergegeben wurden bzw. Aussagen, die er nie getätigt hat ihm zugeschrieben wurden“. Welche Aussagen das konkret gewesen sein sollen, wurde nicht mitgeteilt.

Auf massive Intervention des in der Meldung diffamierten Missbrauchsopfers sowie offenbar auch der Abtei Wettingen-Mehrerau (in welchem Ausmaß ist mir unklar) hat die österreichische katholische Nachrichtenagentur Kathpress eine Meldung zunächst geändert und dann schließlich zurückgezogen.

Es folgt die Meldung, wobei nachträglich entfernter Text durchgestrichen und nachträglich hinzugefügter Text unterstrichen dargestellt ist (Zeitpunkt: 24.06.2010, 23:37): 

Feldkirch, 24.06.2010 (KAP) Die Zisterzienserabtei Mehrerau (Vorarlberg) forciert ihre Untersuchungen im Missbrauchsfall an einem heute 53-jährigen früheren Ministranten an der Prioratskirche von Birnau in Baden-Württemberg. Das mutmaßliche Opfer, das angibt, in den 1960er Jahren von einem Mehrerauer Zisterzienserpater missbraucht worden zu sein, hatte zuletzt bekannt gegeben, sich mit einer Anklageschrift direkt an den Vatikan zu wenden. Der Missbrauch soll im Umfeld der Kloster- und Wallfahrtskirche Birnau stattgefunden haben, deren Seelsorge im Zuständigkeitsbereich der Abtei Mehrerau liegt.

Wie der Mehrerauer Abt Anselm van der Linde gegenüber „Kathpress“ bestätigt, sei man bereits seit März in intensivem Kontakt mit dem Opfer und kooperiere eng mit der Staatsanwaltschaft. Der Abschluss der stiftsinternen Untersuchungen des Falls stehe unmittelbar bevor, Anfang Juli werde ein Bericht an die Glaubenskongregation ergehen.

Zugleich bedauerte der Abt, dass es bislang nicht möglich gewesen sei, eine außergerichtliche Einigung mit dem Opfer zu finden. Ihm seien von Seiten des Stiftes die Übernahme sämtlicher von Therapiekosten, sowie Gespräche mit dem Abt und eine Gegenüberstellung mit dem mutmaßlichen Täter angeboten worden. Außerdem habe man dem Opfer angeboten, sich für eine Gegenüberstellung mit dem mutmaßlichen Täter einzusetzen. Auf keines der Angebote sei das Opfer eingegangen. Auch seien die Vorwürfe des Opfers, man habe ihm von keiner Stelle die aktuelle Anschrift des Beschuldigten genannt und kein kirchenrechtliches Verfahren gegen den Mann eingeleitet, nicht zutreffend, so Abt van der Linde.

Für die nun über die Medien publik gewordene angebliche Anklage in Rom, die sich gegen den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch sowie gegen den Mehrerauer Altabt Kassian Lauterer richtet, habe man kein Verständnis, da man von der Abtei her alles tue, um den Fall zu einem positiven Ende zu führen, so Abt van der Linde. habe man zur Kenntnis genommen. Zudem Allerdings treffe Altabt Lauterer keine Mitschuld, da er im betreffenden Zeitraum noch gar nicht Abt der Mehrerau war. Dieses Faktum sei indes trotz mehrmaliger Hinweise vom nun klagenden Opfer offenbar nicht zur Kenntnis genommen worden, so van der Linde.

Das mutmaßliche Missbrauchsopfer, das aus der Erzdiözese Freiburg stammt, hatte Zollitsch bereits Anfang Juni wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch bei der Staatanwaltschaft Konstanz angezeigt. Zollitsch habe als damaliger Personalreferent der Erzdiözese 1987 die Anstellung des Paters in Birnau veranlasst, obwohl bekannt gewesen sei, dass der Mann bereits sexuell übergriffig gewesen sei, so der Vorwurf. Abt van der Linde hatte Erzbischof Zollitsch daraufhin gegenüber den von der Staatsanwaltschaft Konstanz geführten Ermittlungen in Schutz genommen. Zollitsch sei „völlig grundlos“ in diese Causa verwickelt worden und habe mit den Vorgängen „nichts zu tun“.

