Als ich mir neulich die Kirchenaustrittsstatistiken ansah, fiel mir folgendes auf: Seit Anfang der 1990er Jahre sind die Kirchenaustritte bis 2006 ziemlich kontinuierlich zurückgegangen. 2007 stiegen die Austrittszahlen dann wieder an (um ca. 9%), und 2008 schossen sie dann quasi noch einmal um weitere 25% in die Höhe. Wie ist das zu erklären?
Nun, 2007 könnte die Erhöhung der Mehrwertsteuer für manchen ein Anlass gewesen sein, aus der Kirche auszutreten, um wenigstens bei der Kirchensteuer zu sparen. Was aber erklärt den starken Anstieg in 2008? (2009 dürften die Austrittszahlen auf einem ähnlichen Niveau liegen, d.h. kein weiterer Anstieg.)
Die einzige Erklärung, die mir bisher dazu in den Sinn kam, ist der Umstand, dass Ende 2007 die Bücher der drei bekanntesten „Neuen Atheisten“ auf den deutschen Markt kamen: Im September „Der Gotteswahn“ von Richard Dawkins und „Das Ende des Glaubens“ von Sam Harris, und im Oktober „Der Herr ist kein Hirte“ von Christopher Hitchens. Diesen wurde ja beachtliche Aufmerksamkeit zuteil, die sich u.a. in zahllosen „Gegen-Büchern“, aber auch Fernsehdiskussionen niederschlug, vom Internet ganz zu schweigen.
Papst Benedikt XVI. ist ja auch immer gut darin, Anlässe für Kirchenaustritte zu liefern, aber seine Entscheidung bzgl. der Pius-Brüder schlug erst dieses Jahr Wellen – also 2009.
Damit besteht meine einzige Erklärung für den deutlichen Anstieg der Kirchenaustritte ab 2008 in der Diskussion um die „Neuen Atheisten“. Damit meine ich nicht nur die Bücher, sondern natürlich auch die Diskussion darum, Internet-Aktivitäten, nicht zuletzt auch Arbeit der Giordano-Bruno-Stiftung. Es würde auch erklären, weshalb der „Hauptgegner“ der Kirchen nunmehr der Atheismus zu sein scheint, während dieser noch vor zehn, zwanzig Jahren kaum beachtet wurde und stattdessen „Sekten“ von den Kirchen als „Buhmann“ aufgebaut wurden.
Kennt jemand eine andere Erklärung für den Anstieg der Kirchenaustritte in 2008?
Einen simplen Grund kenne ich: Die wirtschaftliche Lage mit drohender Arbeitslosigkeit, hoher Inflation (die gerne schöngerechnet wird: „Tomate doppelt so teuer, aber auch doppelt so rot – also 0% Inflation“), sinkenden Reallöhnen macht die Leute drauf aufmerksam, dass sie ihr Geld auch gut selbst brauchen können.
– Die größte Ausstiegswelle sage ich für den Tag voraus, wo die Kirchen (und alle Arbeitgeber) nicht mehr fragen dürfen, welche Religion ihre Angestellten haben, und sie wegen Kirchenaustritts nicht mehr entlassen dürfen.
@ Andeas P: Dass ich da nicht selber drauf gekommen bin… war wohl zu sehr auf religiös-weltanschauliche Ursachen fixiert. Das kommt davon, wenn man aus Überzeugung austritt! Aber danke für den Hinweis, als Atheist lässt man sich ja immer gerne von etwas Besserem überzeugen.