Verschwunden ist die Verständnislosigkeit von Abt Anselm gegenüber dem Vorgehen des Opfers. Verschwunden die Vorwürfe, dass man dem Opfer nicht die Anschrift des Täters mitgeteilt und kein kirchenrechtliches Verfahren gegen den Altabt eingeleitet habe.

Immer noch enthalten ist allerdings der dreiste Vorwurf, das Opfer habe („offenbar“) nicht zur Kenntnis genommen, dass Altabt Kassian Lauterer keine Mitschuld treffe. (Mehr dazu hier.) Die Behauptung, das Opfer sei „auf keines der Angebote“ eingegangen, trifft meines Wissens ebenfalls nicht zu – die Übernahme von Therapiekosten hat das Opfer begrüßt. Die Gegenüberstellung mit dem – geständigen und nicht „mutmaßlichen“! – Täter ist eine Forderung des Opfers und kein „Angebot“ der Abtei.

Nachdem die Abtei Wettingen-Mehrerau und das Erzbistum Freiburg jahrelang untätig waren, so dass das Missbrauchsopfer schließlich selbst das vorgeschriebene kirchenrechtliche Verfahren beantragen musste, muss das Opfer sich jetzt auch noch gegen die Falschdarstellungen zur Wehr setzen. Hölle, lebenslang.

Einen Tag später, am 25.06.2010, erschien eine wiederum veränderte (gekürzte) Version der Meldung bei Radio Vatikan, mit Kathnet (bzw. kathweb) als Quellenangabe:

D: Untersuchungen im Missbrauchsfall Mehrerau

Die Zisterzienserabtei Mehrerau forciert die Untersuchungen im Missbrauchsfall an einem früheren Ministranten der Prioratskirche von Birnau in Baden-Württemberg. Der Mehrerauer Abt Anselm van der Linde sagte der Nachrichtenagentur kathpress am Donnerstag, man sei in intensivem Kontakt mit dem Opfer und kooperiere mit der Staatsanwaltschaft. Anfang Juli soll ein Bericht über die stiftsinternen Untersuchungen an die Glaubenskongregation im Vatikan übergeben werden. Dem Opfer sei außerdem eine außergerichtliche Einigung, die Übernahme der Therapiekosten und Gespräche mit dem Abt angeboten worden; diese Angebote lehnte das Opfer jedoch ab, so der Abt.

Das mutmaßliche Opfer gibt an, in den 1960er Jahren von einem Zisterzienserpater der Abtei missbraucht worden zu sein. Es wollte sich mit seiner Klage direkt an den Vatikan wenden. Bereits Anfang Juni hatte der 53-Jährige den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch und den Mehrerauer Altabt Kassian Lauterer bei der Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zum Missbrauch angezeigt. Altabt Lauterer sei zu dem Zeitpunkt des Missbrauchs jedoch noch gar nicht in der Abtei gewesen, so van der Linde. Auch Erzbischof Zollitsch sei „völlig grundlos“ in den Fall verwickelt worden.

(kathweb 25.06.2010 tb)

Auch diese Version lässt das Opfer noch unkooperativ und uneinsichtig erscheinen. Schon kurze Zeit später wurden allerdings sowohl die Meldung bei Kathpress (Kathweb) als auch die bei Radio Vatikan zurückgezogen.

Möglicherweise geht die Zurücknahme der Meldung nicht nur auf das Betreiben des Opfers zurück, sondern auch auf den Umstand, dass man erkannt hat, dass dieses Vorgehen so durchsichtig war, dass es der Glaubwürdigkeit der Kirche mehr schadet als nützt.

2 Responses to Krisenmanagement: Kathpress korrigiert Meldung

  1. Nic sagt:

    Hi Skydaddy,
    auch wenn es hier nicht hingehört… (aber ich fand keinen Artikel, wo es passt…): ich habe vorhin eine kleine Richtigstellung geschrieben. Und da ich darin auch Dich erwähnte, wollte ich Dir das wenigstens kund tun: http://gbsbb.wordpress.com/2010/06/25/richtigstellung/
    LG Nic

  2. […] Blog US-Experte: Zollitsch hätte 2006 ermitteln müssenOrdinariat Freiburg korrigiert Darstellung zu OberharmersbachNeuer Ketzerpodcast: „Die Salatbar“Neues zur Kathpress-Meldung (war: „Verleumde nur dreist, etwas bleibt immer hängen“)Krisenmanagement: Kathpress korrigiert Meldung […]

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